OGH 2Ob91/01y

OGH2Ob91/01y26.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Mj.

1. Florian H*****, ***** 2. Julia H*****, ***** und 3. Antonia H*****, ***** alle vertreten durch die Mutter Doris H*****, Lehrerin, ***** diese vertreten durch Dr. Gert Kleinschuster, Rechtsanwalt in Graz, über die Revisionsrekurse der minderjährigen Kinder und des Vaters Dr. Gerhard H*****, Rechtsanwalt, ***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Juli 2000, GZ 2 R 245/00i-40, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Mai 2000, GZ 16 P 2760/95v-36, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs der minderjährigen Kinder (ON 52) wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs des Vaters (ON 43) wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete den Vater der Minderjährigen zur Zahlung bestimmter gestaffelter Unterhaltsrückstände sowie zur Zahlung eines laufenden monatlichen Unterhaltes von S 6.700 für den mj. Florian und S 6.300 für die mj. Julia und von S 5.900 für die mj. Antonia (ON 36). Es legte seiner Entscheidung den wirtschaftlichen Reingewinn des Vaters (eines Rechtsanwaltes) zugrunde, in den Jahren mit höheren Privatentnahmen hingegen diese. Dieser Beschluss erwuchs teilweise in Rechtskraft.

Das Rekursgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung bestimmter gestaffelter Rückstände sowie eines laufenden monatlichen Unterhaltes von insgesamt S 7.100, S 6.100 und S 6.100; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei (ON 40). Das Rekursgericht führte unter anderem Folgendes aus:

Wenn der Vater in seinem Rekurs meine, das Erstgericht habe sich insofern geirrt, als es in einem Zeitraum von vier Jahren einmal vom Reineinkommen und einmal von den Privatentnahmen für die Unterhaltsbemessung ausgehe, was zu einem verzerrten Ergebnis führe, so sei er in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach Unterhaltsbemessungsgrundlage für selbständig Erwerbstätige der tatsächlich verbleibende Reingewinn sei, allerdings die Privatentnahmen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen seien, wenn sie den Reingewinn überstiegen oder die Bilanz einen Verlust aufweise (EFSlg 86.205).

Zum weiteren Einwand des Vaters, wonach in jenen Jahren, in denen die Privatentnahmen insgesamt höher gewesen seien als der wirtschaftliche Gewinn, von den getätigten Privatentnahmen die durch Verluste aus Vermietung und Verpachtung entstandenen Steuergutschriften abzuziehen gewesen wären, sei nochmals auf die Entscheidung EFSlg 86.205 zu verweisen. Wenn trotz Berücksichtigung der Steuergutschrift bei der Berechnung des wirtschaftlichen Reingewinns die Privatentnahmen diesen überstiegen, seien sie als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen, weil auf dieser Grundlage die Unterhaltsberechtigten angemessen am Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen teil hätten (EFSlg 82.477). Der vom Rekurswerber zitierten Entscheidung 4 Ob 210/98f lasse sich nicht entnehmen, dass ein positiver Saldo zwischen Zinsen und Kreditrückzahlung bzw Mieteinnahmen von den Privatentnahmen in Abzug zu bringen wären. In jenen Jahren, in denen der wirtschaftliche Reingewinn als Unterhaltsbemessungsgrundlage diene, seien aber entsprechend der genannten oberstgerichtlichen Entscheidung die Steuergutschriften ohnedies berücksichtigt worden.

Nach Zustellung dieser Rekursentscheidung brachten die Minderjährigen einen Abänderungsantrag gemäß § 14a Abs 1 AußStrG verbunden mit einem ordentlichen Revisionsrekurs ein (ON 42), der vom Rekursgericht gemäß § 14a Abs 4 AußStrG zurückgewiesen wurde (ON 45).

Der Vater erhob einen "außerordentlichen" Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof (ON 43); das Erstgericht legte dieses Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof vor (ON 47). Mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 9. November 2000, 2 Ob 294/00z (ON 48), wurden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt, welche sie daraufhin dem Rekursgericht vorlegte (ON 49). Dieses änderte sodann mit Beschluss vom 27. 12. 2000 (ON 50) seinen Unzulässigkeitsausspruch auf Antrag des Vaters gemäß § 14a Abs 3 AußStrG dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Rekursentscheidung möglicherweise mit 6 Ob 46/97a im Widerspruch stehe.

Daraufhin erhoben die minderjährigen Kinder neuerlich Revisionsrekurs (ON 52).

