OGH 14Os71/00

OGH14Os71/0027.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gottweis als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Engelbert A***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Haftungsbeteiligten R***** regGenmbH sowie über die Berufung des Finanzamtes für den 3. und 11. Bezirk, Schwechat und Gerasdorf gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 20. Oktober 1999, GZ 17 Vr 1.261/99-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten, seiner Verteidigerin Dr. Hoffelner, des Vertreters der Haftungsbeteiligten, Dr. Deitzer, und des Vertreters des Finanzamtes, Mag. Hölzl, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen des Angeklagten und der Haftungsbeteiligten wird dahin Folge gegeben, dass die Ersatzfreiheitsstrafe auf 4 (vier) Monate herabgesetzt wird.

Der Berufung der Haftungsbeteiligten wird auch insofern Folge gegeben, als der Haftungsausspruch "zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten" aufgehoben und die Haftung der R***** regGenmbH für die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe gemäß § 28 Abs 2 FinStrG angeordnet wird.

Im Übrigen wird den Berufungen der Genannten sowie jener des Finanzamtes nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Engelbert A***** der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (A/I, B/I/a, B/II/a) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (A/II, B/I/b und B/II/b), teils (nämlich zu A/I und A/II) als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Sch***** als Geschäftsführer der R***** regGenmbH und verantwortlicher Entscheidungsträger

A) durch Anweisung zur und Billigung der Ausstellung von Rechnungen über angebliche Zement- bzw andere Baustofflieferungen an die Sch***** Bau GmbH (S*****) und an Arbeitsgemeinschaften, an welchen die S***** beteiligt war und deren kaufmännische Geschäftsführung ihr oblag, obwohl in Wahrheit Gegenstände an Privatpersonen geliefert worden waren, die nicht betrieblichen Erfordernissen der S***** oder dieser Arbeitsgemeinschaften dienten, vorsätzlich dazu beigetragen, dass Franz G***** als Geschäftsführer der S***** durch Geltendmachung fingierter Betriebsausgaben unter Verletzung von abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten eine Abgabenverkürzung bewirkte, und zwar:

I. (zusammengefasst) für die Jahre 1991 bis 1996 an Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Kapitalertragsteuer 3,191.832 S;

II. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von "dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972" entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar für 1997 92.925 S (UVA 1 bis 12);

B/I. durch Anweisungen zur und Billigung der Ausstellung von Rechnungen über vorgebliche Zement- und andere Baustofflieferungen der R***** regGenmbH und deren Filiale, des Baucenters Sch*****, an Bauunternehmen, obwohl in Wahrheit andere Waren an natürliche Personen für deren Privatgebrauch, die nicht betrieblichen Erfordernissen der jeweiligen Bauunternehmen dienten, geliefert worden waren, und (indem er) diese (Rechnungen), welche "gemäß § 11 Abs 14 UStG 1994" nicht berichtigungsfähig waren, nachträglich stornieren und entsprechend den tatsächlichen Lieferungen Rechnungen ausstellen und in die Buchhaltung der R***** regGenmbH aufnehmen ließ, vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht

a) eine Verkürzung an Umsatzsteuer (ersichtlich gemeint) für die Jahre 1993 bis 1996 von insgesamt 2,343.919,30 S bewirkt;

b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von "dem § 21 Umsatzsteuergesetzes 1972" entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlung oder Gutschrift) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar für 1997 461.503,13 S;

B/II dadurch, dass er Mitarbeiter anwies, im Fall der Abschreibung ausgefallener Forderungen die Vorsteuerberichtigung in Höhe des Betrages der Forderung und nicht bloß in Höhe der im Rechnungsbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (= Vorsteuer) vorzunehmen,

a) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung vorsätzlich bewirkt und zwar (an Umsatzsteuer für die Jahre) 1994 und 1995 von insgesamt 1,559.049 S;

b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von "dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972" entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer(vorauszahlungen) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar (für die Jahre) 1996 und 1997 von 1,603.414 S.

