OGH 4Ob46/01w

OGH4Ob46/01w12.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ed. A*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde K*****, vertreten durch Dr. Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1,833.497,85 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2000, GZ 4 R 158/00p-101, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Juni 2000, GZ 21 Cg 225/96x-93, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 112.685,36 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 9.942,56 S Umsatzsteuer und 53.030 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gemeinde beabsichtigte 1993, ihr Kraftwerk E***** umzubauen. Zu diesem Zweck führte sie Verhandlungen mit der Klägerin. Gegenstand dieser Verhandlungen war die Planung und Errichtung des neuen Kraftwerks, das mit neuen Maschinen eine höhere Leistungsausbeute durch Erhöhung des Gefälles erreichen sollte. Die Staumauer sollte um einige Meter erhöht, die Kraftwerksohle nicht abgesenkt werden; außerdem sollte der Freispiegelstollen in einen Druckstollen verwandelt werden. Die Beklagte verlangte von der Klägerin ein funktionierendes Kraftwerk, das mehr Strom erzeugt als das bisherige Kraftwerk.

In einem Gespräch vom 4. 11. 1993 wurde zwischen den Parteien festgehalten und vom Gschäftsführer der Klägerin Dr. Ing. S***** bestätigt, dass die Gesamtkosten von 36,190.000 S auf keinen Fall überschritten werden; im Gegenteil, sie können sich nur nach unten bewegen. Die Kosten der Stollensanierung würden laut Schätzung der Klägerin 1,180.000 S betragen.

Am 24. 6. 1994 bot die Klägerin der Beklagten die Stollensanierung zum Nettobetrag von 2,375.550 S als Festpreis an und setzte bei, "wir erlauben uns zu betonen, dass aufgrund unserer Erfahrung bei den Injektionsarbeiten eine Menge von 12 t angenommen wurde, und bei Überschreitung von mehr als 15 % derselben, die zusätzlich notwendigen Injektionsarbeiten auch tatsächlich im Aufwand abzurechnen sind".

Mit Schreiben vom 27. 6. 1994 nahm die Beklagte das Angebot vom 24. 6. 1994 zu einer Pauschalnettosumme von 2,000.000 S an.

Mit Schreiben vom 27. 7. 1994 wies die Klägerin warnend darauf hin, dass es zu einem erhöhten Bohrstahlverbrauch komme und bereits auf 60 lfm Stollen 12,38 t Injektionsgut verarbeitet worden seien. Eine Hochrechnung ergebe einen Verbrauch von 80 t Injektionsgut. Bei einer Besprechung vom 16. 8. 1994 kam es zu einer Einigung hierüber. Mit Rechnung vom 14. 10. 1994 stellte die Klägerin insgesamt 81,55 t Zement um 1,481.000,40 S in Rechnung. Diesen Betrag beglich die Beklagte.

Als später - nach Inbetriebnahme des Kraftwerks - eine neuerliche Sanierung des Stollens erforderlich schien, bot die Klägerin mit Schreiben vom 5. 5. 1995 die Sanierungsmaßnahmen um netto 2,573.109,50 S an. Die Beklagte nahm dieses Angebot mit Schreiben vom 15. 5. 1995 "vorbehaltlich der Rückverrechnung bzw Gegenverrechnung von solchen Ansprüchen bzw Positionen, die in den Verantwortungsbereich" der Klägerin fallen, an.

Mit Schlussrechnung vom 13. 6. 1995 begehrte die Klägerin eine Nettogesamtleistung von 2,533.497,85 S. Die Beklagte lehnte nach Einholung eines technischen Gutachtens die Zahlung des Restbetrages von 1,833.497,85 S ab.

