OGH 5Ob50/01s

OGH5Ob50/01s13.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Boja P*****, vertreten durch Michaela Schinnagl, Mietervereinigung Österreichs, Strindberggasse 2, 1110 Wien, gegen den Antragsgegner Daniel K*****, vertreten durch Kux & Falkner Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Mai 2000, GZ 41 R 80/00v-28, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 29. Dezember 1999, GZ 43 Msch 69/97m-22, abgeändert wurde, folgenden

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht stellte eine Mietzinsüberschreitung für die von der Antragstellerin gemietete Wohnung mit monatlich S 135 fest.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und gelangte zu einem Überschreitungsbetrag von monatlich S 401,51. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 nicht übersteigt und dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, und führte - soweit es für das drittinstanzliche Verfahren noch von Bedeutung ist - folgendes aus:

Ein Abschlag vom Richtwert sei vorzunehmen, wenn die Wohnung im Gegensatz zur mietrechtlichen Normwohnung wegen fehlender Kategoriemerkmale nicht in die Ausstattungskategorie A, sondern nur in Kategorie B oder C einzuordnen sei. Im vorliegenden Fall habe die Antragstellerin behauptet, in der Küche sei bei Anmietung keine Spüle vorhanden gewesen, die Wohnung sei daher nur in Kategorie C einzuordnen. Dieser Ansicht könne jedoch nicht gefolgt werden. Zu unterscheiden sei nämlich, ob ein Kategoriemerkmal (hier: die Küche) überhaupt fehle oder nur in seiner Funktion beeinträchtigt sei. Für bloße Funktionsstörungen bedürfe es nach ständiger Rechtsprechung in Analogie zu § 15a Abs 1 Z 4 MRG einer Anzeige durch den Mieter, um dem Vermieter Gelegenheit zu geben, den Mangel zu beheben und damit eine Kategorieherabstufung zu verhindern. Selbst wenn man nun entsprechend dem Vorbringen der Antragstellerin davon ausginge, dass ein Spülbecken in der Küche bei der Anmietung nicht vorhanden gewesen sei, wäre dies nur als Funktionsstörung des Kategoriemerkmals Küche zu qualifizieren und würde die Einstufung der Wohnung in Kategorie A nicht hindern, weil die Antragstellerin gar nicht behauptet habe, bei Übergabe der Wohnung das fehlende Spülbecken gerügt zu haben. Die beantragte Zeugenvernehmung sei daher auch zum Thema Spülbecken mangels Relevanz entbehrlich. Das Erstgericht habe zu Recht der Ermittlung des zulässigen Mietzinses die Ausstattungskategorie A zugrunde gelegt.

Auf Antrag der Antragstellerin änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses dahin ab, dass dieser doch für zulässig erklärt wurde, weil die Klärung der Frage, ob das Fehlen eines vom Herstellungsaufwand gesehen geringfügigen Teiles eines Ausstattungselementes bei Vorhandensein aller sonstigen kategoriebestimmenden Ausstattungsmerkmale ohne Anzeigeverpflichtung des Mieters zu einer Kategorieherabstufung führe oder aber einer bloßen Funktionsstörung gleichzuhalten sei, doch von grundlegender Bedeutung sei.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Antragstellerin unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Sie beantragt, die angefochtene Rekursentscheidung dahin abzuändern, dass ihrem Sachantrag vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner beantragt in seiner ihm vom Rekursgericht freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, das Fehlen des Spülbeckens in der Küche sei nicht anzeigepflichtig.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass Verfahrensmängel erster Instanz zwar - wie in der Revisionsrekursbeantwortung ausgeführt wird - in dritter Instanz grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden können. Hier hat das Rekursgericht aber einen solchen Mangel (Unterlassung der neuerlichen Einvernahme eines Zeugen unter Beiziehung eines Dolmetschers) aus rechtlichen Gründen verneint; diese rechtliche Beurteilung ist einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich (vgl Kodek in Rechberger**2 § 503 ZPO Rz 3).