Den "Gesamtverkürzungsbetrag" bezifferte das Erstgericht zu A mit 3,284.757 S, zu B/I mit 2,805.422,30 S und zu B/II mit 3,162.511 S. Gerundet (§ 204 Abs 1 und Abs 2 BAO) und ohne den ersichtlich geschehenen Schreib- oder Rechenfehler zu B/II (richtig: 3,162.463 S) ergibt sich aus den angelasteten Verkürzungsbeträgen ein strafbestimmender Wertbetrag von 9,252.642 S.

Der Angeklagte wurde gemäß § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von 3 Mio S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu acht Monaten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Unter Zitierung des § 28 Abs 3 und Abs 5 FinStrG sprach das Erstgericht die Haftung der R***** regGenmbH (früher: R***** regGenmbH) zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten für die verhängte Geldstrafe aus.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Anführung von Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes 1972 statt jener des Umsatzsteuergesetzes 1994 (A/II, B/I/b, B/II/b) und umgekehrt (B/I/a in Bezug auf die Jahre 1993 und 1994), ohne Konsequenz für die Verurteilung war, weil die im vorliegenden Fall maßgeblichen Regelungsinhalte der zitierten Abgabenvorschriften mit jenen der anzuwendenden übereinstimmen.

Das Urteil wird mit gesonderten Nichtigkeitsbeschwerden vom Angeklagten aus Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 11 und von der Haftungsbeteiligten nominell aus Z 5a, 9 lit b und 11, der Sache nach auch aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Den Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Der Einwand (Z 5), das Erstgericht habe Feststellungen auf in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Unterlagen gestützt, geht fehl. Jenes Vorbringen, das auf die in der Urteilsausfertigung bei Darlegung des Zusammenwirkens verschiedener Dienststellen der Finanzverwaltung erwähnte "Dienstanweisung für die Betriebsprüfung" bezogen ist (Beilage ./XI zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 32; US 21), betrifft keine entscheidenden Tatsachen (§ 270 Abs 2 Z 4 und 5 StPO). Soweit der Beschwerdeführer auf im Urteil verwertete "Ergebnisse der bei der S***** bzw deren ARGEN" durchgeführten Betriebsprüfung abstellt, verkennt er, dass die bezeichneten Betriebsprüfungsergebnisse durch Verlesung dazu vorliegender Unterlagen (Beilage ./II zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 32; Ordner A 1 bis 14; S 205 f, 257, 264, 266/I) und Zeugenvernehmung des Betriebsprüfers Wolfgang J***** in der Hauptverhandlung vorgekommen sind und das Erstgericht sich darauf gestützt hat (US 12 f, 22 und die dort angeführten Belegstellen). Auf "ARGE-Verträge" hat das Gericht der Beschwerde zuwider Feststellungen über solche Verträge (US 11, 58) nicht gegründet. Die dagegen vorgebrachte Kritik geht daher ins Leere.

Die Behauptung der "Aktenwidrigkeit" von Feststellungen beruht auf einer Fehlauffassung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes. Aktenwidrig ist eine Urteilsbegründung nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 281 Abs 1 Z 5 letzter Fall StPO) nur, wenn sie den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Foregger/Fabrizy StPO8 § 281 Rz 47). Ein solcher Begründungsmangel wird aber der Sache nach gar nicht geltend gemacht.

Durch logisch und empirisch einwandfreie Würdigung der aufgenommenen Beweise fundiert sind die Urteilsannahmen, wonach die inkriminierten Lieferungen tatsächlich an Privatpersonen erfolgt sind, während zum Zweck der Abgabenhinterziehung Gefälligkeitsrechnungen an Firmen adressiert wurden. Von bloßen Vermutungen zu Lasten des Angeklagten kann entgegen seinem an den hiefür maßgeblichen Urteilserwägungen vorbei gehenden Vorbringen keine Rede sein. Dazu genügt es, auf die aktengetreue und schlüssige Argumentation des Schöffengerichtes zu verweisen (US 31 ff, insb 44 unten f, 52). Ein Begründungsmangel wird mit der entgegen dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) unsubstantiiert gebliebenen Beschwerdebehauptung, dass die Feststellungen über die Lieferung an Privatpersonen "weder mit den Aussagen der mit der Angelegenheit befassten Betriebsprüfer noch mit den hiezu vorgelegten Unterlagen übereinstimmen", und dem Hinweis auf den vom Erstgericht ohnedies bedachten Umstand, dass Empfänger unausgeforscht geblieben sind, nicht dargetan.

