OGH 3Ob259/99f

OGH3Ob259/99f20.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingrid W*****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Richard W*****, vertreten durch Dr. Heinz Wille, Rechtsanwalt in Wien, 2.) D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, und 3.) N***** AG, *****, vertreten durch Hofbauer, Krömer & Nusterer Rechtsanwälte-Partnerschaft in St. Pölten, wegen § 37 EO und Unterlassung (hier Ersatz nach § 394 EO), über die Revisionsrekurse der klagenden und der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. August 1999, GZ 45 R 487/99x-84, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 23. März 1999, GZ 3 C 46/96y-60, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Der Revisionsrekurs der Klägerin wird zurückgewiesen.

2.) Aus Anlass des Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei wird der angefochtene Beschluss, in seinen Punkten 1. und 2. soweit er nicht in Ansehung der Teilabweisung des Ersatzantrags der zweitbeklagten Partei von 430.000 S, der Aufhebung des im Punkt IV des erstgerichtlichen Beschlusses enthaltenen Kostenvorbehalts und der Zurückweisung der Rekursbeantwortung der drittbeklagten Partei in Rechtskraft erwachsen ist, als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung über die Rekurse der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei unter Bedachtnahme auf die dazu erstatteten Rekursbeantwortungen dieser Parteien aufgetragen.

Die Kosten dieses Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Auf Antrag der Klägerin erließ das Erstgericht am 11. 8. 1997 eine einstweilige Verfügung, wonach der zweitbeklagten Partei verboten wurde, eine von der drittbeklagten Partei in Exekution gezogene, von der zweitbeklagten Partei auf Grund eines Übernahmsantrages übernommene Liegenschaft in Benützung, Besitz und Verwaltung zu nehmen, und zwar für den Fall, dass die Klägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 700.000 S erlegt; der Antrag der Klägerin, der drittbeklagten Partei mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, im Exekutionsverfahren 21 E 25/95x des Erstgerichts einen Antrag gemäß § 200 Z 3 EO zu stellen, wurde abgewiesen. Die Klägerin erlegte die aufgetragene Sicherheitsleistung. Infolge Rekurses der zweitbeklagten Partei wies das Rekursgericht auch das gegenüber der zweitbeklagten Partei gestellte Sicherungsbegehren ab. Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wurde mit Beschluss des erkennenden Senats vom 25. 3. 1998, 3 Ob 9/98i, zurückgewiesen.

Am 4. 5. 1998 beantragte die drittbeklagte Partei, der Klägerin gemäß § 394 EO einen Ersatz in Höhe von 725.000 S aufzuerlegen (ON 45) und dafür die von der Klägerin erlegte Sicherheit zu verwenden.

Am 18. 5. 1998 beantragte die zweitbeklagte Partei, der Klägerin als Ersatz für jene Vermögensnachteile, die sie ihr durch die aberkannte einstweilige Verfügung verursacht habe, einen Betrag von 1,060.000 S (Zinsen für 500 Tage zu je 2.120 S) aufzuerlegen.

Das Erstgericht gab dem Ersatzantrag der zweitbeklagten Partei mit 120.000 S Folge, das Mehrbegehren von 940.000 S wies es ab (Punkt I); den Ersatzantrag der drittbeklagten Partei wies es zurück (Punkt II).

Gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhoben die Klägerin, die zweitbeklagte und die drittbeklagte Partei Rekurse. Alle Rekurswerber erstatteten auch zu den Rekursen ihrer Gegner Rekursbeantwortungen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der zweitbeklagten Partei, die ihren Ersatzantrag nur noch bis 630.000 S aufrecht erhielt (die Abweisung von 430.000 S blieb unbekämpft), nicht Folge (Punkt 2.), wies jedoch in Stattgebung des Rekurses der Klägerin den gesamten Ersatzantrag der zweitbeklagten Partei ab und verpflichtete diese, der Klägerin erstinstanzliche Äußerungskosten sowie Rekurskosten zu ersetzen (Punkt 1.). Die Rekursbeantwortungen der zweit- und der drittbeklagten Partei zum Rekurs der Klägerin und jene der Klägerin zu den Rekursen der zweit- und der drittbeklagten Partei, die ihren Rekurs später zurückgezogen hatte, wies es zurück.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil es von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens nach § 394 EO abgewichen sei. Der in 3 Ob 102/98s vertretenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs, wonach § 402 Abs 1 EO im Verfahren über einen Antrag nach § 394 EO analog anzuwenden sei, also auch das Rekursverfahren zweiseitig sei, soweit es sich um die Bekämpfung der Sachentscheidung oder um den einen Sachantrag des Gegners zurückweisenden Beschluss handle, werde vom Rekurssenat nicht beigetreten. § 402 Abs 1 spreche von der sinngemäßen Anwendung des § 521a ZPO, wenn das Verfahren einen Rekurs gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über einen Widerspruch nach § 397 EO oder über einen Antrag auf Einschränkung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand habe. Eine entsprechende Regelung für das Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 394 EO enthalte das Gesetz nicht. Es sei zu prüfen, ob der in § 402 EO enthaltene Hinweis auf § 521a ZPO analog auch für das Verfahren nach § 394 EO anzuwenden sei. Voraussetzung für ergänzende Rechtsfindung durch Analogie sei eine Gesetzeslücke, eine planwidrige Unvollständigkeit, die durch Interpretation nicht geschlossen werden könne, aber einer Beurteilung bedürfe. Analogie setze nicht nur einen ähnlichen Fall voraus, diese Ähnlichkeit müsse auch in der Gleichheit des Rechtsgrundes sowie des Schutzbedürfnisses bestehen. Davon könne im vorliegenden Fall aber nicht gesprochen werden. Der Rechtsgrund für die im § 402 EO genannten Verfahren sei die vorläufige Sicherung eines Anspruchs, jener nach § 394 EO sei ein endgültiger Schadenersatzanspruch. Der Umstand, dass letzterer aus einer ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung resultiere, begründe allein noch keine Ähnlichkeit des Rechtsgrundes. Das Nämliche gelte in Bezug auf das Schutzbedürfnis, dort betreffe dieses einen vorläufigen Anspruchsschutz, hier den Schadenersatz. Da sich die analoge Anwendung des § 402 EO auf das Schadenersatzverfahren nach § 394 EO bereits aus den dargelegten Gründen verbiete, brauche auf einen allfälligen Regelungsbedarf nicht weiter eingegangen werden. Nach Ansicht des Rekurssenates bestehe ein solcher Bedarf im Übrigen auch nicht. Es genüge, wenn - wie hier - der Antragsgegner am Verfahren beteiligt gewesen sei und seinen Rechtsstandpunkt in erster Instanz vertreten habe können, zumal der Gesetzgeber eine Rechtsmittelbeantwortung ohnedies offenbar nicht überbewerte, ziehe man die Neuregelung des § 473a ZPO in Betracht.

Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung richten sich die Revisionsrekurse der Klägerin, die beantragt, dem Rekursgericht (offenbar gemeint nach Aufhebung der bekämpften Entscheidung) eine neuerliche Entscheidung über die Rekurse der zweit- und drittbeklagten Partei unter Abstandnahme von der Zurückweisung ihrer dazu fristgerecht erstatteten Rekursbeantwortungen aufzutragen, sowie der zweitbeklagten Partei mit dem Abänderungsantrag, ihrem Ersatzantrag mit insgesamt 630.000 S Folge zu geben, und einem Eventualaufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Zum Revisionsrekurs der Klägerin: Der Revisionsrekurs der Klägerin ist wegen Fehlens der Beschwer, die nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung für die Zulässigkeit für jedes Rechtsmittel ist, als unzulässig zurückzuweisen: Die Klägerin ist mit ihrem Rekurs beim Rekursgericht zur Gänze durchgedrungen und hat in zweiter Instanz die Abweisung des gesamten Ersatzantrags der zweitbeklagten Partei erwirkt. Soweit sie im Revisionsrekurs - im Ergebnis nur noch - den Zuspruch der Kosten ihrer (wie den tiefer stehenden Ausführungen zum Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei zu entnehmen ist) zu Unrecht zurückgewiesenen Rekursbeantwortungen verfolgt, ist ihr zu erwidern, dass im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidungen der Gerichte zweiter Instanz das Interesse an der Beseitigung (Abänderung) eines zweitinstanzlichen Kostenausspruchs nicht die für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erforderliche Beschwer begründen kann. Da nach dem Gesagten der Revisionsrekurs der Klägerin nicht zulässig ist, kann auf Grund dieses Rechtsmittels selbst eine - wenn auch hier von der Klägerin zutreffend aufgezeigten, durch Verletzung des rechtlichen Gehörs bewirkte - Nichtigkeit des Verfahrens zweiter Instanz nicht wahrgenommen werden (zu all dem siehe die Nachweise bei Kodek in Rechberger2 Rz 9 vor § 461).

Zum Revisionsrekurs der zweitbeklagten Partei: Aus Anlass des zulässigen Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei ist von Amts wegen die Nichtigkeit des rekursgerichtlichen Beschlusses aufzugreifen, die darin besteht, dass es die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aus § 402 Abs 1 EO gefolgerte Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens auch im Verfahren nach § 394 EO nicht beachtete und die Rekursbeantwortungen der Parteien zurückwies. Die vom Rekursgericht für seine gegenteilige Rechtsansicht dargelegten Erwägungen sind zum Teil bereits in den seit der Entscheidung SZ 68/32 stets in gleichem Sinn ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (s die zu RIS-Justiz RS005731 und RS0106820 angeführten Entscheidungen) ausreichend widerlegt und bieten auch für den (erneut mit dieser Frage befassten) erkennenden Senat keine Veranlassung, von der seit 1995 ständigen Rechtsprechung abzugehen, zumal der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit dem Urteil vom 6. 2. 2001 (Beer gegen Österreich Newsletter 2001, 25) das Erfordernis der Zweiseitigkeit sogar für Kostenrekurse bejahte.

Da das Rekursgericht mit der Zurückweisung der (von den jeweiligen Rekursgegnern erstatteten) Rekursbeantwortungen deren rechtliches Gehör ebenso verletzte, wie wenn den Rekursgegnern keine Gelegenheit zur Rechtsmittelbeantwortung gegeben worden wäre, weil es den Inhalt der Rekursbeantwortungen nicht zur Kenntnis nahm, ist seine Entscheidung im noch nicht in Rechtskraft erwachsenen Umfang als nichtig aufzuheben und ihm eine neuerliche Entscheidung über die Rekurse der Klägerin und der zweitbeklagten Partei unter Bedachtnahme auf die dazu erstatteten Rekursbeantwortungen dieser Parteien aufzutragen. Auf die in der rekursgerichtlichen Entscheidung und in den dazu erstatteten Rechtsmittelschriftsätzen in der Sache ausgeführten Argumente kann somit derzeit nicht eingegangen werden.

Die Entscheidung über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.

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