Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und es werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterlassung des Ausspruches, dass der Angeklagte die zu Punkt X angeführte Tat versucht hat, und dem gemäß auch im Strafausspruch mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung, ferner der Beschluss nach § 494 a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst zu Recht erkannt:
Walter P***** hat am 12. März 2000 in Linz versucht Ömer S***** eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen, indem er ihm mit einem Springmesser quer über die linke Gesichtshälfte schnitt, wodurch der Genannte eine tiefe, bis in die Muskulatur reichende, 11,5 cm lange Schnittverletzung vom linken Mundwinkel bis etwa zum linken Ohransatz, somit eine noch leichte Verletzung erlitt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge, nämlich eine auffallende Verunstaltung in Form einer ca. acht Zentimeter langen Narbe im Bereich der Mitte der Wange zur Folge hatte.
Walter P***** hat hiedurch das Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB begangen und wird hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Schuldsprüche wegen der Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I), des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB (II), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV/1,2), ferner nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (V) und nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffenG (VI), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VII), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VIII/1) sowie nach § 107 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB (VIII/2), der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1 105 Abs 1 StGB (IX/1,2) nach §§ 28 Abs 1, 87 Abs 2 erster Strafsatz StGB unter Berücksichtigung der Berufung und der Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu
3 1/2 (dreieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe
verurteilt.
Gemäß § 53 Abs 1 StGB (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) wird die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. August 1999 zu AZ 2d E Vr 11.559/98, Hv 7.179/98 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Berufung "wegen Schuld" wird zurückgewiesen.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen, letztere auch mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Walter P***** der Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (I), des Gebrauchs fremder Ausweise nach § 231 Abs 1 StGB (II), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (IV/1,2), ferner nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (V) und nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffenG (VI), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VII), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VIII/1) sowie nach § 107 Abs 1 und Abs 2 dritter Fall StGB (VIII/2), der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (IX/1 und 2) und des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (X) schuldig erkannt.
Darnach hat er
I. in der Zeit vom 1. Jänner bis 11. April 1999 in Linz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte des Aabeitsmarktservices Linz durch die Vorgabe, kein Einkommen zu beziehen, wobei er seine "Schwarzeinkünfte" als Geschäftsführer und Hauswart von Etablissements im Rotlichtmilieu von mindestens 144.000 S verschwieg, sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Auszahlung von Arbeitslosengeld verleitet, die das AMS-Linz in einem 25.000 S übersteigenden Betrag (30.874 S - US 8) an ihrem Vermögen schädigte;
II. am 6. März 1999 in Linz den Führerschein des Friedrich R*****, mithin einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, durch Vorweisung gegenüber Beamten der Bundespolizeidirektion Linz im Zuge einer Fahrzeugkontrolle gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt worden;
III. von Ende 1998 bis zum 6. März 1999 in Linz den Führerschein des Friedrich R***** sowie von März bis 22. September 1999 ebendort zwei "gestohlene" österreichische Reisepässe mit den Nummern Y036819 und Y0500505 lautend auf Sabine B***** und Bettina H*****, mithin Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er sie für sich behielt;
IV. andere vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
1. am 12. September 1998 in Wien Avni L***** durch Versetzen von Schlägen in das Gesicht, wodurch der Genannte zumindest eine Rissquetschwunde an der Lippe erlitt;
2. am 4. Feber 2000 in Linz Johann Franz F***** durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht, wodurch der Genannte eine Rissquetschwunde im Bereich des rechten Auges erlitt;
V. in der Zeit von Jänner 1999 bis 15. März 2000 (wiederholt) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift, nämlich unbekannte Mengen "Speed" (Amphetamin) und Cannabis von unbekannten Personen erworben und besessen;