Mit der Behauptung, dass sich, nachdem das Kraftwerk vom 1. 1. bis 17. 4. 1995 in Betrieb gewesen sei, anlässlich einer Stollenbegehung am 2. 5. 1995 die Notwendigkeit weiterer zunächst nicht absehbarer Sanierungsmaßnahmen für den Druckstollen ergeben und ihr die Beklagte aufgrund ihres Angebots den Auftrag für die Sanierung am 19. 5. 1995 erteilt, die Schlussrechnung aber nicht voll beglichen habe, begehrt die Klägerin von der Beklagten 1,833.497,85 S sA. Das Baugrundrisiko liege in der Sphäre der Beklagten als Werkbestellerin. Die Klägerin sei von der Beklagten auch nicht auf eine ungewöhnliche, allenfalls unbekannte Beschaffenheit des Gebirges hingewiesen worden. Im Anbotsstadium sei sie mangels Vereinbarung nicht verpflichtet gewesen, über die vorgenommenen Untersuchungen hinaus kostenintensive umfangreiche und schwierige Untersuchungen anzustellen. Die Bestimmung des Werkvertrags über das Kraftwerk vom 17./18. 1. 1994, wonach die Klägerin das Bodenrisiko übernehme, gelte nicht für den Stollensanierungsvertrag.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die nach Aufnahme des Vollbetriebs im Jahre 1995 erforderlichen Sanierungsmaßnahmen seien ein Mängelbehebungsaufwand, der von der Klägerin aus dem Rechtsgrund der Gewährleistung und des Schadenersatzes zu tragen sei. Der Klägerin sei die Bodenbeschaffenheit bekannt gewesen. Sie sei für die Planung und Ausführung verantwortlich gewesen. Sie habe aufgrund einer Fehleinschätzung eine falsche technische Methode angewandt und somit ein mangelhaftes Werk errichtet. Sie habe durch die Vornahme mehrerer Verbesserungsversuche ihren Gewährleistungsanspruch auch anerkannt. Eine Stahlrohrpanzerung wäre die technisch richtige Methode und auch billiger gewesen. Über andere Methoden habe sie die Klägerin nie aufgeklärt. Wegen weiterer noch vorhandener Mängel sei der Entgeltanspruch auch nicht fällig. Die Mangelhaftigkeit des Werks, das Risse, Undichtheiten und Aufplatzungen zeige, liege darin, dass die Lebensdauer der Anlage stark vermindert werde. Die Druckverluste hätten einen negativen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Energiegewinnung. Es bestehe auch die Gefahr der Beschädigung der Turbine durch "abgeplatztes" Material. Diese den ungestörten Gebrauch hindernden Mängel seien erheblich, aber sanierbar. Der Stollen sei Teil des von der Klägerin erstellten technischen Konzepts zur Herstellung einer funktionsfähigen Anlage gewesen. Der Werkvertrag vom 17./18. 1. 1994 sei Vertragsgrundlage für die gesamte Werkausführung. Darin habe die Klägerin die erforderlichen Aufschlussbohrungen und Bodenuntersuchungen sowie das gesamte Bodenrisiko übernommen. Nachtragsangebote seien laut Pkt 16.16 des Werkvertrags zu den Bedingungen des Hauptangebots zu legen. Hilfsweise begehre die Beklagte Vertragsanpassung gemäß § 872 ABGB, weil die Klägerin sie über die tatsächlichen Kosten in Irrtum geführt habe und sie ihr bei Kenntnis des vollen Aufwands keinen Auftrag oder den Auftrag zu einer dem Stand der Technik entsprechenden (billigeren) Ausführung erteilt hätte. Überdies betrage die Differenz zwischen Schlussrechnung und Zahlungen nur 1,693.497,85 S, sodass jedenfalls eine Überklagung um 140.000 S vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf noch folgende Feststellungen:

Nach einer kurzen Betriebsphase vom 1. 1. 1995 bis 17. 4. 1995 wurden im Zuge von Begehungen wieder Mängel festgestellt, die eine neuerliche Sanierung des zuvor sanierten Triebwasserstollens erforderlich machten.

