OGH 10ObS306/00y

OGH10ObS306/00y6.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Maria Sand und Dr. Michael Braun (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Heribert T*****, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und andere, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifterstraße 65, 1200 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen S 8.220 sA und Feststellung eines Arbeitsunfalls, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juli 2000, GZ 7 Rs 206/00s-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. März 2000, GZ 29 Cgs 200/99k-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Unfall des Klägers kein Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG sei, weil er beim Lüften nach der Reinigung eines für die künftige Verwendung als Atelier vorgesehenen Raumes am Zweitwohnsitz des Klägers auf dem Lande passierte, ist zutreffend. Obgleich dieser Hinweis auf die Richtigkeit des Urteils und der Begründung des Berufungsgerichtes nach § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO ausreichen würde, ist den Revisionsausführungen kurz zu erwidern:

Nach den Feststellungen ist der als Angestellter des ORF beschäftigte Kläger neben dieser Tätigkeit Inhaber von Gewerbeberechtigungen für Werbegestaltung, -mittlung und -beratung. Er fertigt Entwurfsarbeiten an, während seine ebenfalls "selbständige" Gattin für Kontakte und Schriftverkehr zuständig ist. Weitere Mitarbeiter sind im Gewerbebetrieb des Klägers nicht beschäftigt.

Der Gewerbestandort ist ausschließlich die Wohnadresse des Klägers in 1030 Wien, Sechskrügelgasse 10; der Kläger verfügt aber auch über einen Zweitwohnsitz in Groß-Kainraths, ein ehemaliges Bauernhaus, dessen separates Stallgebäude er ab 1997 zu einem als Arbeitsraum gewidmeten sogenannten Atelier mit einer über eine Holzstiege erreichbaren Galerie ausgebaut hat. Wenn sich der Kläger und seine Gattin am Zweitwohnsitz aufhalten, benutzen sie dieses Atelier für Arbeiten zB Entwurfszeichnungen oder Schriftverkehr, im Zusammenhang mit ihrer Werbeagentur.

Anfang April 1998 war der Umbau des Stallgebäudes zwar fast abgeschlossen, die Stiege zur ansonsten bereits fertig eingebauten Galerie fehlte jedoch noch. Der Kläger behalf sich deshalb mit einer angelehnten Leiter, wenn er die nur von der Galerie aus zugänglichen Fenster zu Lüftungszwecken öffnen musste. Bis zum Einbau der Treppe wurde das Atelier noch nicht als Arbeitsraum genutzt (Hervorhebung durch den erkennenden Senat).

Am 9. 4. 1998 hat die Gattin des Klägers vormittags im Atelier Reinigungsarbeiten mit einem unangenehm riechenden Putzmittel durchgeführt. Nach dem Mittagessen befand der Kläger, dass immer noch schlechter Geruch im Raum herrsche; er stieg deshalb über die angelehnte Leiter zur Galerie hoch und öffnete das Fenster, um zu lüften. Beim Absteigen von der Leiter kippte er aus ungeklärter Ursache mit dieser um und zog sich bei dem Sturz schwere Verletzungen im Kieferbereich zu.

Da die Vorinstanzen von diesem Sachverhalt ausgegangen sind, liegen die vom Revisionswerber gerügten rechtlichen Feststellungsmängel schon deshalb nicht vor, weil die vermissten Feststellungen (dass der Kläger das Gewerbe für Werbegestaltung und -beratung auch tatsächlich ausübe, und dass er plante, den Raum, in dem sich der Unfall ereignete, ausschließlich für gewerbliche Zwecke zu nutzen und in der Folge auch benutzt hat) ohnehin getroffen wurden.

Entgegen der in der Revision vertretenen Meinung ist aber auch die - eingangs wiedergegebene - rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden:

Nach § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle solche Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigungen ereignen. Der Versicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG ua durch die Mitgliedschaft zu einer Wirtschaftskammer erworben und erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die im oben genannten Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet. In diesem Rahmen ist ein selbständig Erwerbstätiger gegen alle Gefahren geschützt, denen er in dieser Rolle ausgesetzt ist. Im Vordergrund stehen dabei sogenannte Ausübungshandlungen, das sind Tätigkeiten, die einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und die vom Handelnden in dieser Intention enfaltet werden (subjektive Bedingung). Als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind daher alle durch die Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeiten anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (10 ObS 131/00p mwN).

Soweit sich die Revision darauf beruft, dass das Lüften nach der Reinigung "des Arbeitsraumes" der Nutzbarmachung des "weiteren Gewerbestandortes" des Klägers gedient habe, entfernt sie sich von der zitierten Feststellung, wonach das Atelier zum Unfallszeitpunkt noch nicht als Arbeitsraum genutzt wurde. In Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ist vielmehr mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass hier eigenwirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund standen. Der in der Revision erblickte Zusammenhang zwischen dem Unfall beim Fensteröffnen (um einen am Zweitwohnsitz erst herzustellenden zukünftigen Arbeitsraum zu lüften) und dem Gewerbebetrieb des Klägers ist zu entfernt, um Versicherungsschutz bejahen zu können. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates steht der Versicherte nämlich - auch nach den Grundsätzen, die bei sog gemischten Tätigkeiten maßgebend sind - nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen seine eigenwirtschaftlichen Interessen maßgeblich sind und die auch vorhandenen betrieblichen Interessen nur einen völlig im Hintergrund stehenden Nebenzweck des Handelns bilden (SSV-NF 11/63; 11/127 mwN; RIS-Justiz RS0084271; zuletzt: 10 ObS 288/99x und 10 ObS 19/00t). Auf die Frage, ob - wie es im Ersturteil anklingt - schon das beim Aufsuchen eines Zweitwohnsitzes auf dem Land in der Regel im Vordergrund stehende private Erholungsinteresse (auch wenn der Aufenthalt nebenbei noch zum Arbeiten verwendet wird) als eigenwirtschaftliches Motiv geeignet gewesen wäre, den Unfallversicherungsschutz auszuschließen, muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit b ASGG.

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