OGH 3Ob248/00t

OGH3Ob248/00t23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. Nikolaus B*****, 2. Thomas B*****, und 3. Eva B*****, alle vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, über den "außerordentlichen" Revisionsrekurs des Vaters Dr. Manfred B*****, vertreten durch Mag. Michael Berghofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 31. August 2000, GZ 2 R 264/00h-123, mit dem infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Mai 2000, GZ 13 P 39/96a-111, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Dem gegenüber dem mj Nikolaus erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die für den Zeitraum vom 1. 2. 1996 bis zum 31. 12. 1996 bestätigt werden, werden für die Zeit ab 1. 1. 1997 aufgehoben. Insoweit wird die Pflegschaftssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

2. Im Hinblick auf den gegen die Entscheidung über die Unterhaltsanträge der mj Thomas und Eva erhobenen Revisionsrekurs wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Auf Grund des am 19. 3. 1996 bei Gericht eingelangten Antrags der drei minderjährigen Antragsteller verpflichtete das Erstgericht deren ehelichen Vater mit Beschluss vom 19. 5. 2000, ab 1. 2. 1996 monatlich Unterhaltsbeträge von S 7.500 für Nikolaus und je S 6.440 für Thomas und Eva zu bezahlen. Außerdem sprach es aus, dass die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fällig gewordenen Beträge abzüglich des bereits geleisteten Geld- und Naturalunterhaltes in jeweils für jedes Kind festgestelten Höhe binnen 14 Tagen, die weiters fällig werdenden Unterhaltsbeträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu entrichten seien. Ein Mehrbegehren des mj Nikolaus von monatlich S 550 wies das Erstgericht ab.

Zur Unterhaltsbemessungsgrundlage traf das Erstgericht folgende Feststellungen:

Der Vater übte im Zeitraum 1993 bis 1996 Tätigkeiten zunächst als Geschäftsführer einer GmbH, sodann ab 1. 1. 1995 als Gesellschafter einer Nachfolge-KEG und dazu jeweils als praktischer Arzt aus und erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Unter Berücksichtigung der Defizite aus der Gesellschaft ergibt sich ein durchschnittliches wirtschaftliches Reineinkommen aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 von S 61.200 und für 1996 von S 62.500. Ohne Berücksichtigung der Defizite aus dem Gewerbebetrieb betrug das durchschnittliche wirtschaftliche Reineinkommen in den Jahren 1993 bis 1995 S 69.300 und für das Jahr 1996 S 79.400 (gemeint in allen Fällen: jeweils im Monat). Der private Geldverbrauch, also die Privatentnahmen, betrugen 1993 S 91.900, 1994 S 63.000, 1995 S 57.000 und 1996 S 37.333 je im Monatsdurchschnitt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung für die Jahre 1993 bis 1995 die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigenden Privatentnahmen und für das Jahr 1996 den wirtschaftlichen Reingewinn zu Grunde.

Ausgehend von der Rechtsprechung und Lehre zur Angemessenheitsgrenze zwecks Vermeidung einer Überalimentierung sah das Erstgericht unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Vaters für die frühere Ehefrau die zugesprochenen Beträge für angemessen an. Da bei Anwendung des in der Praxis herausgebildeten Richtsatzes die Angemessenheitsgrenze im Jahr 1996 auch dann erreicht werde, wenn eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von S 62.500 zu Grunde liege, könne dahingestellt bleiben, ob Defizite aus dem Gewerbebetrieb des unterhaltspflichtigen Vaters Berücksichtigung finden könnten.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs, den der Vater gegen den stattgebenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses erhob, nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Das Erstgericht legte den gegen diesen Beschluss gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Zum Revisionsrekurs, soweit er die den Zweitantragsteller und die Drittantragstellerin betreffenden Teile der Rekursentscheidung zum Gegenstand hat:

Nach § 14 Abs 3 AußStrG idF WGN 1997 ist der Revisionsrekurs - außer im Falle des § 14a Abs 3 dieses Gesetzes - jedenfalls unzulässig, wenn - wie hier hinsichtlich des Zweitantragstellers und der Drittantragstellerin - der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt S 260.000 nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.

Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 14a Abs 1 und 2 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, mit dem der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden ist, muss hinreichend erkennen lassen, warum dieser für zulässig erachtet wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind für die Berechnung des Entscheidungsgegenstandes des Rechtsmittelgerichts die Unterhaltsansprüche mehrerer Kinder nicht zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0017257). Maßgebend ist für jedes Kind das Dreifache der Jahresleistung (RIS-Justiz RS0042366). Eine Änderung tritt nicht durch lange Verfahrensdauer ein. Zusätzlich begehrte, bereits fällige Beträge führen daher jedenfalls dann zu keinem höheren Wert, wenn der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälligen Unterhalts nicht höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden Unterhalts (SZ 69/33 ua) und es sind auch bereits fällig gewordene Ansprüche nicht zusätzlich neben dem dreifachen Jahresbetrag zu bewerten (1 Ob 133/99m mwN; 1 Ob 167/00x). Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall, in dem jeweils gleich gebliebene Unterhaltsbeträge zugesprochen wurden, lediglich hinsichtlich des Erstantragstellers der Wert des Entscheidungsgegenstandes den Grenzwert von S 260.000 übersteigt, bei den beiden anderen Antragstellern jedoch nicht. Dass auch die Höhe der bereits vom Vater erbrachten Leistungen im Rekursverfahren strittig war, vermag daran nichts zu ändern, kann es bei diesen Leistungen doch nur um Einschränkungen des offenen Unterhaltsanspruchs gehen.

