OGH 3Ob133/00f

OGH3Ob133/00f26.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer sowie durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert T*****, vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Monika T*****, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig und andere Rechtsanwälte in Villach, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2000, GZ 2 R 342/99t-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 7. September 1999, GZ 10 C 34/99g-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahr 1965 aus dem Alleinverschulden des Klägers geschieden. Der Kläger verpflichtete sich in einem gerichtlichen Vergleich, der Beklagten an Unterhalt S 2.400 wertgesichert zu bezahlen. In diesem Vergleich wurde festgelegt:

"Eine Erhöhung des Unterhaltsbetrages außerhalb der Wertsicherung ist ausgeschlossen und es verzichtet die Klägerin hiemit ausdrücklich auf ein derartiges Recht. Andererseits verzichtet der Beklagte ausdrücklich auf jeglichen Herabsetzungsantrag, auch aus dem Grunde neuer Sorgepflichten."

Die Klägerin führt zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstandes von S 80.920 für den Zeitraum 1. 1. 1998 bis 28. 2. 1999 Fahrnisexekution.

Der Kläger begehrt das Urteil, dieser Anspruch sei erloschen, weil er seit Jänner 1997 im Ruhestand sei und sich seine Einkommensverhältnisse derart geändert hätten, dass er nicht mehr in der Lage sei, einen monatlich S 3.000 übersteigenden Unterhaltsbetrag zu leisten. Wegen des Eigeneinkommens der Beklagten sei deren Existenzgrundlage nicht gefährdet. Im Scheidungsvergleich sei zwar die Umstandsklausel ausgeschlossen worden, jedoch liege nunmehr ein derart krasses Missverhältnis zwischen der Unterhaltsleistung und dem dem Kläger verbleibenden Einkommen vor, dass ein Beharren auf dem vereinbarten Ausschluss der Umstandsklausel sittenwidrig und daher unbeachtlich sei.

Die Beklagte wendete ein, sie sollte den vereinbarten monatlichen Unterhaltsbetrag unabhängig vom Einkommen der Streitteile bis zur Wiederverehelichung oder bis zum Tod bekommen.

Das Erstgericht gab der Klage statt; es traf folgende wesentlichen Tatsachenfeststellungen:

Im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 14. 10. 1965 bezog der Kläger als selbständiger Rechtsanwalt ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 6.200. Er verzichtete am 13. 1. 1997 nach Erreichen des Pensionsalters von 65 Jahren auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Im Jahr 1997 bezog er eine Nettopension von durchschnittlich S 20.959,15, im Jahr 1998 von durchschnittlich S 21.887,05 und im Jahr 1999 von durchschnittlich S 22.881,83. Im Jänner 1997 erhielt er von der Rechtsanwaltskammer für Kärnten eine Abfertigung ohne Abzug von Lohnsteuer in Höhe von S 260.000, weiters für den Verkauf seiner Kanzlei einen Betrag von S 500.000.

Der Kläger zahlt monatliche Beträge aus der Selbstversicherung bei der Kärntner Gebietskrankenkasse von derzeit von S 1.876, wobei ihm ein Teil der Krankenversicherungsbeiträge beim Jahresausgleich wieder rückvergütet wird.

Die Beklagte begann in den Jahren 1970 oder 1971 wieder zu arbeiten. Zuletzt bezog sie ein monatliches Nettoeinkommen von rund S 17.000. Seit 1987 ist sie in Pension. 1998 bezog sie eine Nettopension von S 9.313,70 14 x jährlich, 1999 von S 9.453,40 14 x jährlich. Weiters bezog sie vom 1. 8. 1997 bis 31. 7. 1999 Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ihres Hauses in P***** von monatlich S 4.000; die monatlichen Betriebs- und Heizungskosten von durchschnittlich S 2.500 werden von ihr selbst bezahlt. Sie will nunmehr ihr Wohnhaus nicht mehr vermieten und als Zweitwohnsitz nutzen.

Die Ehegattin des Klägers bezieht ein Eigeneinkommen.

