Spruch:
Die vom Bezirksgericht Mattersburg verfügte Übertragung der Zuständigkeit in der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hartberg wird genehmigt.
Text
Begründung
Die Mutter der Kinder beantragte am 29. 7. 1997 vor dem nach ihrem Wohnsitz zuständigen Bezirksgericht, ihr die alleinige Obsorge der Kinder zu übertragen und den Vater zu einem monatlichen Unterhalt von 1.500 S zu verpflichten. Sie sei mit dem Vater nach islamischem Religionsrecht verheiratet. Der Vater habe die Familie verlassen. Sein Aufenthalt sei unbekannt. Die Pflegschaftssache wurde zunächst vom Bezirksgericht Eisenstadt geführt. Der Mutter wurde am 31. 3. 1998 die alleinige Obsorge hinsichtlich der drei Kinder übertragen. Der Gerichtsbeschluss wurde dem Vater nicht zugestellt. Ein Abwesenheitskurator wurde nicht bestellt. Über den Unterhaltsantrag der Kinder wurde noch nicht entschieden. Wegen der Verlegung des Wohnsitzes der Kinder nach Forchtenstein fasste das Bezirksgericht Eisenstadt den Beschluss auf Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Mattersburg. Dieses stellte nach der Aktenlage den Übertragungsbeschluss den Parteien nicht zu und fasste auch keinen Beschluss über die Übernahme der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache. Es holte allerdings eine Auskunft des Sozialversicherungsträgers über ein allfälliges Dienstverhältnis des Vaters der Kinder ein. Die Mutter verzog mit den Kindern nach Sebersdorf in der Gemeinde Bad Waltersdorf. Daraufhin übertrug das Bezirksgericht Mattersburg gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN die Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hartberg. Dieses lehnte die Übernahme wegen des noch offenen Unterhaltsantrages der Kinder ab.
Das Bezirksgericht Mattersburg legt den Akt zur "Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt" vor.
Rechtliche Beurteilung
Vorauszuschicken ist, dass das Bezirksgericht Mattersburg spätestens mit seinem Übertragungsbeschluss hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass es die seinerzeitige Übertragung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Eisenstadt akzeptiert und daher wegen der neuerlichen Wohnsitzverlegung der Kinder in den Sprengel des Bezirksgerichtes Hartberg zur Übertragung der Pflegschaftssache an dieses Gericht legitimiert ist.
Bei der nach § 111 Abs 1 JN zu treffenden Entscheidung ist das Kindeswohl maßgebend. Der pflegschaftsgerichtliche Schutz wird grundsätzlich am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel die Kinder aufhältig sind (EFSlg 82.108). Offene Anträge hindern eine Übertragung der Pflegschaftssache grundsätzlich nicht (EFSlg 85.186), insbesondere wenn - wie hier - das übertragende Gericht sich mit den gestellten Anträgen noch nicht eingehend befasst hat (EFSlg 85.188; 6 Nd 502/99).
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