VI. am 16. September 1999 in Walding wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffenG), nämlich einen sogenannten "Totschläger" unbefugt besessen;
VII. am 4. Feber 2000 in Linz eine fremde Sache, nämlich ein Mobiltelefon der Marke Nokia im Wert von 2.990 S des Johann Franz F***** zerstört, indem er darauf stieg;
VIII. andere - teilweise mit einer auffallenden Verunstaltung (VIII/2) - gefährlich bedroht, um diese in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:
l. am 16. September 1999 in Walding den Gendarmeriebeamten mit der Dienstnummer 30471 im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am Gendarmerieposten durch die Äußerungen: "Ich werde mir dein Gesicht merken und wenn du den Posten verlässt, wird dir abgepasst, das werde nicht ich machen, sondern andere Leute; es ist jeder zu finden, auch sie; außerdem hat in Österreich jeder eine Nummer";
2. Anfang November 2000 in Linz Ömer S***** durch die Äußerung: "Ich schneid dir die andere Seite auch auf";
IX. andere durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, zu nötigen versucht, und zwar:
1. am 4. Feber 2000 in Linz Johann Franz F***** durch die Äußerung:
"Wenn du mich anzeigst, dann bist du fällig";
2. am 12. März 2000 in Linz Ömer S***** durch die Äußerung: "Wenn du mich anzeigst, hast du mich ein Leben lang am Hals";
X. am 12. März 2000 in Linz Ömer S***** dadurch, dass er ihm mit einem Springmesser quer über die linke Gesichtshälfte schnitt, wodurch der Genannte eine tiefe, bis in die Muskulatur reichende, 11,5 cm lange Schnittverletzung vom linken Mundwinkel bis etwa zum linken Ohransatz erlitt, eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge, nämlich eine auffallende Verunstaltung in Form einer ca. 8 cm langen Narbe im Bereich der Mitte der Wange zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil in den Punkten VIII/1 und 2, IX/2 (im Rechtsmittel irrtümlich IX/1) und X mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der im Ergebnis teilweise Berechtigung zukommt.
Zu Punkt VIII/l des Urteils:
Anfechtungsgrundlage des Beschwerdevorbringens ist der Wortlaut der angelasteten drohenden Äußerung, dass nämlich der bedrohte Beamte "abgepasst" werde.
Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider wurde § 260 Abs 1 (richtig:) Z 1 StPO deshalb Genüge getan wurde, weil der Bedeutungsinhalt der im Erkenntnis genannten Worte als Drohung zumindest mit einer Körperverletzung deutlich genug durch den Hinweis auf deren Gefährlichkeit (vgl § 74 Z 5 erster Fall StGB) zum Ausdruck kommt. Da der Angeklagte die Urteilsannahmen, wonach es ihm bei der "aufbrausend" vorgebrachten inkriminierten Äußerung darauf ankam, "den Gendarmeriebeamten mit der Dienstnummer 30471 nachhaltig in Furcht und Unruhe zu versetzen und ihm eine begründete Besorgnis im Hinblick auf seine körperliche Integrität (angedrohte Körperverletzung) einzuflößen" (US 11) zur Gänze außer Acht lässt, mangelt es der Rechtsrüge (Z 9 lit a), es wäre kein konkretes Übel angedroht worden, an der gesetzmäßigen Ausführung. Gleiches gilt für die Bekämpfung der Unterstellung unter § 107 Abs 2 StGB (der Sache nach Z 10), weil das Erstgericht diese Qualifikation im gegebenen Fall (VIII/2) gar nicht angenommen hat.
Die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) wurden nicht
ausgeführt (§ 285a Z 2 StPO).
Zu Punkt VIII/2 des Urteils:
Nominell Bezug nehmend auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ficht der Beschwerdeführer die logisch und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung (US 27 f) unter Betonung seiner leugnenden Verantwortung bloß nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung an.
Mit der (einen Racheakt des verletzten Zeugen Ömer S***** behauptenden) Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt der Beschwerdeführer, der sich zu dem in Rede stehenden Vorfall wechselhaft verantwortete, beim Obersten Gerichtshof keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen.
Zu Punkt IX/2 des Urteils:
Auch in diesem Fall ist der eingangs wiedergegebene Wortlaut der Drohung alleinige Grundlage des Beschwerdevorbringens. Soweit der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO geltend macht, ist er auf die auch hier zutreffenden Ausführungen zu Punkt VIII/l des Urteils zu verweisen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) und die ("hilfsweise" substratlos erhobene) Subsumtionsrüge (Z 10), wonach kein konkretes Übel angedroht worden sei, sind auch hier nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil der Beschwerdeführer bloß den - im Blick auf die unmittelbar vorher zugefügte, mit schweren Dauerfolgen iS des § 85 StGB einhergehende Schnittverletzung (US 14 f) mängelfrei (Z 5) - konstatierten Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung kritisiert.
Die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) wurden nicht
ausgeführt (§ 285a Z 2 StPO).
Zu Punkt X des Urteils:
Die Beschwerde lässt nicht erkennen, in welchen Tatumständen der Angeklagte die Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO erblickt.