Weiters gab der Erstrichter die vom Sachverständigen Dipl. Ing. Dr. Karl L***** angestellten technischen Erwägungen wieder. Nach diesen Ausführungen sei die Klägerin sowohl Planerin als auch bauausführendes Unternehmen gewesen. Bei der Beurteilung der Untergrundverhältnisse sei eine Fehleinschätzung unterlaufen, was in der Folge zu Mehrkosten gegenüber dem ursprünglichen Angebot von 1,000.491,40 S im Zug der ersten Stollensanierung und von 3,040.197,42 S im Zug der zweiten Stollensanierung geführt habe. Die durchgeführte Planung und Erstellung des Sanierungskonzepts ohne entsprechende geotechnische Erkundung habe nicht dem Stand der Technik entsprochen. Die Ursache der zweiten Sanierung liege im Auftreten der schweren Mängel am fertiggestellten und abgerechneten Sanierungsprojekt unmittelbar nach Fertigstellung. Mit der Übergabe und Inbetriebnahme des Kraftwerks am 1. 1. 1995 sei kein funktionstüchtiger Triebwasserstollen übergeben worden. Das für die erste Stollensanierung gewählte Konzept beruhe auf einer klaren technischen Fehleinschätzung. Da bereits nach dreieinhalb Monaten extreme Abplatzungen und extreme Schäden eingetreten seien, sei bei der zweiten Sanierung zu einer kompletten Verpressung des Gesamtsystems übergegangen worden, wogegen die erste Sanierung nur eine systematische Ankerung an Firsten und Ulmen und eine entsprechende Verpressung vorgesehen habe. Das Problem bei einer Sanierung durch Injektionen liege darin, dass der Injektionsweg, der Injektionsumfang und das Injektionsergebnis verhältnismäßig schwer erfassbar seien, weil das Injektionsgut in Klüfte gehe. Es sei daher auch schwer, einen Zeitraum für mögliche Schäden abzuschätzen; das Gleiche gelte für die Größenordnung der Schäden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, dass es die Klägerin übernommen habe, im Rahmen eines Werkvertrags die betriebsbereite und schlüsselfertige Errichtung eines Kleinkraftwerks zu bewerkstelligen. Schon nach der Planereigenschaft der Klägerin sei klar, dass sie ein technisch fehlerhaftes Sanierungskonzept in ihrer Eigenschaft als Generalplaner zu vertreten habe. Da die Klägerin auch die Stollensanierung mit gesondertem Auftrag übernommen habe und das Bestehen einer Wasserzuleitung zu einem Wasserkraftwerk als unabdingbar für ein schlüsselfertiges Kleinkraftwerk angesehen werden müsse, seien beide Aufträge als Einheit zu betrachten. Wenn sich schon die Beklagte durch Zahlung eines wesentlich erhöhten Betrags in der Spanne von 12 t zu 81 t bereit gesehen habe, so zeige doch der weitere Bedarf von 204 t Zement die technische Haltlosigkeit des Projekts. Dass das zweite Sanierungsvorhaben nur eine Mängelbehebung des ersten erfolglosen Sanierungsversuches gewesen sei, stehe rechtlich außer Zweifel. Es ergebe sich sogar die Frage, ob jemals eine schlüsselfertige und betriebsbereite Anlage bei Bestehen dieser Mängel übergeben worden und daher überhaupt der Werklohn fällig gewesen sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache an das Prozessgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zunächst stelle sich - ungeachtet des Vorliegens von Werkmängeln - die grundsätzliche Rechtsfrage, wer den Mehraufwand der vom Auftrag der Beklagten vom 15. 5. 1995 umfassten Mehrleistungen der Klägerin zu tragen habe. Aus dem Vorbehalt bei der Annahme des hierüber von der Klägerin gelegten Angebots ("Rückverrechnung bzw Gegenverrechnung von in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallenden Ansprüchen bzw Positionen") ergebe sich, dass die Klägerin die Berechtigung ihrer Forderung nicht aus der Annahme ihres Angebots ableiten könne. Es komme daher wesentlich auf die die Vorleistungen der Klägerin betreffenden Vereinbarungen der Streitteile an. Danach habe die Klägerin die Stollensanierung (= die Umwandlung des Freispiegelstollens in einen Druckstollen) ursprünglich zu einem Festpreis von 2,375.550 S angeboten, der eine Injektionsmenge von 12 t enthielt. Gleichzeitig habe sie die Beklagte aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Überschreitung dieser aufgrund ihrer Erfahrung angenommenen Injektionsmenge um 15 % die zusätzlichen Injektionsarbeiten nach dem tatsächlichen Aufwand abgerechnet würden. Nachdem sich die Streitteile für diese Mehrleistungen auf eine "pauschale Nettosumme" von 2,000.000 S geeinigt hatten, habe die Klägerin einen erforderlichen Mehraufwand angezeigt, der von der Beklagten auch hingenommen und beglichen worden sei. Diese "erste Sanierung" habe nach den Feststellungen des Erstgerichts nur eine "systematische Ankerung an Firsten und Ulmen und eine entsprechende Verpressung" umfasst, während die "zweite Sanierung" eine "komplette Verpressung des Gesamtsystems" vorgesehen habe. Schon nach den (bekämpften) Feststellungen müsse daher im Sinn des Rechtsstandpunkts der Klägerin davon ausgegangen werden, dass es nachträglich im Mai 1995 zu einer Änderung des vereinbarten Leistungsinhalts gekommen sei, der eine Mehrleistung der Klägerin zur Folge gehabt habe. Komme es nachträglich zu Änderungen des vereinbarten Leistungsinhalts eines Werkvertrags, so habe der Werkunternehmer - selbst im Fall einer Pauschalpreisvereinbarung - Anspruch auf (zumindest angemessene) Bezahlung dieser Mehrleistungen. Eine solche Pauschalpreisvereinbarung sei hier jedoch in Bezug auf die Injektionsarbeiten nach den Feststellungen nicht vorgelegen, da sich die Klägerin insoweit schon im ursprünglichen Werkvertrag bei einer 15 %igen Überschreitung der Injektionsmenge die Abrechnung nach dem tatsächlichen Aufwand vorbehalten habe, welche die Beklagte in der Folge auch akzeptiert habe. Gerade diese Art der Preisvereinbarung zeige, dass die Klägerin, die Planerin und Werkunternehmerin gewesen sei, in Bezug auf die Injektionsarbeiten um die zur Herstellung eines Druckstollens erforderliche Injektionsmenge ein Baugrundrisiko vertraglich nicht übernommen habe und daher eine ihrer Sphäre zuzurechnende Fehleinschätzung der Bodenverhältnisse nicht vorliege. Mangels einer solchen Vereinbarung treffe das Bodenrisiko aber den Werkbesteller. Die Klägerin habe daher - sofern ihre werkvertraglichen Leistungen einschließlich der angeführten zur Herstellung eines Druckstollens von den Streitteilen für erforderlich gehaltenen Mehrleistungen mangelfrei sind und dem Stand der Technik entsprechen - Anspruch auf Leistung des für die Mehrleistungen vereinbarten Entgelts. Entscheidend sei daher, ob die aufgrund des Werkvertrags erbrachten Werkleistungen der Klägerin selbst frei von Mängeln sind oder - bejahendenfalls - ob die vereinbarte Werkleistung zur Herstellung eines für das Kraftwerk der Beklagten technisch erforderlichen Druckstollens überhaupt geeignet ist, also die von den Parteien gewählte Art der Umwandlung des Freispiegelstollens in einen Druckstollen bei den Boden- und Druckverhältnissen dem Stand der Technik entsprochen habe. Habe die Klägerin die vertraglich vereinbarten Werkleistungen mangelhaft erbracht, so stehe der Beklagten bei behebbaren Mängeln ein Verbesserungsanspruch und zur Wahrung dieses Anspruchs - außer bei Rechtsmissbrauch - ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Könnte die Verbesserung des Werks aber nur in der Herstellung einer bislang nicht vereinbarten Leistung bestehen und hätte der Besteller bei entsprechender Aufklärung durch den Unternehmer einen Werkvertrag mit anderem Leistungsinhalt abgeschlossen, so könne er eine gewährleistungsrechtliche Leistungsverweigerung nicht geltend machen. Die begehrte Änderung des Vertragsgegenstands bedürfe vielmehr einer auf Rechtsgestaltung abzielenden irrtumsrechtlichen Erklärung des Werkbestellers. Der Besteller müsste geltend machen, er hätte, wäre ihm vom Werkunternehmer bei den Vertragsverhandlungen vor Augen gehalten worden, welche Folgen die Herstellung des Werks unter den vereinbarten Gegebenheiten haben werde, den Vertrag mit jenem Inhalt geschlossen, der ihn des streitauslösenden Risikos - gegebenenfalls bei entsprechendem Mehraufwand - enthoben hätte. Hätte er - bei entsprechender Warnung durch den Werkunternehmer - einen vom bestellten und auftragsgemäß hergestellten Werk abweichenden bzw einen Zusatzauftrag erteilt, der zu einem einwandfreien Ergebnis geführt hätte, so könnte er daher die Ergänzung des bestellten und auftragsgemäß hergestellten Werks im Wege irrtumsrechtlicher Vertragsanpassung gemäß § 872 ABGB erzwingen. Ein Eventualvorbringen in diesem Sinne habe die Beklagte auch erstattet.

