OGH 13Os30/01 (13Os31/01, 13Os32/01)

OGH13Os30/01 (13Os31/01, 13Os32/01)28.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Mann als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erhard H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 und Z 4, 129 Z 1 bis 3, 130 vierter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wider den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Juli 2000, GZ 4 Vr 970/00-33 und den Vorgang, dass das Landesgericht für Strafsachen Graz es unterlassen hat, der im § 494a Abs 7 StPO normierten Verpflichtung nachzukommen, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Seidl, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. der Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. Juli 2000, GZ 4 Vr 970/00-33, in Ansehung der Verlängerungen

a) der in den Verfahren AZ 4 Vr 1834/99 und AZ 8 E Vr 1854/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz bestimmten Probezeiten in der Bestimmung des § 55 StGB;

b) der im Verfahren AZ 10 U 10/99h des Bezirksgerichtes Hartberg gewährten Probezeit in der Bestimmung des § 53 Abs 2 StGB;

2. der Vorgang, dass es im Verfahren AZ 4 Vr 970/00 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz unterlassen wurde, die vom Beschluss auf Probezeitverlängerung betroffenen Gerichte unverzüglich zu verständigen, in der Bestimmung des § 494a Abs 7 StPO.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO wird der zu 1. bezeichnete Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 11. Mai 1999, GZ 10 U 10/99h-8, wurden Erhard H***** und Christian P***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe (H*****) bzw zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (P*****) verurteilt.

Im Verfahren AZ 9 U 150/99i des Bezirksgerichtes Hartberg wurde über Erhard H***** mit Urteil vom 6. September 1999 unter Bedacht auf das vorstehend angeführte Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 11. Mai 1999 nach § 31 StGB eine zusätzliche Geldstrafe verhängt.

Christian P***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9. Dezember 1999, GZ 4 E Vr 3340/99-16, wegen der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich wurde vom Widerruf der im Verfahren AZ 10 U 10/99h des Bezirksgerichtes Hartberg gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO).

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2000, GZ 4 Vr 1834/99-44, wurde Christian P***** des Verbrechens nach dem § 28 Abs 2 und 3 SMG sowie der "Vergehen nach § 27 Abs 1 erster bis dritter und sechster Fall SMG" und der Entwendung nach § 141 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wovon ein Teil von fünf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Alexander Gerhart B***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. September 1999, GZ 8 E Vr 1854/99-7, wegen "des Vergehens nach dem § 27 Abs 1 und 2 Z 1 und 2 SMG" schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 19. Juli 2000, GZ 4 Vr 970/00-33, wurden schließlich Erhard H*****, Christian P***** und Alexander B***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren, gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 (H***** zudem Z 2), 129 Z 1, 2 und 3, 130 vierter Fall und 15 StGB, Erhard H***** und Christian P***** darüber hinaus des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 31 StGB zu folgenden Freiheitsstrafen verurteilt:

Erhard H***** unter Bedacht auf das Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 11. Mai 1999, AZ 10 U 10/99h, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wobei ein Teil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde;

Christian P***** unter Bedacht auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 31. Mai 2000, AZ 4 Vr 1834/99, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von sechs Monaten;

Alexander B***** unter Bedacht auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 22. September 1999, AZ 8 E Vr 1854/99, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 12 Monaten, die nach § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Aus Anlass dieser Verurteilungen sah das Landesgericht für Strafsachen Graz vom Widerruf der in den nachangeführten Verfahren jeweils gewährten bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeiten auf jeweils fünf Jahre ab (§ 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO), und zwar

a) zu AZ 9 U 150/99i des Bezirksgerichtes Hartberg betreffend Erhard H*****;

b) zu AZ 10 U 10/99h des Bezirksgerichtes Hartberg sowie AZ 4 Vr 1834/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz betreffend Christian P*****;

c) zu AZ 8 E Vr 1854/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz betreffend Alexander B*****.

Gegen das Urteil vom 19. Juli 2000 erhob Erhard H***** das Rechtsmittel der Berufung, welcher das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 2. November 2000, AZ 9 Bs 328/00 (ON 47), dahin Folge gab, dass von der über diesen Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe von 24 Monaten nach § 43a Abs 3 StGB ein Teil von 18 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde; dies mit der Maßgabe, dass die Strafe als Zusatzstrafe auch zum Urteil des Bezirksgerichtes Hartberg vom 6. September 1999, GZ 9 U 150/99i-7, zu gelten hat. Aus Anlass der Berufung wurde auch der Erhard H***** betreffende Beschluss auf Verlängerung der Probezeit mit der Begründung ersatzlos aufgehoben, dass im Verfahren AZ 9 U 150/99i des Bezirksgerichtes Hartberg eine unbedingte Geldstrafe verhängt worden war.

Eine unverzügliche Verständigung jener Gerichte, deren Urteile von den Entscheidungen gemäß § 494a StPO betroffen waren, ist unterblieben. Erst am 28. September 2000 (ON 43; betreffend Christian P*****) bzw am 21. November 2000 (ON 49; betreffend Alexander B*****) wurden entsprechende Verfügungen durch die Vorsitzende getroffen.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator zutreffend aufzeigt, stehen die Beschlüsse auf Verlängerung der Probezeit in den Verfahren AZ 10 U 10/99h des Bezirksgerichtes Hartberg sowie 4 Vr 1834/99 und 8 E Vr 1854/99 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Wird nämlich im Fall einer nachträglichen Verurteilung gemäß § 31 StGB die im Vor-Urteil gewährte bedingte Nachsicht - wie hier mit Bezug auf die Verfahren AZ 4 Vr 1834/99 (hinsichtlich P*****) und AZ 8 E Vr 1854/99 (hinsichtlich B*****) des Landesgerichtes für Strafsachen Graz - nicht widerrufen, sieht § 55 StGB eine Probezeitverlängerung durch gerichtlichen Beschluss nicht vor. Vielmehr dauert von Gesetzes wegen jede der zusammentreffenden Probezeiten bis zum Ablauf der Probezeit, die zuletzt endet, jedoch nicht länger als fünf Jahre (§ 55 Abs 3 StGB; vgl 13 Os 35/98).

Zwar kann das Gericht demgegenüber bei Tatbegehung während der Probezeit, wenn es vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht absieht, die Probezeit bis auf fünf Jahre verlängern, aber nur dann, wenn diese kürzer bestimmt war (§ 53 Abs 2 StGB), was zu AZ 10 U 10/99h des Bezirksgerichtes Hartberg (hinsichtlich P*****) zufolge der Verlängerung der Probezeit am 19. Dezember 1999 durch das Landesgericht für Strafsachen Graz im Verfahren 4 E Vr 3340/99 nicht (mehr) zutraf. Außerdem verstößt die nachfolgende Entscheidung des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 19. Juli 2000 gegen das aus dem XX. Hauptstück der StPO hervorgehende Verbot, nicht in derselben Sache erneut zu entscheiden. Dies wiederum beruht auf der vom Generalprokurator gleichfalls gerügten Verletzung der zur Einhaltung dieses Grundsatzes normierten Pflicht zu unverzüglicher Verständigung nach § 494a Abs 7 StPO (vgl Jerabek in WK2 § 53 Rz 9, 28).

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