Auf einen Begründungsmangel (Z 11 erster Fall iVm Z 5) zielt inhaltlich das Vorbringen ab, die Konstatierung des Erstgerichtes, wonach in Stattgebung einer Berufung der R***** regGenmbH mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für Körperschaften Rechnungen "aus der Bemessungsgrundlage herausgenommen" worden sind, sei deshalb unvollständig, weil dem Urteil nicht zu entnehmen sei, welche Rechnungsbeträge aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden worden seien. Zu Urteilsfeststellungen in der erwähnten Richtung bestand jedoch für das Erstgericht kein Anlass, weil es die Berufungsvorentscheidung aus nachvollziehbaren Erwägungen als verfehlt erkannte (US 46 bis 56) und daher die Ansicht des Finanzamtes nicht teilte, dass einige der in Rede stehenden Rechnungen bei Ermittlung des strafbestimmenden Wertbetrages auszuscheiden seien.

Kein Begründungsmangel in Ansehung entscheidender Tatsachen (abermals Z 11 erster Fall iVm Z 5) wird mit dem Einwand geltend gemacht, der Annahme, dass die Beträge in den Gefälligkeitsrechnungen nicht ident seien "mit jenen Beträgen, welche sich aus den Rechnungen über die tatsächlichen Lieferungen ergeben", stünden die (nicht näher bezeichneten) Prüfungsunterlagen entgegen, wonach bei einer Vielzahl von Rechnungen die Beträge übereinstimmen. Entgegen der Beschwerdeauffassung waren aus den schon im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegten Erwägungen (US 57 ff, insbesondere 61 bis 65) nicht Betragsabweichungen für die vom Erstgericht vorgenommene finanzstrafrechtliche Bewertung maßgeblich, sondern der Umstand, dass den gelegten Rechnungen keine Lieferungen zur Grunde lagen.

Die Kritik an Urteilsannahmen, denen zufolge der Angeklagte auch Abgabenhinterziehung im Bereich anderer Unternehmen als der S***** und der genannten Arbeitsgemeinschaften gefördert hat, betrifft ebenfalls keine entscheidenden Tatsachen. Eines solchen Verhaltens wurde der Angeklagte nämlich hier nicht schuldig erkannt.

Unschlüssig wird in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorgebracht, die Bestimmung des § 11 Abs 14 UStG 1994 löse zwar Steuer aus, die Nichtentrichtung dieser Abgabe könne aber keine Abgabenhinterziehung nach § 33 FinStrG bewirken:

Der Zweck der Regelung des § 11 Abs 14 UStG 1994 und des § 11 Abs 14 UStG 1972 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug - eine Rechnung ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug - vorzubeugen (VwGH 22. Februar 2000, 99/14/0062; Ruppe UStG2 § 11 Rz 147). Für die Verwirklichung des Steuertatbestandes dieser Bestimmungen ist allein die Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Steuerausweis, obwohl eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausgeführt wurde (oder der Rechnungsaussteller kein Unternehmer im Sinn des UStG ist), erforderlich (VwGH 10. Juli 1996, 94/15/0010). Nach gesicherter Judikatur sollen die zitierten Gesetzesstellen die Fälle missbräuchlicher Rechnungslegung mit Steuerausweis treffen, ohne dass eine Berichtigungsmöglichkeit offensteht (VwGH vom 29. September 1993, 92/13/0161 uva; Ruppe, aaO Rz 142).