Mit Recht rüge die Klägerin, dass das Verfahren erster Instanz mangelhaft geblieben sei. Im konkreten Fall lägen solche besonderen Schwierigkeiten vor, dass sich die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Tunnel- und Stollenbaus zur erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung der Streitsache als erforderlich erweise. Die besonderen Schwierigkeiten der Sachverständigenbeurteilung zeigten im vorliegenden Fall nicht nur die fundamental unterschiedlichen Auffassungen des Gerichtsgutachters und der Privatgutachter zur Frage der Mangelhaftigkeit der Werkleistung und ihrer grundsätzlichen Eignung zur Herstellung eines technisch einwandfreien Druckstollens für die Kraftwerksanlage der Beklagten, sondern auch die im Rahmen des Beweisverfahrens erörterten und vom Sachverständigen auch für grundsätzlich richtig erachteten Lehrmeinungen, die von den Schlussfolgerungen des Sachverständigen maßgeblich abwichen, wofür dieser keine schlüssige Begründung anzuführen vermocht habe. Ob sich zur abschließenden Beurteilung der aufgezeigten Rechtsfragen auch eine Verbreiterung der Sachgrundlagen durch sachverständige Untersuchung der Wasserverluste im Druckstollen als notwendig erweist, werde vom Ergebnis der weiteren Begutachtung im vorgenannten Sinne abhängen. Da die für die Beurteilung der noch ausstehenden Rechtsfragen getroffenen und bekämpften Feststellungen im Ersturteil somit nicht das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens seien und es daher noch einer Ergänzung des Verfahrens bedürfe, erübrige es sich, auf die Beweisrüge einzugehen. Wegen des Umfangs der erforderlichen Verfahrensergänzung und der Unabsehbarkeit der Weiterungen des Verfahrens sei ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss zu fassen. Bei der Abfassung der neuerlichen Entscheidung werde das Erstgericht zu beachten haben, dass aus dem Urteil klar und unmissverständlich hervorgehen müsse, welche Tatsachenfeststellungen als erwiesen angenommen worden seien. In der bloßen Wiedergabe von Beweisergebnissen - etwa in der Wiederholung von Erwägungen des Gutachters - lägen keine gesetzmäßigen Tatsachenfeststellungen.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei für zulässig zu erklären gewesen, weil zur Frage, inwieweit der Werkunternehmer, der auch Planer der Werkleistung ist, das Bodenrisiko zu tragen habe, eine grundsätzliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist berechtigt.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass sich erst nachträglich - nach Beendigung ihrer Arbeiten am Stollen und der Aufnahme des Vollbetriebs mit 1. 1. 1995 - die Notwendigkeit weiterer, zunächst nicht absehbarer Sanierungsmaßnahmen ergeben habe (S. 5). Sie hat richtig erkannt, dass die Berechtigung ihres Klagebegehrens davon abhängt, wen das Risiko dafür trifft, dass sich die geologischen Verhältnisse anders darstellten, als sie es erwartet hat. Zutreffend hat sie schon in erster Instanz darauf verwiesen, dass die Frage, welchen der Vertragsteile beim Werkvertrag die Gefahr trifft, nach der Sphärentheorie beantwortet wird. Wie sich aus § 1168a ABGB ergibt, gehört der vom Werkbesteller beigestellte Stoff in dessen Sphäre. Dem Besteller wird somit jede Stoffuntauglichkeit zugerechnet, sofern sie nicht "offenbar" ist und daher die Warnpflicht des Unternehmers auslöst (Krejci in Rummel, ABGB3 § 1168a Rz 19). Der Ausdruck "Stoff" ist nach Lehre und Rechtsprechung weit auszulegen; darunter wird alles verstanden, aus dem oder mit dessen Hilfe ein Werk herzustellen ist (Krejci aaO Rz 18; SZ 45/75; SZ 52/15; SZ 54/128; SZ 63/20; ecolex 1995, 714); das gilt insbesondere auch für den beigestellten Baugrund (WBl 1987, 219; WBl 1988, 98; RdW 1998, 189 uva). Unbeschadet der den Unternehmer treffenden Warnpflicht trifft also grundsätzlich den Werkbesteller das Boden-(Baugrund-)Risiko (SZ 71/142 mwN).

