Spruch:
gefasst:
Der Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerhard Kuras ist als Mitglied des 8. Senats im Verfahren über die Revision der Kläger zur AZ 8 ObS 82/01v ausgeschlossen.
Text
Begründung
Im ersten Rechtsgang gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung der Kläger mit Beschluss vom 17. 9. 1999 Folge. Es hob das angefochtene klageabweisende Urteil auf und verwies die Sozialrechtssachen zur "ergänzenden Verhandlung und Entscheidung" an das Erstgericht zurück (9 Rs 168/99p-23). Bei dieser Entscheidung fungierte der nunmehrige Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerhard Kuras als Berichterstatter. Im Aufhebungsbeschluss wurde dem Erstgericht unter anderem eine - im ersten Rechtsgang schon von ihm selbst vertretene - Rechtsansicht überbunden, die es auch seinem klageabweisenden Urteil im zweiten Rechtsgang zugrunde legte. Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung der Kläger mit Urteil vom 26. 1. 2001 in veränderter Senatszusammensetzung aufgrund der schon im ersten Rechtsgang ausgesprochenen Rechtsansicht nicht Folge (9 Rs 365/00p-37). Diese Entscheidung bekämpften die Kläger mit Revision (ON 39) und wendeten sich darin auch gegen jene Rechtsansicht, die dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluss überbunden worden war und die im zweiten Rechtsgang erlassenen Urteile beider Vorinstanzen trägt. Diese beim Obersten Gerichtshof unter der AZ 8 ObS 82/01v angefallene Revision wurde nach den Bestimmungen der Geschäftsverteilung dem Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerhard Kuras als Berichterstatter zugeteilt, der die Akten mit Note vom 30. 4. 2001 dem Vorsitzenden des 8. Senats mit dem Ersuchen übermittelte, sie gemäß Pkt. VIII. C.
2. der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs dessen 1. Senat zur Prüfung der Frage vorzulegen, ob er von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen sei. Wohl sei er an der jetzt angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien nicht beteiligt gewesen, das Berufungsgericht sei jedoch bei deren Fällung an die dem Erstgericht im Aufhebungsbeschluss überbundene Rechtsansicht gebunden gewesen. Das könnte als Teilnahme an der Erlassung des angefochtenen Urteils bei einem untergeordneten Gericht im Sinne des § 20 Z 5 JN angesehen werden. Nach dieser Mitteilung des Berichterstatters legte der Vorsitzende des 8. Senats des Obersten Gerichtshofs, Senatspräsident Dr. Karl Heinz Petrag, die Akten mit Verfügung vom 2. 5. 2001 dem 1. Senat zur Entscheidung vor.
Der erkennende Senat hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Richter sind nach § 20 Z 5 JN von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in denen sie bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung des angefochtenen Urteils oder Beschlusses teilnahmen.
Der Ausschließungsgrund gemäß § 20 Z 5 JN gilt nach herrschender Ansicht grundsätzlich nur für Richter einer höheren Instanz, die bei einem untergeordneten Gericht an der Erlassung der angefochtenen Entscheidung mitwirkten (3 Ob 368/97g; 8 Ob 1621/92; SZ 61/276; 4 Ob 78/77; 7 Ob 28/73; Ballon in Fasching2 § 20 JN Rz 9; Fasching1 I 203; ders, Lehrbuch2 Rz 163; Mayr in Rechberger, ZPO2 § 20 JN Rz 6). Somit ist ein Richter, der in derselben Rechtssache nicht an der angefochtenen, sondern an einer anderen Entscheidung mitwirkte, im Allgemeinen nicht ausgeschlossen (3 Ob 368/97g; SZ 61/276; 4 Ob 78/77; 7 Ob 28/73; SZ 6/38; Ballon aaO § 20 JN Rz 10; Fasching1 aaO; ders, Lehrbuch2 aaO; Mayr in Rechberger aaO). Deshalb sprach der Oberste Gerichtshof - jeweils unter Berufung auf die im soeben zitierten Schrifttum gebilligte Entscheidung SZ 6/38 - wiederholt aus, ein Richter sei als Mitglied des Berufungssenats nicht ausgeschlossen, wenn zunächst ein noch von ihm gefälltes Ersturteil aufgehoben, die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde und im neuerlichen Berufungsverfahren nunmehr das von einem anderen Richter erlassene Ersturteil eines weiteren Rechtsgangs zu überprüfen ist (3 Ob 368/97g; 4 Ob 78/77). Allerdings wurde schon in der Entscheidung SZ 6/38 betont, dass der Tatbestand des § 20 Z 5 JN auch dann verwirklicht sein könnte, "wenn ein Richter zwar nicht die unmittelbar angefochtene Entscheidung fällte, sondern an einer Vorentscheidung mitwirkte, die aber gleichzeitig mit der angefochtenen Entscheidung der Beurteilung des Rechtsmittelgerichtes unterliegt oder welche die Grundlage für die angefochtene Entscheidung (Anm: Hervorhebung durch den erkennenden Senat) bildet".