Gestützt auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5, und 10 (der Sache nach bloß Z 10) des § 281 Abs 1 StPO strebt der Beschwerdeführer die Beurteilung der Tat als Verbrechen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach den §§ 83 (Abs 1), 85 Z 2 StGB an Stelle des vom Erstgericht angenommenen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB an. Die Rüge ist insoweit im Recht, als sie die mangelnde Vollendung des Grundtatbestandes des § 87 Abs 1 StGB geltend macht. Nach dieser Gesetzesstelle ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer einem anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zufügt. Zieht die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB) nach sich, so ist der Täter nach § 87 Abs 2 StGB mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Im Hinblick auf das Klammerzitat des § 84 Abs 1 StGB in § 87 Abs 1 StGB muss es sich dabei wirklich um eine schwere Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB handeln; andernfalls wäre die Wortlautgrenze des § 87 Abs 1 StGB überschritten (vgl Burgstaller in WK1 § 87 Rz 5). Eine Köperverletzung mit schweren Dauerfolgen im Sinn des § 85 Z 2 StGB, die nicht zugleich den Voraussetzungen des § 84 Abs 1 StGB gerecht wird, genügt daher für die Erfüllung des Grundtatbestandes des § 87 Abs 1 StGB nicht, mag auch die Qualifikation des § 87 Abs 2 erster Fall StGB gegeben sein (aA die vereinzelt gebliebene Entscheidung 11 Os 124/79 = SSt 50/64, nach der eine lang andauernde auffallende Verunstaltung einer schweren Körperverletzung iS des § 84 Abs 1 StGB gleichkomme; siehe auch deren kritische Beurteilung durch Burgstaller aaO, Leukauf/Steininger Komm3 § 87 RN 3 und Kienapfel BT I4 § 87 Rz 3). Diese Ansicht entspricht auch dem Aufbau der Qualifikationen der Körperverletzung nach §§ 83 ff StGB, in welchem die Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen eine unselbständige Qualifikation des Grundtatbestandes des § 83 StGB darstellt (Burgstaller in WK1 § 85 Rz 3, Leukauf/Steininger Komm3 § 85 RN 1), die eine Erfüllung bloß dieser, nicht aber auch eine Qualifikation nach § 84 Abs 1 StGB voraussetzt.
Hinsichtlich der zugefügten Verletzung hat das Erstgericht festgestellt, dass der Angeklagte dem Ömer S***** einen durchgezogenen, mit einem weitgehend permanenten Druck und Zug ausgeführten Schnitt quer über die linke Gesichtshälfte verpasste, wodurch Ömer S***** etwa 2,5 cm vom linken Ohransatz entfernt eine insgesamt 11,5 cm haltende, geschwungene Narbe erlitt, die vorerst parallel zum Kieferwinkel verläuft, dann an der Nasolabialfalte in einem durchgehenden Bogen leicht aufsteigt, etwa 1 cm neben und etwa 0,5 cm über dem linken Mundwinkel nochmals einen seichten Bogen in das Lippenrot der linken Oberlippe nimmt und dieser innenseitig verläuft. Wäre der mit erheblicher Körperkraft bzw Wucht durchgezogene Schnitt nur einige Millimeter tiefer durchgeführt worden, hätte dies zu einer Eröffnung der Ohrspeicheldrüse, die teilweise reseciert hätte werden müssen, geführt. In diesem Bereich (wo die Wunde vertieft war) hätte leicht der nervus facialis getroffen werden können, was zu einer partiellen Gesichtslähmung geführt hätte. Eine solche an sich schwere Körperverletzung wäre hier naheliegend gewesen (US 14 f).
Die dem Tatopfer tatsächlich zugefügte körperliche Beschädigung stellte daher noch keine an sich schwere Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB dar, sodass der Grundtatbestand des § 87 Abs 1 StGB nicht erfüllt ist.
Nach den mängelfrei und ohne dagegen obwaltende erhebliche Bedenken (Z 5a) getroffenen Feststellungen kam es dem Angeklagten allerdings darauf an, den Ömer S***** gerade im sensiblen Gesichtsbereich schwer zu verletzen (US 15, 25).