Dieses Rechtsmittel ist unzulässig, weil die mj. Kinder ihr Rechtsmittelrecht bereits durch Erhebung des vom Rekursgericht zurückgewiesenen Revisionsrekurses ON 42 verbraucht haben. Durch den auf Antrag des Vaters erfolgten Ausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 14a Abs 3 AußStrG wurde ihnen kein weiterer Revisionsrekurs eröffnet. Vielmehr gilt auch hier der Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (vgl Kodek in Rechberger2 vor § 461 ZPO Rz 12).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters, der die Festsetzung niedrigerer Unterhaltsbeträge anstrebt, ist hingegen zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht zusammengefasst geltend, die Steuergutschriften, die sich aus den für die Unterhaltsberechnung nicht herangezogenen Verlusten aus Vermietung und Verpachtung ergeben hätten, müssten sich nicht nur auf die Höhe des wirtschaftlichen Reineinkommens durch Ermittlung der "fiktiven" Einkommenssteuer (6 Ob 46/97a), sondern auch auf die Privatentnahmen auswirken. Weiters sei bei der Frage, ob das wirtschaftliche Reinkommen oder die Privatentnahmen heranzuziehen seien, von einem dreijährigen Zeitraum auszugehen.

Dem ist im Wesentlichen zuzustimmen:

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei selbständigen Unternehmern als Unterhaltsbemessungs- grundlage die durchschnittlichen Einkünfte der letzten drei Jahre heranzuziehen, um Einkommensschwankungen auszuschalten; dies gilt bei Gewinnermittlung sowohl nach § 4 Abs 1 als auch nach § 4 Abs 3 EStG (RIS-Justiz RS0053251). Tätigt der Unterhaltspflichtige höhere Privatentnahmen, als dem Reingewinn entspricht, so bilden diese die Unterhaltsbemessungsgrundlage, weil der Unterhaltspflichtige die Unterhaltsberechtigten an dem dadurch aufrecht erhaltenen Lebensstandard teilhaben lassen muss (RIS-Justiz RS0047382). Auch wenn die Privatentnahmen die Unterhaltsbemessungsgrundlage bilden, ist es erforderlich, die Ergebnisse der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre zu ermitteln; wenn das Durchschnittsnettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen in den jeweils maßgebenden letzten drei Jahren niedriger war als die in diesem Zeitraum tatsächlich getätigten Privatentnahmen (vermindert um die auf den Unternehmensgewinn entfallende Einkommenssteuer) sind die Nettoprivatentnahmen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen (5 Ob 501/93; 5 Ob 38/99w = EFSlg 88.846). Diese zuletzt zitierte Rechtsprechung haben die Vorinstanzen mit ihrer Bedachtnahme auf das Ergebnis in einzelnen Jahren nicht berücksichtigt.

Unstrittig wurden die Verluste des Vaters aus der Beteiligung an Bauherrenmodellen bei der Unterhaltsbemessung ausgeklammert. Entsprechend der unterhaltsrechtlichen Neutralität dieser "Nebentätigkeit" (vgl 4 Ob 210/98f = JBl 1999, 182; 6 Ob 46/97a = EFSlg 84.631) hat das Rekursgericht in den Jahren, in denen der wirtschaftliche Reingewinn als Unterhaltsbemessungsgrundlage diente, die Steuervorteile des Vaters aus seinen Verlustbeteiligungen nicht zu seinen Lasten berücksichtigt. Dies muss aber auch im Fall der Heranziehung der Privatentnahmen gelten, weil es mit der unterhaltsrechtlichen Neutralität dieser Beteiligungen nicht zu vereinbaren wäre, die daraus resultierenden Steuervorteile unter dem Titel der Privatentnahmen doch in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Diese Erwägung will der Rechtsmittelwerber mit seinem Argument deutlich machen, es müsse, wenn man sich in einem fiktiven Idealfall bei den Entnahmen genau nach dem wirtschaftlichen Erfolg richte, genau jener Betrag an überschüssigem Geld verbleiben, der der durch die steuerlichen Verluste aus der "Nebentätigkeit" ausgelösten Steuerminderbelastung entspreche. Diese Steuervorteile können den Unterhaltsberechtigten ebensowenig zugute kommen, wie sie andererseits auch die (höheren) Verluste aus den Beteiligungsmodellen nicht belasten.

Für eine Unterhaltsbemessung im Sinne der obigen Ausführungen fehlt es an ausreichenden Feststellungen, weshalb die Pflegschaftssache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen war.

Stichworte