OGH 9ObA141/01b

OGH9ObA141/01b7.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Norbert Riedl und Mag. Albert Ullmer als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei F***** GmbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ernst P*****, Expeditarbeiter, ***** (14 Cga 136/00x), 2. Leopold T*****, Schichtleiter, ***** (19 Cga 179/00g), 3. Jesus Josef T*****, Expeditarbeiter, ***** (24 Cga 174/00h) und 4. Erich S*****, Arbeiter, ***** (17 Cga 146/00i), die zweit- und viertbeklagte Partei jeweils vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zustimmung zur Kündigung (§ 121 ArbVG), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2001, GZ 8 Ra 41/01k-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. November 2000, GZ 14 Cga 136/00x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweit- und viertbeklagten Partei je S 11.904,75 (darin S 1.984,13 Umsatzsteuer) an anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Da das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich der erst- und drittbeklagten Parteien unangefochten geblieben und daher in Rechtskraft erwachsen ist, wird im Folgenden das Parteivorbringen nur insoweit wiedergegeben, als es sich auf die verbliebenen (zweit- und viert-)beklagten Parteien bezieht.

Mit ihren (später verbundenen) Klagen vom 16. 8. 2000 begehrte die klagende Partei, der Kündigung der Beklagten die gerichtliche Zustimmung zu erteilen.

Dazu brachte die klagende Partei vor:

Sie habe im gemeinsamen Betrieb mit der V***** Verlagsgesellschaft mbH eine Wochenzeitung (*****) und eine Tageszeitung (*****) redaktionell und technisch hergestellt und vertrieben. Der Zweitbeklagte sei als Schichtleiter im Expedit, der Viertbeklagte als Mitarbeiter in der Kassenstation tätig gewesen, beide seien Mitglieder des Arbeiterbetriebsrates gewesen. Vor wenigen Wochen habe die klagende Partei den Druck und damit auch die Abwicklung des Vertriebs der Wochenzeitung nach Deutschland verlegt. Den Druck und den Vertrieb der Tageszeitung habe sie eingestellt und damit den technischen Betrieb zur Gänze beendet. Was bleibe, sei eine Redaktion samt Verwaltungsbüro. Alle bei der klagenden Partei beschäftigten Arbeiter würden nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 45a Abs 2 AMFG gekündigt; das mit Ausnahme von zwei Frauen, welche die Reinigung der Redaktions- und Verwaltungsbüros übernehmen würden. Für die Beklagten bestehe keine Verwendung mehr. Der Betrieb werde danach dauernd eingestellt sein. Damit ende auch die Tätigkeitsdauer des Betriebsrats (§ 62 Z 1 ArbVG) und der Kündigungsschutz der Beklagten (§ 120 Abs 3 ArbVG). Ihr Dienstverhältnis erlösche gemäß § 82 GewO. Gemäß § 62 Z 1 iVm § 120 Abs 3 ArbVG und § 83 GewO 1859 benötige die klagende Partei an sich nicht die Zustimmung des Gerichts zur Beendigung des Dienstverhältnisses der Beklagten, dennoch werde "vorsorglich" das vorgenannte Klagebegehren gestellt.

In der Tagsatzung vom 10. 11. 2000 (ON 12) ergänzte die klagende Partei ihr Vorbringen dahin, dass mittlerweile mit Ausnahme der zwei Frauen, welche das Reinigungspersonal bildeten, sämtliche Arbeiter gekündigt bzw deren Arbeitsverhältnisse einvernehmlich aufgelöst worden seien. Die klagende Partei stellte insbesondere das Vorbringen der beklagten Parteien außer Streit, wonach auch diese zum 31. 10. 2000 gekündigt worden seien. Druckerei und Expedit seien an einen Dritten vermietet worden, welcher gänzlich andere Produkte herstelle und vertreibe als die klagende Partei.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung der Klagebegehren und bestritten eine Stilllegung der Betriebsteile Druckerei und Expedit.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab, weil es die Rechtssache schon aufgrund des Vorbringens der klagenden Partei für spruchreif hielt. Gemäß § 120 Abs 2 ArbVG erlösche der Kündigungs- und Entlassungsschutz für Betriebsratsmitglieder mit der dauernden Einstellung des Betriebes. Eine solche Einstellung habe die klagende Partei jedoch selbst behauptet, sodass die Zustimmung des Gerichtes für rechtswirksame Kündigungen von Betriebsräten nicht mehr erforderlich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass es der klagenden Partei aufgrund der von ihr behaupteten dauernden Betriebseinstellung an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Zustimmung des Gerichtes zur Kündigung (ehemaliger) Betriebsratsmitglieder fehle.