Wie der erkennende Senat in 5 Ob 129/86 = MietSlg 38.350/28 ausgesprochen hat, setzt das Kategoriemerkmal "Küche" (jetzt im Sinne des § 15a Abs 2 Z 1 und 2 MRG idF des 3. WÄG) das Vorhandensein einer Koch- und einer Spülgelegenheit voraus.

Die Anzeigeobliegenheit des Mieters gemäß § 15a Abs 1 Z 4 MRG (früher § 16 Abs 2 Z 4 MRG) wurde von der Rechtsprechung zwar im Wege der Analogie von Wohnungen der Ausstattungskategorie D auf andere Wohnungskategorien ausgedehnt, dies allerdings nur bei Unbrauchbarkeit und nicht bei Fehlen des kategoriebestimmenden Merkmals (5 Ob 14/85 = MietSlg 37.330; 5 Ob 33/89 = MietSlg 41.270; RIS-Justiz RS0070124, RS0070145; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 § 15a MRG Rz 7, 8 mwN). Ratio dieser Obliegenheit ist es, den Vermieter vor Nachteilen zu schützen, die ihm aus der Nichtbehebung von Mängeln des Mietobjektes drohen, welche den Gebrauch an sich vorhandener Einrichtungen beeinträchtigen und ihm - anders als das gänzliche Fehlen derartiger Einrichtungen - nicht ohne weiteres einsichtig sind (5 Ob 60/95 = WoBl 1997/6 = MietSlg 47.255).

Das Fehlen des Spülbeckens in der Küche bei Vorhandensein der hiefür nötigen Zu- und Ableitungen hat dasselbe Rekursgericht bereits in 40

R 476/95 = MietSlg 47.249 als rügepflichtig angesehen. Der erkennende

Senat hat in 5 Ob 2240/96i = immolex 1998/43 = MietSlg 49.293 die Frage, ob trotz vom Mieter nicht bemängelten Fehlens des Spülbeckens samt Armaturen eine Einstufung in Kategorie A möglich ist, wegen eines damals erlaubten Kategorieausgleiches auf sich beruhen lassen.

Bei der Prüfung dieser Rechtsfrage ist zu berücksichtigen, dass seit Jahren die Verwendung von Einbauküchen weit verbreitet ist. Schafft der Mieter, der in der von ihm angemieteten Wohnung einen mit einem Spülbecken und einem Herd ausgestatteten, ansonsten unmöblierten Küchenraum vorfindet, eine Einbauküche an, so wird eine Verwendung des vorhandenen (eventuell alten oder unansehnlichen) Spülbeckens oft entweder überhaupt nicht möglich sein oder seinem Geschmack nicht entsprechen, weshalb der Mieter das vorhandene Spülbecken häufig durch ein neues ersetzen wird. Für den Vermieter ist es daher nicht ohne weiteres klar und einsichtig, ob der Mieter das Fehlen eines Geschirrspülbeckens als Mangel des Mietobjekts empfindet und ob der - betraglich geringfügige und gegenüber den Nachteilen aus einer Herabstufung der Kategorie zu vernachlässigende - Aufwand für ein Spülbecken überhaupt sinnvoll ist. Anderseits ist es dem Mieter, der auf der Ausstattung des Küchenraumes mit einem Spülbecken besteht, zuzumuten, dies gegenüber dem Vermieter geltend zu machen. Es ist daher auch bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung die Annahme einer durch analoge Heranziehung der Anzeigeobliegenheit des § 15a Abs 1 Z 4 MRG zu schließenden Gesetzeslücke gerechtfertigt.

Das Rekursgericht hat die Rechtsfrage somit richtig gelöst, weshalb dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 19 Satz 1 MRG; von einem mutwilligen Rechtsmittel kann entgegen der in der Revisionsrekursbeantwortung vertretenen Ansicht keine Rede sein.

Stichworte