OGH 10ObS93/01a

OGH10ObS93/01a24.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Dr. Carl Hennrich (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede W*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Peter Schobel, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. September 1992, GZ 31 Rs 119/92-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. März 1992, GZ 5 Cgs 301/91-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Das mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 12. Jänner 1993, 10 ObS 316/92 unterbrochene, im Revisionsstadium befindliche Verfahren wird nach rechtskräftiger Entscheidung über die Vorfrage von Amts wegen aufgenommen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Nachdem die beklagte Partei mit Bescheid vom 19. 8. 1991 die Erwerbsunfähigkeit der am 7. 4. 1950 geborenen Klägerin festgestellt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 4. 10. 1991 deren Antrag vom 19. 9. 1991 auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension mangels Erfüllung der Wartezeit ab. Innerhalb der letzten 120 Kalendermonate vor dem Stichtag (1. 10. 1991), die durch keine neutralen Monate verlängert würden, lägen keine Versicherungsmonate vor. Die Antragstellerin habe keinen einzigen Beitragsmonat erworben.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren mit der Begründung ab, dass die Klägerin die Wartezeit nicht erfüllt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Dagegen richtet sich die unbeantwortete Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Aus Anlass der Revision hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 12. 1. 1993, 10 ObS 316/92, das Verfahren gemäß § 74 Abs 1 Satz 1 ASGG unterbrochen, bis über die Vorfrage der Versicherungspflicht der Klägerin in der Pensionsversicherung nach dem BSVG während der Zeit, in der sie den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in R***** 25, S*****, mit ihrem Ehegatten Leopold W***** auf gemeinsame Gefahr und Rechnung führte, als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahren rechtskräftig entschieden worden ist. Gleichzeitig wurde die Einleitung dieses Verfahrens beim beklagten Versicherungsträger nach § 74 Abs 1 Satz 2 ASGG angeregt und der beklagte Versicherungsträger ersucht, den Obersten Gerichtshof von der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens in Verwaltungssachen einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofverfahrens zu benachrichtigen.

Mit Bescheid vom 11. 5. 1993 sprach die beklagte Partei unter anderem aus, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. 1. 1980 bis 31. 5. 1981 gemäß § 2a Abs 1 BSVG und vom 1. 6. 1981 bis 31. 12. 1991 gemäß Art II Abs 1 der 4. Novelle zum BSVG von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen gewesen sei. Dem dagegen erhobenen Einspruch der Klägerin hat der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 4. Oktober 1993, Zl. VI/6-909/4-1993, keine Folge gegeben. Mit dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 1. 4. 1994, Zl. 124.980/3-7/93, wurde auch der Berufung der Klägerin keine Folge gegeben und der Bescheid des Landeshauptmannes bestätigt.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 6. 3. 1995, B 1079/94, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat, hat dieser mit Erkenntnis vom 21. 2. 2001, Zl 95/08/0143-12, die gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales erhobene Beschwerde der Klägerin betreffend Pflichtversicherung in der "Pensionsversicherung der Bauern" als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde im Wesentlichen damit begründet, dass weder die Klägerin noch ihr Ehegatte, die den Betrieb stets auf gemeinsame Rechnung und Gefahr geführt haben, vom Wahlrecht iSd § 2a Abs 2 BSVG idF der 4. Novelle, BGBl 1981/284, Gebrauch machen konnten, da das Gesetz eine Pflichtversicherung beider betriebsführender Ehegatten in allen denkbaren Konstellationen ausgeschlossen hat. Die Bestimmung des § 2a Abs 1 BSVG idF der 16. Novelle, BGBl 1991/678, die ab 1. 1. 1992 eine Pflichtversicherung beider den Betrieb auf gemeinsame Rechnung und Gefahr führenden Ehegatten in der Pensionsversicherung vorsieht, ist wegen der im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich gegebenen zeitraumbezogenen Betrachtungsweise nicht anzuwenden.

Rechtliche Beurteilung

Im Sinne des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 12. 1. 1993 war das unterbrochene Revisionsverfahren wieder aufzunehmen (SSV-NF 5/73, 5/105; Kuderna, ASGG2, § 74 Erl 4).

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

In der Revision wird zusammengefasst der Standpunkt vertreten, im Hinblick auf den Umstand, dass der Bescheid der beklagten Partei vom 4. 10. 1991 durch die Klage zur Gänze außer Kraft getreten sei, wäre vom Gericht der Sachverhalt, insbesondere die Versicherungszugehörigkeit der Klägerin neuerlich zu prüfen gewesen. Das Berufungsgericht hätte auch - wegen Verfassungswidrigkeit des § 2a BSVG - den in der Berufung angeregten Antrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß § 140 B-VG stellen müssen; ein solcher Antrag wird in der Revision neuerlich angeregt.

Ist in einer Rechtsstreitigkeit über den Bestand eines Anspruchs auf Versicherungsleistungen (§ 65 Abs 1 Z 1 ASGG) die Versicherungspflicht als Vorfrage strittig, ist das sozialgerichtliche Verfahren zwingend bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über diese Vorfrage im Verfahren in Verwaltungssachen zu unterbrechen (§ 74 Abs 1 ASGG). An die im Verwaltungsverfahren ergehende Entscheidung ist das Gericht gebunden (SSV-NF 3/31, 3/92 ua). Auf Grund dieser Bindungswirkung hat keine inhaltliche Nachprüfung des Verwaltungsbescheides durch das Gericht stattzufinden.

Im vorliegenden Fall wurde im Verwaltungsverfahren rechtskräftig ausgesprochen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. 1. 1980 bis 31. 5. 1981 gemäß § 2a Abs 1 BSVG und vom 1. 6. 1981 bis 31. 12. 1991 gemäß Art II Abs 1 der 4. BSVG-Novelle von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung ausgenommen war.

Auf dieser Grundlage ist den Vorinstanzen beizupflichten, dass die Klägerin die Wartezeit (§ 111 BSVG) zum Stichtag 1. 10. 1991 nicht erfüllt hat. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass gegen die sekundäre Leistungsvoraussetzung der Wartezeit keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (RIS-Justiz RS0056550, RS0084845).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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