OGH 10ObS131/00p

OGH10ObS131/00p6.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Robert Göstl und Dr. Heinz Paul (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1. Elisabeth R*****, Hausfrau, 2. mj. Michael R*****, Schüler, beide wohnhaft in *****, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1220 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Witwen- und Waisenrente, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Februar 2000, GZ 23 Rs 3/00p-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Oktober 1999, GZ 46 Cgs 204/99t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Franz R*****, der Ehemann der Erstklägerin und Vater des Zweitklägers, verstarb am 31. 3. 1999 an den Folgen eines Unfalls. Er hatte bis zu diesem Zeitpunkt als selbständig Erwerbstätiger eine Bau- und Möbeltischlerei samt Möbelhandlung betrieben. Am Unfallstag begab er sich gegen 20 Uhr in ein Cafe, weil ihm der Betreiber dieses Lokals bereits Anfang 1998 unverbindlich einen Auftrag über einen Türeinbau in Aussicht gestellt hatte, den er nunmehr besprechen und fixieren wollte. R***** hielt sich bis gegen 23.20 Uhr in dem Gastlokal auf, ohne jedoch seinen Kunden auf den angekündigten Auftrag anzusprechen. Er trank fünf Achtel Wein und plauderte mit Lokalgästen über private Dinge. Nachdem er das Cafe verlassen hatte, um nach Hause zu fahren, stürzte er ohne Fremdeinwirkung über die vom Lokalausgang zum Parkplatz führende Betontreppe und zog sich dabei tödliche Verletzungen zu.

Mit Bescheiden vom 20. 7. 1999 lehnte die beklagte Partei die Anerkennung dieses Unfalls als Arbeitsunfall ab und sprach aus, dass ein Anspruch der Kläger auf Leistungen aus der Unfallversicherung nicht bestehe. Der Unfall habe sich nach Ende eines mehrstündigen, im privaten Interesse gelegenen Aufenthaltes in einem Cafe ereignet.

Die Kläger begehrten mit ihrer Klage die Feststellung des Vorfalls als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Witwen- und einer Waisenrente im gesetzlichen Ausmaß.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung beider Klagebegehren.

Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Ein Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit und dem Besuch des Cafe habe zum Unfallszeitpunkt nicht mehr bestanden, weshalb der Unfall der Privatsphäre zuzuordnen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Versicherte habe das Cafe zwar in der (subjektiven) Absicht aufgesucht, dort einen Auftrag zu akquirieren, doch habe er seine Intention gegenüber dem Besitzer des Cafe während der gesamten Zeit seines Aufenthaltes nicht zur Sprache gebracht. Objektiv habe sich der Lokalbesuch daher nicht als Ausübung einer Erwerbstätigkeit zur Aufrechterhaltung, Förderung oder Abwicklung der selbständigen Existenz dargestellt. Überdies habe sich der Verunfallte nicht mehr auf einem mit seiner Erwerbstätigkeit zusammenhängenden Weg befunden: Die aus persönlichen Gründen erfolgte Unterbrechung des Weges vom Ort der betrieblichen Tätigkeit zur Wohnung in der Dauer von dreieinhalb Stunden habe den Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit endgültig gelöst.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache. Sie beantragen die Abänderung im Sinne einer Stattgebung der Klagebegehren, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 175 Abs 1 ASVG sind Arbeitsunfälle solche Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigungen ereignen. Der Versicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG u. a. durch die Mitgliedschaft zu einer Wirtschaftskammer erworben und erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die im oben genannten Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet. In diesem Rahmen ist ein selbständiger Erwerbstätiger gegen alle Gefahren geschützt, denen er in dieser Rolle ausgesetzt ist. Im Vordergrund stehen dabei sogenannte Ausübungshandlungen, das sind Tätigkeiten, die einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und die vom Handelnden in dieser Intention entfaltet werden (subjektive Bedingung). Als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind daher alle durch die Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeiten abzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (SSV-NF 4/32, 8/31, 10/50, 10/112 ua).

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bei der hier zu beurteilenden Tätigkeit des Versicherten ein wesentliches Zurechnungskriterium fehlt. Bei objektiver Betrachtung stehen beim Besuch eines Gastlokals in der Zeit von 20 bis 23.20 Uhr, während der Alkohol konsumiert und mit anderen Gästen über private Dinge gesprochen wird, eigenwirtschaftliche Gesichtspunkte ganz im Vordergrund. Daran ändert nichts am Umstand, dass der Versicherte ursprünglich beabsichtigt hatte, mit dem Gastwirt über einen möglichen Auftrag zu verhandeln, nahm er doch von diesem Vorhaben wieder Abstand. Es soll nicht verkannt werden, dass ein Versicherter bei Verrichtungen, die nicht unmittelbar in seinem Betrieb, sondern nebenher zur mittelbaren Förderung des Betriebes vorgenommen werden, wie zum Beispiel zur Werbung, zum Kundendienst oder zur Pflege des geschäftlichen Ansehens, dem Schutz der Unfallversicherung unterstehen kann. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit muss jedoch auch bei diesen Verrichtungen gegeben sein. Die Abgrenzung des Versicherungsschutzes ist in solchen Fällen oft schwierig, weil eine klare Scheidung von versicherten Tätigkeiten und privaten Handlungen von Menschen, die auch geschäftliche Beziehungen unterhalten, in machen Fällen kaum möglich ist. Um so weniger wird hier eine bloße betriebliche Absicht ausreichen, sondern es wird die Objektivierung des betrieblichen Zusammenhanges zu fordern sein (wie dies nach der E SSV-NF 4/32 der Fall war: dort trat die objektive Seite der Ausübungshandlung eines Waffenhändlers während einer Jagd durch Präsentation und Erprobung der Jagdflinten mit kaufinteressierten Kunden noch ausreichend in Erscheinung).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.

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