OGH 8ObS127/01m

OGH8ObS127/01m11.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Gunter Krainhöfner und Mag. Kurt Retzer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Martha H*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Bundessozialamt Wien, Niederösterreich, Burgenland, 1150 Wien, Geigergasse 5-9, wegen S 305.597,52 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. März 2001, GZ 7 Rs 66/01d-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat vertritt in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung den Standpunkt, dass Arbeitnehmer, die untypischerweise trotz Nichtzahlung des Lohns über lange Zeit im Unternehmen bleiben und auch gar nicht ernstlich versuchen, die aushaftenden Beträge hereinzubringen, keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben. Ein solches Verhalten hält einem "Fremdvergleich" nicht stand, weil normalerweise ein Arbeitnehmer unter solchen Umständen das Arbeitsverhältnis nicht aufrechterhalten hätte, sondern vorzeitig ausgetreten wäre, sodass sich das finanzielle Risiko des Verlustes seiner Entgeltansprüche in Grenzen gehalten hätte. Dem Arbeitnehmer steht es selbstverständlich frei, im Unternehmen tätig zu bleiben, auch wenn er über lange Zeit den Lohn nicht ausgezahlt erhält. Unabhängig davon, ob er die Belastung des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beabsichtigte oder auch nur billigend in Kauf nahm, bewirkt diese atypische, einem Fremdvergleich nicht standhaltende Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, dass es vom Schutzzweck des IESG nicht erfasst wird (ZIK 1999, 216; ZIK 1999, 141; DRdA 1999, 494; RdW 2000, 743; zuletzt RZ 2001, 123 und 8 ObS 37/01a).

Diese - in ihrer Richtigkeit von der Revisionswerberin gar nicht bestrittene - Rechtsprechung liegt der Entscheidung der zweiten Instanz zugrunde. Ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall - hier die Durchführung des Fremdvergleiches im Fall der Klägerin - ist eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann. Von einer krassen Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann aber hier nicht die Rede sein. Nach den Feststellungen hat die Klägerin in den letzten 18 Monaten des Arbeitsverhältnisses nur zwei Akontozahlungen - jeweils etwa in der Höhe eines Monatsgehaltes - erhalten; nach der zweiten Aktontozahlung hat das Arbeitsverhältnis noch 10 Monate weiterbestanden, ohne dass irgendwelche Zahlungen erfolgten. Dessen ungeachtet ist die Klägerin nicht ausgetreten. Vielmehr wurde das Arbeitsverhältnis durch Dienstgeberkündigung beendet. Dazu kommt, dass die Klägerin über die aussichtslose Situation des Unternehmens und über die Unmöglichkeit, ihre Lohnforderung aus Unternehmensmitteln zu begleichen, Bescheid wusste. Dass die Arbeitgeberin die Klägerin unter Hinweis auf eine ausständige Zahlung aus einem Scheidungsverfahren zur Weiterarbeit aufforderte, verleiht dem hier zu beurteilenden Fall keine grundsätzliche Bedeutung, zumal in vielen vergleichbaren Fällen der Arbeitnehmer mit vertröstenden Zusagen und Versprechungen konfrontiert wird. Die der Klägerin gemachten (und nicht eingehaltenen) Versprechungen ändern aber nichts daran, dass die Auffassung des Berufungsgerichtes, das Verhalten der Klägerin halte einem Fremdvergleich nicht stand, weil normalerweise ein Arbeitnehmer unter den gegebenen Umständen das Arbeitsverhältnis nicht aufrechterhalten hätte, keineswegs unvertretbar ist.

Damit macht aber die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG geltend.

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