Gegen diese Entscheidung ( - welche zunächst zwar "zur Gänze", wie aber aus dem Rechtsmittelantrag unmissverständlich hervorgeht, nur hinsichtlich der zweit- und viertbeklagten Partei bekämpft wird - ) richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage auf Zustimmung zur Kündigung des Zweit- und Viertbeklagten stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die zweit- und viertbeklagten Parteien beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Ein Klagebegehren ist im Sinn des § 226 ZPO rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiellrechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516; RS0037375). Die "dauernde" Einstellung im Sinne des § 121 Z 1 ArbVG ( - nur dieser Kündigungsgrund kann aus dem Vorbringen der Klägerin allenfalls erschlossen werden - ) bedeutet die Phase des Abbaus der Beschäftigten und der Betriebsmittel mit dem Ziel der Betriebseinstellung, dh, dass diese erst geplant ist (Strasser/Jabornegg, ArbVG3 Anm 3 zu § 121). Ist demgegenüber die Auflösung bereits erfolgt, so stellt dies einen Grund für die Mandatsbeendigung nach § 62 ArbVG dar, sodass das Gericht in diesem Fall nicht mehr eingeschaltet werden muss (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht III 398). Schon in ihren Klageschriftsätzen weist die klagende Partei darauf hin, dass nach der Einstellung des technischen Betriebes der Betrieb dann dauernd geschlossen sein werde, wenn nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 45a Abs 2 AMFG auch die Arbeitnehmer gekündigt sein würden. Selbst wenn man darin erst die Ankündigung des dauernden Betriebsschlusses sehen und daher die Zulässigkeit der Anrufung des Gerichtes zwecks Zustimmung zur Kündigung bejahen wollte, war diese Voraussetzung mit dem Vorbringen der klagenden Partei vom 10. 11. 2000 (AS 27) jedenfalls weggefallen. Danach waren zu diesem Zeitpunkt bereits alle Mitarbeiter einschließlich der hier beklagten Parteien gekündigt bzw die Dienstverhältnisse mit ihnen einvernehmlich aufgelöst. Damit war aber nach dem Vorbringen der klagenden Partei nicht nur der technische Teil des Betriebes eingestellt, sondern auch das hiefür erforderliche Personal nicht mehr vorhanden, woraus die klagende Partei selbst die dauernde Betriebseinstellung im Sinne des § 62 Z 1 ArbVG ableitete. Einer nachträglichen Zustimmung des Gerichtes für bereits ausgesprochene Kündigungen steht indes der klare Wortlaut des § 120 Abs 1 erster Satz ArbVG entgegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 58 ASGG. Wird eine Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes in Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG, in denen einer Kostenbemessung nur im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof Bedeutung zukommt, vorerst unterlassen, so ist gemäß § 14 lit a RATG die Bemessungsgrundlage "im Zweifel" mit S 300.000 zu bewerten (RIS-Justiz RS0109949, insbesondere 9 ObA 948/99a). Gemäß § 12 Abs 1 RATG ergibt dies für die verbliebenen zwei beklagten Parteien einen Gesamtstreitwert von S 600.000. Auf Basis dieser Bemessungsgrundlage haben die obsiegenden zweit- und viertbeklagten Parteien Anspruch auf anteiligen Kostenersatz.

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