Diese grundsätzliche Regel gilt aber dann nicht, wenn die Parteien des Bauvertrags - mit hinreichender Deutlichkeit - vereinbaren, dass nicht der Besteller (Bauherr), sondern der Werkunternehmer die Bodenverhältnisse näher prüft (Krejci, Die bauvertragliche Pflicht zur Baugrundprüfung, WBl 1989, 259 ff [260]; derselbe, Baugrundrisiko und Bauvertrag, FS Fasching 1988, 311 ff [315]; SZ 71/142). Ohne jeden Zweifel können die Parteien des Vertrags so wie jedes Vertragsrisiko auch das Baugrundrisiko - im Rahmen zwingender Gesetze und der guten Sitten - vertraglich regeln (Rummel, Das "Baugrundrisiko", ein neuer Rechtsbegriff? in FS Strasser (1993) 309 ff [310]). Da die gesetzlichen Regelungen über die Gefahrtragung beim Werkvertrag ("Sphärentheorie") grundsätzlich nicht auf zwingendem Recht beruhen, ist es den Vertragsparteien nicht verboten, andere Regelungen zu treffen; den Parteien steht es grundsätzlich frei, die gesetzliche Gefahrtragung abzubedingen; die Parteien können also vereinbaren, dass der Werkunternehmer auch dann, wenn die Vereitlung des Werks aus der Sphäre des Bestellers kommt, keinen (zusätzlichen) Entgeltanspruch haben soll (Krejci, Bauvertrag: Wer trägt das Baugrundrisiko? 107).