Mag den Bestimmungen des § 11 Abs 14 UStG 1994 und des § 11 Abs 14 UStG 1972 auch ein durch den Regelungszweck bedingter Strafcharakter in dem Sinn zukommen, dass der Rechnungsaussteller den zu Unrecht ausgewiesenen Steuerbetrag schuldet und der Rechnungsempfänger hinsichtlich dieses Steuerbetrages nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (Kranich, Mehrwertsteuer 98: UStG 1994 Rz 205; Kranich/Siegl/Waba Mehrwertsteuerhandbuch5 § 11 Anm 30 mwN), so kann darin doch kein Grund gefunden werden, ein den Voraussetzungen des § 33 Abs 1 oder Abs 2 lit a FinStrG entsprechendes Verhalten in Bezug auf die nach den in Rede stehenden Steuervorschriften zu entrichtende Umsatzsteuer von der Strafbarkeit auszunehmen. Vom Verstoß gegen ein in der Beschwerde nicht näher bezeichnetes Doppelverwertungsverbot kann keine Rede sein. Unter dem Aspekt verbotener Doppelverwertung (Art 4 Punkt 1 7. ZPMRK) aber geht der Einwand deshalb fehl, weil es sich beim Tatbeitrag zum unberechtigten Vorsteuerabzug Dritter (A) und den unmittelbar verübten strafbaren Handlungen (B/I) um verschiedene Taten handelt.

Mit Bestreitung der konstatierten abgabenschädlichen Willensausrichtung bringt der Angeklagte die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung (Mayerhofer, StPO4 § 281 E 29, 30).

Auf urteilsfremden und rechtlich irrelevanten Sachverhaltsannahmen beruht das Vorbringen zum Schuldspruch B/II, infolge einer Selbstanzeige komme dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund des § 29 FinStrG zugute (Z 9 lit b). Die in der Beschwerde behauptete Mitwirkung an der "Selbstanzeige" vom 23. Dezember 1997 (ON 34 in ON 11) wurde nicht konstatiert und hätte auch den Voraussetzungen der strafbefreienden Wirkung nicht genügt. Zur Aufhebung der Strafbarkeit kann eine Selbstanzeige nur dann führen, wenn ihr zu entnehmen ist, für wen sie erstattet worden ist (vgl § 29 Abs 5 FinStrG; Dorazil/Harbich FinStrG § 29 Anm 19 und 21 sowie E 32 = VwGH vom 14. April 1993, 92/13/0278; 1130 BlgNR 13. GP, 58; Leitner, Grundzüge des österreichischen Finanzstrafrechts, 81, 87 f; vgl Scheil, Die Selbstanzeige nach § 29 FinStrG [1995] Rz 303). Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall nach den insoweit unbestrittenen Urteilsannahmen nicht erfüllt.

Auch der Sanktionsrüge (Z 11) kommt keine Berechtigung zu. Das Erstgericht hat zwar bei der Strafbemessung "das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie dass teilweise die Voraussetzungen nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG vorlagen", damit jedoch nicht die Verkürzungsbeträge (§ 33 Abs 5 FinStrG) oder die sich daraus ergebende Summe ausdrücklich als erschwerend gewertet, sondern nur die Begehung zweier Finanzvergehen (vgl § 33 Z 1 StGB iV § 23 Abs 2 FinStrG). Dies bewirkt entgegen der Beschwerdeauffassung keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, weil es sich - anders als bei der bloßen Höhe der die Strafdrohung bestimmenden Wertbeträge - beim Zusammentreffen zweier (verschiedener) Finanzvergehen angesichts des darin manifesten Verstoßes gegen mehrere gesetzliche Verbote um einen nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 und 3 StGB; § 23 Abs 2 FinStrG) für die Gewichtung der Strafzumessungsschuld als aggravierend bedeutsamen Umstand handelt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Haftungsbeteiligten:

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Ausspruch des Erstgerichtes, wonach die "R***** regGenmbH (nunmehr R***** regGenmbH) zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten Ing. Engelbert A*****" gemäß § 28 Abs 3 und Abs 5 FinStrG für die über diesen verhängte Geldstrafe haftet.

Zur Urteilsanfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde ist die Haftungsbeteiligte jedoch nur insoweit legitimiert, als das Nichtigkeit behauptende Vorbringen gegen den Schuldspruch des Angeklagten oder den Strafausspruch gerichtet ist.