Demnach war das Rechtsmittel, soweit es diese beiden Kinder betrifft, jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 14a AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch gemäß § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort) vorzulegen (§ 16 Abs 2 Z 2 AußStrG). Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen eines ausdrücklichen Antrags entgegen, das Rekursgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, dann wird es einen - befristeten - Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Ein solcher ist nämlich - auch im Verfahren außer Streitsachen - zu erteilen, wenn einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis im Sinn des § 84 Abs 3 ZPO fehlt, was nach § 474 Abs 2 Satz 2 ZPO auch für das Fehlen des Rechtsmittelantrags gilt (siehe zu all dem EF 91.589 ff).

Zum Revisionsrekurs, soweit er sich gegen die Entscheidung über den Unterhaltsantrag des mj Nikolaus richtet:

In diesem Umfang ist der Revisionsrekurs entgegen dem den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes von der im Folgenden zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht; er ist auch teilweise berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Vaters ist es im vorliegenden Fall nicht erheblich, ob das Rekursgericht zu Recht die Vorlage von neuen Beweismitteln mit dem Rekurs als von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht gedeckt angesehen hat. Selbst wenn nämlich der Ansicht des Rekursgerichtes in diesem Punkt zu folgen wäre, würde dies nichts daran ändern, dass es von einer unvollständigen Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgegangen ist.

Soweit das Rekursgericht ausführt, es sei das unterhaltsrechtlich

relevante Durchschnittseinkommen der letzten drei Wirtschaftsjahre

vor dem Unterhaltsbemessungszeitraum zu Grunde zu legen, stimmt dies

mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 63/153 = EF

61.998 und weitere E zu RIS-Justiz RS0053251; zuletzt 4 Ob 293/00t)

insofern nicht überein, als schon in der zuerst genannten

Entscheidung davon die Rede ist, es käme bei selbstständig

Erwerbstätigen auf das Durchschnittseinkommen der drei letzten, der

Beschlussfassung vorangegangenen Wirtschaftsjahre an. Die

Entscheidung betraf allerdings einen Fall, in dem - soweit vom

Obersten Gerichtshof noch zu beurteilen war - zwischen

Wirksamkeitszeitpunkt der Unterhaltsentscheidung und

Entscheidungszeitpunkt der ersten Instanz weniger als ein Jahr und

nicht wie im vorliegenden Fall mehr als vier Jahre vergingen. In der

Entscheidung 1 Ob 549/95 = EF 77.030 hat der Oberste Gerichtshof

bereits klargestellt, dass nur bei Zuspruch von Unterhalt für die

Zukunft eine derartige Betrachtungsweise die einzig mögliche ist,

weil in einem solchen Fall nur an ein früheres Einkommen angeknüpft

werden kann, wogegen in einem Fall, in dem die Unterhaltspflicht für

vergangene Zeitabschnitte zu prüfen ist, jeder Unterhaltsperiode die

tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners

gegenübergestellt werden kann und (wie zu ergänzen ist) muss. An

dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof in der Folge

festgehalten (3 Ob 395/97b = ÖA 1998, 242; 4 Ob 102/99z = RPflSlg A

8652 = EF 89.022; 1 Ob 179/00f).

Daraus folgt, dass für das Jahr 1996 das in diesem Jahr erzielte Einkommen des Vaters maßgeblich war. Für die darauffolgenden Jahre fehlt es jedoch an Feststellungen über die Einkünfte des Vaters, wobei aus den Entscheidungen und dem Verfahrensakt nicht ersichtlich ist, dass das Erstgericht seiner Ermittlungspflicht nachgekommen wäre und dessenungeachtet mangels Vorliegens von verwertbaren Unterlagen die Einkünfte späterer Jahre nicht festgestellt hätten werden können. Dies lag schon im Hinblick auf die zeitliche Nähe der Überprüfung der Einkünfte aus den Vorjahren auch nicht nahe.

Soweit daher die Vorinstanzen über den Unterhaltsanspruch des mj Nikolaus im Zeitraum ab 1. 1. 1997 entschieden, liegen sekundäre Feststellungsmängel vor. Deren Behebung erfordert die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen für diesen Zeitraum und die Zurückverweisung an das Erstgericht, welches nach Verfahrensergänzung Feststellungen über die Einkünfte des Vaters in den Jahren ab 1997 (soweit ermittelbar) zu treffen haben wird.

Im Hinblick auf die Entscheidung betreffend das Jahr 1996 liegen solche Feststellungsmängel aber nicht vor, weshalb die Entscheidung in diesem Punkt zu bestätigen war, zumal hiezu im Revisionsrekurs nichts vorgebracht wird.

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