2. Erweiterungen der einzelnen Tatbestände des § 20 JN sind nur als Ergebnis einer teleologischen Auslegung möglich (Ballon aaO § 20 JN Rz 1; Fasching1 I 201; Mayr aaO § 20 JN Rz 1). Demnach ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich des § 20 Z 5 JN danach auf den Anlassfall zu erstrecken ist.
Die Bestimmung des § 20 Z 5 JN bezweckt, dass ein Richter, der die Entscheidung einer unteren Instanz erließ oder an ihr mitwirkte, nicht jenem Senat einer höheren Instanz angehören soll, der diese Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen hat.
Das Berufungsgericht ist nach einem Aufhebungsbeschluss - auch nach einer Änderung der Senatszusammensetzung - an die darin geäußerte, dem Erstgericht gemäß § 499 Abs 2 ZPO überbundene Rechtsansicht selbst gebunden (Kodek in Rechberger aaO § 499 Rz 2 mN aus der Rsp), sodass es die Entscheidung in einem weiteren Rechtsgang, soweit keine Änderung des Sachverhalts eintrat, auf dem Boden der im Aufhebungsbeschluss dargelegten Rechtsansicht zu fällen hat. Wurde ein solcher Aufhebungsbeschluss unter Mitwirkung eines Richters erlassen, der nunmehr jenem Senat des Obersten Gerichtshofs angehört, der über die Revision gegen das vom Berufungsgericht in Bindung an die im Aufhebungsbeschluss geäußerte Rechtsansicht gefällte Urteil zu entscheiden hat, so würde ein Richter an der Erlassung der höchstgerichtlichen Entscheidung teilnehmen, der als seinerzeitiges Mitglied des Berufungssenats gerade an jenem Aufhebungsbeschluss beteiligt war, der dem jetzt angefochtenen, vom Obersten Gerichtshof zu überprüfenden Urteil die maßgebende rechtliche Grundlage verschaffte. Ein solcher Richter wäre also an der Überprüfung eines zweitinstanzlichen Urteils beteiligt, dessen Inhalt durch die rechtlichen Erwägungen in einem vorangegangenen Aufhebungsbeschluss, an dem er selbst mitwirkte, vorherbestimmt war. Das widerspräche dem Zweck des § 20 Z 5 JN.
Nach dem Ergebnis dieser Auslegung, die mit den schon in der Entscheidung SZ 6/38 zum Ausdruck gebrachten Erwägungen übereinstimmt, ist der Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerhard Kuras im Anlassfall als Mitglied des 8. Senats im Verfahren über die Revision der Kläger zur AZ 8 ObS 82/01v ausgeschlossen, weil der erörterte Aufhebungsbeschluss auch als rechtliche Grundlage der angefochtenen Entscheidung diente. Demnach kann das in der Entscheidung 11 Ns 22/87 ohne Erörterung des § 20 Z 5 JN erzielte Ergebnis, ein Sachverhalt, wie er auch in dieser Rechtssache zu beurteilen ist, begründe bloß einen Befangenheitsgrund, nicht mehr aufrecht erhalten werden.
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