Die Beklagte hat sich schon im Verfahren erster Instanz darauf berufen, dass die Klägerin das Boden-, Grundwasser- und Hochwasserrisiko vertraglich übernommen habe; das gelte auch für die Stollenarbeiten (Band II S. 49). Aus dem von beiden Parteien (als Beilage 2 und Beilage H) vorgelegten und in Echtheit und Richtigkeit unbestrittenen Vertrag ergibt sich, dass laut Punkt 16.7 "das gesamte Bodenrisiko, Grundwasserrisiko und jedes Hochwasserrisiko... vom Auftragnehmer zur Gänze übernommen" wird und "der Auftragnehmer... laufende hydrologische Untersuchungen und Beweissicherungen durchzuführen" hat.

Strittig ist allein die Frage, ob diese im Werkvertrag vom 17./18. 1. 1994 enthaltene Vertragsklausel auch für den im Juni 1994 zustande gekommenen Vertrag über die Stollenarbeiten anzuwenden sei. Nach Meinung der Klägerin gelte der Werkvertrag nur für die im dort angeschlossenen Leistungsverzeichnis aufgezählten Arbeiten und somit nicht für den Stollen, über dessen Sanierung ein eigener Vertrag geschlossen worden sei (Band II S. 47). Weder das Angebot vom 24. 6. 1994 noch das Auftragsschreiben vom 27. 6. 1994 enthalte auch nur den leisesten Hinweis auf den Werkvertrag vom Jänner 1994. Die Beklagte hätte bei Gültigkeit der Klausel auch für die Stollenarbeiten zweifellos nicht die nachträgliche Preiserhöhung hingenommen (Bd II S. 70).

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Sanierung des Stollens untrennbarer Bestandteil der Herstellung einer funktionsfähigen Gesamtanlage und so auch im technischen Konzept der Kläger ausgewiesen gewesen sei. Bei Abschluss des Werkvertrags vom 17./18.

1. 1994 sei allen Beteiligten klar gewesen, dass es einen Folgeauftrag für die Stollensanierung als Bestandteil der Gesamtanlage werde geben müssen, wobei nur der Zeitpunkt der Auftragserteilung noch hinausgeschoben worden sei. Das Angebot vom 24. 6. 1994 sei ein Nachtragsangebot, für welches im Sinne des Punktes 16.16 des Werkvertrags die gleichen Bedingungen zu gelten hätten (Bd II S. 57 f).

Da keine der Parteien behauptet hat, bei Zustandekommen der Vereinbarung über die Stollenarbeiten sei die Geltung der Bedingungen des Werkvertrags erörtert worden, bedarf es insoweit keiner Verfahrensergänzung (die bisher dazu befragten Personen haben im Übrigen solche Gespräche ebenfalls nicht bekundet, der als Partei vernommene Geschäftsführer der Klägerin hat entgegen deren Berufungsausführungen [Bd II S. 415] nur betont, die Geltung des Werkvertrags sei für die Stollensanierung nicht vereinbart worden, nicht aber, sie sei ausdrücklich ausgeschlossen worden [Bd II S. 55]); vielmehr liegt hier eine Rechtsfrage vor, die der Oberste Gerichtshof aufgrund der in Echtheit und Richtigkeit unbestritten gebliebenen Urkunden zu lösen hat:

Mit Werkvertrag vom 17./18. 1. 1994 verpflichtete sich die Klägerin als Auftragnehmerin gegenüber der Beklagten als Auftraggeberin zur "betriebsbereiten und schlüsselfertigen Errichtung des Kleinkraftwerkes E***** im Gemeindegebiet E*****". Schon vorher hatten die Streitteile in der im Aktenvermerk Beilage 1 festgehaltenen Abmachung vom 4. 11. 1993 vorgesehen, dass die Kosten für das Projekt Kraftwerk 36,190.000 S nicht überschreiten und die Kosten der Stollensanierung laut Kostenschätzung ca 1,180.000 S betragen würden. Zur gleichen Zeit wurde also über die Errichtung des Kraftwerks und die Sanierung des Stollens gesprochen, der zweifellos dem Betrieb des Kraftwerks dient und diesem daher zuzuordnen ist.

Bot nun später - nämlich am 24. 6. 1994 - die Klägerin für das "o.a. Bauvorhaben" - nämlich das im Kopf des Schreibens angeführte "KW-E*****" - die Stollensanierung zu einem bestimmten Preis an (Bd I S. 111), worauf dann der Auftrag zu einer bestimmten Nettosumme erteilt wurde (aaO S. 113), so kann diese Vereinbarung mangels irgendwelcher gegenteiliger Hinweise nur als Zusatz zum Werkvertrag vom Jänner 1994 verstanden werden. Für die Stollensanierung war demnach ein bestimmter, im Preis laut Werkvertrag nicht enthaltener Betrag zu zahlen; die übrigen Vertragsbedingungen müssen aber auch hier Geltung haben, soweit nichts Gegenteiliges vereinbart wurde. So wird es zwischen den Parteien nicht zweifelhaft gewesen sein, dass auch hiefür die gleiche Art der Rechnungslegung (Punkt 10 des Werkvertrags), die gleichen Regelungen der Übernahme (Punkt 14) oder der Gewährleistung (Punkt 15) zu gelten haben, dass aber auch hier die Klägerin - beispielsweise - dafür Sorge tragen wird, dass sämtliche Vorschriften eingehalten werden (Punkt 16.13). Das Gleiche muss aber auch für Punkt 16.7 gelten. Hätte die Klägerin insoweit das Bodenrisiko ausschließen und die Vornahme hydrologischer Untersuchungen und Beweissicherungen ablehnen wollen, hätte sie das deutlich zum Ausdruck bringen müssen.

Daraus, dass die Beklagte eine nachträgliche Preiserhöhung hingenommen hat, ist für die Vertragsauslegung nichts zu gewinnen, weil daraus kein Schluss auf den - maßgeblichen (SZ 70/198; ÖBA 1998, 225 (Apathy); Koziol/Welser11, I 95) - objektiven Erklärungswert der beiderseitigen Willenserklärungen im Vertragszeitpunkt gezogen werden kann. Ausdrückliche von den Vertragstexten abweichende mündliche Erklärungen wurden, wie schon ausgeführt, nicht einmal behauptet.

Die Beklagte hat sich zwar bereit gefunden, dem Verlangen der Klägerin nach einem höheren Entgelt für die Stollensanierung zu entsprechen und nach Aufwand abrechnen zu lassen. Damit ist aber nicht klargestellt worden, dass die Klägerin auch bis dahin noch nicht erkannte Risken entgegen dem Werkvertrag nicht übernehmen wolle.

Infolge der von der Beklagten nicht richtig eingeschätzten geologischen Verhältnisse hatte sie nicht nur - wie schon im Jahre 1994 angezeigt - höhere Aufwendungen zu machen, sondern erwies sich nach Beendigung ihrer Arbeiten ihre Werkleistung als so mangelhaft, dass eine neuerliche Sanierung erforderlich wurde. Das Misslingen des Werks trifft aber im Hinblick auf die Risikovereinbarung die Klägerin.

Der Erstrichter hat daher im Ergebnis zu Recht das Klagebegehren abgewiesen. Auf die vom Berufungsgericht aufgezeigten Verfahrensmängel und erteilten Ergänzungsaufträge kommt es nicht an.

In Stattgebung des Rekurses war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und sogleich in der Sache selbst dahin zu erkennen, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird (§ 519 Abs 2 ZPO).

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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