Da der Angeklagte somit in der Absicht, dem Ömer S***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen, eine Ausführungshandlung setzte, hat er zunächst den Grundtatbestand des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung in der Erscheinungsform des Versuches (§ 15 StGB) zu verantworten. Die Frage, ob die Qualifikation des § 87 Abs 2 erster Fall StGB - deren Vorliegen vom Beschwerdeführer an sich nicht in Zweifel gezogen wird - auch bei versuchtem Grunddelikt zugerechnet werden kann, wird von der Lehre nicht einheitlich beantwortet. Während Burgstaller in WK1 § 87 Rz 15 und Leukauf/Steininger Komm3 § 87 RN 6 eine solche Möglichkeit ablehnen, wird sie von Kienapfel (BT I4 § 87 Rz 24) bejaht. Schmoller (JBl 1984, 654) hält den "erfolgsqualifizierten Versuch" als "Versuch des erfolgsqualifizierten Deliktes" generell für strafbar und bringt als Beispiel den schwereren Verletzungserfolg bei versuchter Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 3 StGB. Nach Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 30 ist der Versuch der Raubqualifikationen nach § 143 zweiter und dritter Satz StGB durchaus möglich; er liege insbesondere dann vor, wenn es bereits zur folgenschweren Gewaltanwendung gekommen ist, aber die Wegnahme bzw das Abnötigen der Beute scheitern.
Die herrschende deutsche Strafrechtslehre (Jescheck/Weigend Lehrbuch5 524 f mit FN 63) bejaht generell die (erhöhte) Strafbarkeit des erfolgsqualifizierten Versuchs dann, wenn der Erfolg mit der Handlung verknüpft ist, lehnt sie aber ab, wenn der qualifizierende Erfolg auf dem Grunddelikt aufbaut.
Wendet man diese Kriterien im gegebenen Fall an, so ist dem Angeklagten die Qualifikation der Zufügung einer schweren Dauerfolge im Sinne einer auffallenden Verunstaltung (§ 87 Abs 2 erster Fall StGB iVm § 85 Z 2 StGB) zuzurechnen, weil dieser Erfolg mit der Tathandlung verknüpft war, aber nicht auf dem Grunddelikt des § 87 Abs 1 StGB aufbaut. Die Qualifikation nach § 87 Abs 2 erster Fall StGB ist demnach auch dann zuzurechnen, wenn der Täter die Herbeiführung des Grundtatbestandes des § 87 Abs 1 StGB bloß versucht hat, weil die von ihm tatsächlich herbeigeführte Verletzung - trotz seiner darauf gerichteten Absicht - den Schweregrad des § 84 Abs 1 StGB nicht erreicht. Der Klammerhinweis des § 87 Abs 2 erster Fall spricht nur die gravierenden Langzeitfolgen, nicht aber den Anknüpfungspunkt des § 85 StGB ("die Tat" iS des § 83 StGB) an. Der Versuch einer schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83, 84 Abs 1 StGB bliebe hingegen im Sinne der bisherigen Judikatur (Foregger/Fabrizy StGB7 § 84 Rz 23 mwN; siehe auch Burgstaller in WK1 § 84 Rz 37 ff und - differenzierend - Leukauf/Steininger Komm3 § 84 RN 37 f) weiterhin rechtlich ausgeschlossen, weil dort der qualifizierende Erfolg auf dem Grunddelikt aufbaut.
Der Beschwerdeführer hat daher das Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zu verantworten.
In teilweiser Stattgebung der Beschwerde war die im Spruch ersichtliche Korrektur des Schuldspruchpunktes X vorzunehmen, wogegen sie im Übrigen zu verwerfen war.
Die vom Angeklagten (bloß) angemeldete, gegen kollegialgerichtliche Urteil jedoch unzulässige Berufung wegen "Schuld" war zurückzuweisen. Bei der - durch die Abänderung des Schuldspruchpunktes X notwendig gewordenen - Strafneubemessung waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren, teils wiederholten Vergehen, die zahlreichen einschlägigen Vorstraftaten und der rasche Rückfall erschwerend; mildernd war hingegen, dass die absichtliche schwere Körperverletzung und die Nötigungen beim Versuch blieben. Dem weder reumütigen, noch der Wahrheitsfindung wesentlich dienenden Geständnis kommt nicht die Bedeutung eines Milderungsgrundes zu. Die Wirkungslosigkeit früher gewährter bedingter Strafnachsichten, die Vielzahl der Rechtsbrüche und der rasche Rückfall zeigen die Notwendigkeit des Widerrufs der im Spruch bezeichneten bedingten Strafnachsicht zusätzlich zu der neuerlichen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen wegen Strafe, letztere auch mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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