Beide Streitteile sind für niemanden sorgepflichtig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die hier vorliegende Vereinbarung des Ausschlusses der Umstandsklausel umfasse grundsätzlich jede Änderung der Sachlage, allerdings könne zwingendes Recht durch den Ausschluss der Umstandsklausel nicht umgangen werden. Nach den getroffenen Feststellungen liege ein derart krasses Missverhältnis zwischen der Unterhaltsleistung des Klägers und dem Einkommensrest vor, dass der Kläger in seiner Lebensführung extrem eingeschränkt würde. Die unterhaltsberechtigte Beklagte könne sich daher auf den Ausschluss der Umstandsklausel nicht berufen und daher auch die sich aus der vereinbarten Wertsicherung ergebende Unterhaltserhöhung nicht beanspruchen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Beklagten im klagsabweisenden Sinn ab und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil es sich bei Beurteilung der Sachlage an die Judikatur des Obersten Gerichtshofes gehalten habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, ein Verzicht auf die Geltendmachung geänderter Umstände sei nur dann sittenwidrig, wenn ein geradezu krasses Missverhältnis zwischen der Höhe der vereinbarten Unterhaltspflicht und dem dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden Betrag bestehe und das Beharren auf der Erfüllung der vereinbarten Unterhaltspflicht den Unterhaltsschuldner in seiner Existenz gefährden würde. Bei der Frage der Existenzgefährdung oder eines krassen Missverhältnisses komme es naturgemäß auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Streitteile an. Im zunächst zu beurteilenden Jahr 1998 betrage das Gesamteinkommen der Beklagten unter Einbeziehung des vollen vereinbarten Unterhalts S 21.145,98, dem Kläger verblieben S 12.064,38. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass auch einmalige Zahlungen wie die Abfertigung und der Erlös aus dem Kanzleiverkauf zu berücksichtigen seien. Die Aufteilung solcher einmaliger Zahlungen habe stets nach den Umständen und Lebensverhältnissen angemessen zu erfolgen. Die Frage des Zeitraums, auf den die einmaligen Zahlungen aufzuteilen wären, könne dahingestellt bleiben, weil es offensichtlich sei, dass dem Kläger unter Einschluss von Teilen dieser einmaligen Zahlungen ein Einkommen verbleibe, das die Annahme eines krassen Missverhältnisse ausschließe.

In den Monaten Jänner und Februar 1999 stünden sich unter Berücksichtigung der vollen Unterhaltsleistung Monatseinkommen von S 16.872,79 auf Seiten des Klägers und S 21.308,96 auf Seiten der Beklagten gegenüber, weshalb die Kriterien der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt seien, ganz abgesehen davon, dass auch für diesen Zeitraum die Einmalzahlungen an den Kläger nicht ausgeklammert werden könnten. Der Unterhaltspflichtige falle bei den gegebenen Einkommens- und Vermögensverhältnissen bei Aufrechterhaltung der Unterhaltsverpflichtung weder der Not anheim noch würde er in seiner Lebensführung extrem eingeschränkt werden.

Mit Beschluss vom 28. 3. 2000 sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision doch nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob in einem Fall wie dem vorliegenden der Verkauf des Unternehmens (Kanzlei) überhaupt und nach welchen Grundsätzen die Abfertigung des Klägers in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem Beschluss des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EFSlg 25.102; EFSlg 34.072; ÖA 1984, 17 uva), dass der Verzicht auf die Umstandsklausel grundsätzlich zulässig und wirksam ist; das Beharren auf diesen Verzicht kann aber sittenwidrig sein, etwa dann, wenn durch ein Beharren auf der Unterhaltsleistung dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage entzogen würde. Um zu verhindern, dass der an sich zulässige Ausschluss der Umstandsklausel im Nachhinein ohne zwingenden Grund aufgehoben wird, ist ein strenger Maßstab anzulegen (EFSlg 34.072; ÖA 1984, 17 ua).

Im Allgemeinen wird dem Unterhaltspflichtigen die Existenzgrundlage nicht entzogen, wenn ihm mindestens noch Einkünfte in der Höhe des Richtsatzes für die Ausgleichszulage verbleiben, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Rechtsordnung, auf deren Wertungsgesichtspunkte es bei der Sittenwidrigkeit ankommt, dem Unterhaltspflichtigen dieselben Einschränkungen zumutet, die sie von einem Pensionsberechtigten verlangt (EFSlg 59.971).

Das Berufungsgericht hat diese in der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits entwickelten Grundsätze seiner Entscheidung zugrundegelegt. Die Lösung der Frage, ob danach Sittenwidrigkeit vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes keine Bedeutung zukommen kann, die über den hier zu entscheidenden Fall hinausgeht. Die Revision wäre deshalb nur zulässig, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung bei der Frage der Sittenwidrigkeit unterlaufen wäre (vgl RZ 1994/45 uva). Sie wird in der Revision aber nicht dargetan. Die Rechtsansicht des Klägers, es sei jedenfalls sittenwidrig, wenn ein Unterhaltsverpflichteter schlechter als ein Unterhaltsberechtigter mit Eigeneinkommen gestellt wäre oder wenn das monatliche Einkommen um nahezu 2/3 reduziert würde, findet in der Rechtsprechung keine Deckung; der Kläger weist auch auf keine Lehrmeinung hin, die einen solchen Standpunkt vertreten würde (vgl etwa Zankl in Schwimann, ABGB**2 Rz 54 zu § 66 EheG).

Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage der Berücksichtigung der dem Kläger zugekommenen Abfertigung ist hier nicht entscheidungswesentlich, weil selbst dann, wenn diese Abfertigung und der Erlös aus dem Verkauf des Rechtsanwaltsunternehmens entsprechend der Rechtsansicht des Klägers nicht berücksichtigt würden, die Ansicht, es liege kein Grund für die Annahme eines sittenwidrigen Beharrens der Beklagten auf die Umstandsklausel vor, keine auffallende Fehlbeurteilung im Einzelfall darstellen würde.

Die Revision des Klägers ist daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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