Mit dem Einwand, das Erstgericht habe durch Bezugnahme auf Betriebsprüfungsergebnisse betreffend die S***** aktenfremde Unterlagen verwertet (der Sache nach Z 5), ist die Haftungsbeteiligte auf die Erörterung des entsprechenden unbegründeten Vorbringens in der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verweisen.

Das selbe gilt für die auch hier auf Grund der urteilsfremden und rechtlich bedeutungslosen Annahme einer Mitwirkung des Angeklagten prozessordnungswidrig vorgetragene Ansicht, die erwähnte "Selbstanzeige" habe strafbefreiende Wirkung entfaltet (Z 9 lit b). Verfehlt ist zudem der Hinweis auf § 30 Abs 2 FinStrG, nach dem die strafbefreiende Wirkung der rechtzeitig und umfassend eingebrachten Selbstanzeige für alle Dienstnehmer wirken soll, hat doch die genannte Bestimmung allein die Frage einer Haftungsbefreiung zum Gegenstand. Eine Auswirkung auf die Strafbarkeit des Täters ist daraus nicht abzuleiten.

Nicht an den Urteilsfeststellungen orientiert ist auch die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die ausgehend von der unzutreffenden Auffassung, den Schuldsprüchen A und B/I liege der selbe Sachverhalt zugrunde, gegen eine "zweifache rechtliche Qualifizierung" gerichtet ist.

Zu einer "Doppelbestrafung" des Angeklagten ist es entgegen der Ansicht der Haftungsbeteiligten, die in § 11 Abs 14 UStG eine "Strafbestimmungswirkung" sieht, aus den dazu schon bei Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten angeführten Gründen nicht gekommen. Mit der auf diese Abgabenvorschrift bezogenen unsubstantiierten Behauptung von Verfassungswidrigkeit und mangelnder Konformität mit Gemeinschaftsrecht wird ein Nichtigkeitsgrund nicht aufgezeigt. Das substratlose Vorbringen entzieht sich zudem einer argumentationsbezogenen Erwiderung.

Die unter dem angeführten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund geübte Kritik an den zum Schuldspruch B/I getroffenen Feststellungen stellt kein prozessordnungskonformes Vorbringen dar. Zur gesetzmäßigen Geltendmachung einer angeblich fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts ist striktes Festhalten an den Urteilsannahmen und deren Vergleichung mit dem angewendeten Gesetz geboten (Mayerhofer, StPO4 § 281 E 29, 30).

Was die auch von der Haftungsbeteiligten im Ergebnis zu Unrecht gerügte Anführung des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend im Rahmen der Strafzumessungserwägungen betrifft, kann auf die Erledigung des inhaltsgleichen Beschwerdevorbringens des Angeklagten (Z 11) verwiesen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Haftungsbeteiligten waren daher zu verwerfen.

Zur Berufung der Haftungsbeteiligten:

Den übrigen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde vorgebrachten, inhaltlich wie dargelegt aber als Berufungsvorbringen aufzufassenden Einwänden ist vorweg zusammenfassend zu erwidern:

Gemäß § 28 Abs 2 iVm Abs 5 zweiter Satz FinStrG haftet eine juristische Person für eine Geldstrafe, die über einen gesetzlich, behördlich oder rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter wegen eines im Rahmen seiner Tätigkeit für die juristische Person begangenen Finanzvergehens verhängt wird, falls jemanden ein Verschulden im Sinn des § 28 Abs 4 FinStrG trifft, dem für den Gesamtbetrieb oder für das betreffende Sachgebiet die Verantwortung übertragen ist. Demnach tritt die Haftung der juristischen Person auch ein, wenn der Vertreter, der das Finanzvergehen begangen hat, selbst der bezeichnete Verantwortliche ist (Dorazil/Harbich FinStrG § 28 Anm 5, 8 b, 11 mwN; SSt 48/86, 12 Os 50, 51/95 [dort Punkt XIII]). Zwischen einzeln und kollektiv Vertretenden besteht dabei kein Unterschied (vgl 295 BlgNR 8. GP, 58; idS ersichtlich auch Fellner, FinStrG § 28 Rz 7). Nach den begründeten Feststellungen hat der Angeklagte die Finanzvergehen im Rahmen seiner Tätigkeit als Gesamtprokurist und Geschäftsführer der R***** regGenmbH (§ 28 Abs 2 und Abs 5 zweiter Satz FinStrG) verwirklicht (US 9 ff). Ob der Angeklagte auch deren Dienstnehmer war (§ 28 Abs 3 FinStrG), kann demzufolge hier dahingestellt bleiben. Das darauf bezogene Vorbringen der Haftungsbeteiligten bedarf daher keiner Erörterung.

Der Bestimmung des § 30 Abs 2 FinStrG wurde entgegen der Ansicht der Haftungsbeteiligten durch die schon mehrfach genannte "Selbstanzeige" nicht entsprochen. Die Haftungsbefreiung nach jener Bestimmung setzt voraus, dass in Fällen des § 28 Abs 2 FinStrG vom Vertretenen (in Fällen des § 28 Abs 3 FinStrG vom Dienstgeber) rechtzeitig bei der zuständigen Behörde (dazu § 29 FinStrG) die Straftat angezeigt wird. Die bloße Anführung einer objektiv unrichtigen Vorgangsweise bei Forderungsabschreibungen und Bezifferung des damit verbundenen Abgabenausfalls im vorliegenden Fall (ON 34 in ON 11) stellt aber keine dem genannten Erfordernis entsprechende Anzeige einer Straftat (vgl B/II) dar.

Zutreffend wird jedoch aufgezeigt, dass die Haftung nicht zur ungeteilten Hand mit dem Angeklagten auferlegt werden durfte, weil die Haftung nach Abs 2 und 3 im Unterschied zu jener nach Abs 1 des § 28 FinStrG nur als Ausfallshaftung angelegt ist (§ 28 Abs 7 FinStrG; 12 Os 50, 51/95 [XIII], 11 Os 157/81 uva, Dorazil/Harbich FinStrG § 28 Anm 1).

Daher war der Berufung der Haftungsbeteiligten teilweise Folge zu geben, der Haftungsausspruch aufzuheben und die Haftung der R***** regGenmbH für die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe gemäß § 28 Abs 2 FinStrG anzuordnen.

Zu den Berufungen des Angeklagten und des Finanzamtes für den 3. und 11. Bezirk, Schwechat und Gerasdorf bei Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz sowie zum übrigen Berufungsvorbringen der Haftungsbeteiligten:

Bei der Bemessung der oben bezeichneten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe wertete das Schöffengericht "das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie dass teilweise die Voraussetzungen nach § 33 Abs 1 und Abs 2 FinStrG vorlagen" als erschwerend; mildernd berücksichtigte es hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und dass er teilweise (A) bloß einen sonstigen Tatbeitrag leistete.

Den gegen diesen Strafausspruch gerichteten Berufungen des Angeklagten und der Haftungsbeteiligten ist insoweit zuzustimmen, als die Bestimmung zu den strafbaren Handlungen durch Franz G***** und die partielle Schadensgutmachung (zu B/II) zusätzlich mildernd ins Gewicht fallen, während die Tatwiederholung und die Verwirklichung zweier Finanzvergehen wegen der Zusammenrechnung der Hinterziehungsbeträge zum strafbestimmenden Wertbetrag von geringerer Bedeutung sind.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich unter diesen Aspekten weder zu der vom Finanzamt begehrten Erhöhung der Geldstrafe noch zu einer Reduktion dieser ohnedies im untersten Bereich angesiedelten Sanktion, wohl aber zur Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auf das im Spruch ersichtliche Maß bestimmt.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet. Die Haftungsbeteiligte konnte nicht zum Ersatz der Kosten des Verfahrens über ihre Rechtsmittel verurteilt werden, weil ihre Kostenersatzpflicht in erster Instanz nicht ausgesprochen wurde.

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