OGH 10ObS345/00h

OGH10ObS345/00h20.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Heinz Nagelreiter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Christine S*****, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1103 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückforderung von Karenzgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2000, GZ 10 Rs 164/00m-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. März 2000, GZ 3 Cgs 2/00f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Ärztin und Psychotherapeutin. Im Jahr 1998 war sie sowohl im Angestelltenverhältnis als auch selbständig in ihrer Praxis tätig. Ab April 1998 konnte sie infolge eines Krankenstandes keiner selbständigen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen. Nach der Geburt ihres Kindes am 29. 7. 1998 nahm die Klägerin die selbständige Erwerbstätigkeit am 20. 10. 1998 wieder auf und führte sie bis Jahresende und darüber hinaus weiter.

Bezogen auf das gesamte Jahr 1998 verdiente die Klägerin aus ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit S 65.612, davon im November und Dezember 1998 je S 11.200 brutto. In diesen beiden Monaten hatte sie Ausgaben von S 12.107,17. Im Oktober 1998 bezog sie keinerlei Einnahmen.

Mit Bescheid vom 29. 11. 1999 verpflichtete die beklagte Partei die Klägerin zur Rückzahlung von S 14.469 an zu Unrecht bezogenem Karenzgeld für die Zeit vom 15. 10. 1998 bis 31. 12. 1998.

In der dagegen erhobenen Klage vertrat die Klägerin den Standpunkt, sie habe ihre selbständige Erwerbstätigkeit in den Monaten Juli bis Oktober 1998 unterbrochen. Deshalb sei die Monatseinkommensberechnung nicht mit einem Zwölftel des Jahreseinkommens vorzunehmen, sondern vom anteilsmäßigen Einkommen der Monate mit selbständiger Erwerbstätigkeit, die auch Bezugsmonate des Karenzgeldes seien, auszugehen. Jede andere Interpretation des § 40 Abs 7 KGG würde zum gleichheitswidrigen und daher verfassungswidrigen Ergebnis führen, dass jene Karenzgeldbezieher, die in den Karenzgeldbezugsmonaten Einkünfte unter der Geringfügigkeitsgrenze hätten, differenzierend danach behandelt würden, ob sie in den übrigen "Erwerbsmonaten" des Jahres ein im Durchschnitt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen erzielten oder nicht. Dadurch wären Bezieher höherer Einkommen gegenüber durchschnittlichen Einkommensbeziehern benachteiligt, obwohl beide Gruppen im Karenzgeldbezugszeitraum unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen könnten. Eine sachliche Rechtfertigung einer solchen Differenzierung sei nicht ersichtlich.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin sei sowohl vor dem Juli 1998 als auch nach dem Oktober 1998 nachhaltig durchgehend als freiberufliche Ärztin selbständig erwerbstätig gewesen. Ihr Einkommen für 1998 sei daher (gemäß § 40 Abs 7 KGG) auf alle 12 Monate des Jahres aufzuteilen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Im Sinne des Durchführungserlasses zum KGG des BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales (Beilage zu Zl.36.201/3-8/98) sei eine vorübergehende Erwerbstätigkeit eine solche, die befristet vereinbart wurde und die sich nicht über mehr als zwei Kalendermonate erstrecke. Liege Nachhaltigkeit der Beschäftigung vor, könne nicht von einer vorübergehenden selbständigen Beschäftigung gesprochen werden. Da die Klägerin ihre selbständige Erwerbstätigkeit lediglich wegen des Krankenstandes und der Geburt ihres Kindes unterbrochen und sowohl vor dem April 1998 als auch nach dem 20. Oktober 1998 durchgehend ausgeübt habe, sei nicht von einer nur vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen. Das monatliche Einkommen der Klägerin sei daher gemäß § 40 Abs 7 Satz 1 erster Halbsatz KGG mit einem Zwölftel des Jahreseinkommens zu ermitteln. Auf das Vorbringen zur Verfassungswidrigkeit sei nicht einzugehen, weil das Erstgericht den § 40 Abs 7 KGG in der geltenden Fassung anzuwenden habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es teilte - mit ausführlicher Begründung - die Ansicht des Erstgerichts, dass eine durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit vorliege. Hätte der Gesetzgeber eine Regelung treffen wollen, wonach eine solche Erwerbstätigkeit nur dann vorliege, wenn in jedem Monat tatsächlich selbständig gearbeitet werde, hätte er eine andere Formulierung gewählt. Es hätte dann ausgereicht, das monatliche Einkommen ganz allgemein als jenes zu definieren, das anteilsmäßig in den Monaten erworben wurde, in denen eine selbständige Erwerbstätigkeit vorlag.

Die Argumente der Klägerin könnten auch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen der §§ 2, 40 KGG erwecken. Dass der Gesetzgeber bei durchgehend selbständig Erwerbstätigen auf den Jahresdurchschnitt abstelle sei gerechtfertigt, weil sie es andernfalls in der Hand hätten, in den Monaten vor der Geburt die Arbeitskraft verstärkt einzusetzen, in den Monaten nach der Geburt jedoch nur noch unterdurchschnittlich. Um dem vorzubeugen sei eine Durchschnittsbetrachtung angemessen. Das Karenzgeld solle nur Personen zugute kommen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben und unter die Geringfügigkeitsgrenze fallen. Damit seien diejenigen, die im Durchschnitt mehr verdienen als andere selbständig Erwerbstätige zu Recht vom Bezug von Karenzgeld ausgeschlossen. Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sei dadurch nicht gegeben, weil bei beiden Gruppen auf das durchschnittliche Einkommen abgestellt werde. Auch die Argumentation, dass die Klägerin anders zu behandeln wäre, wenn sie ihr Kind im Jänner bekommen hätte, könne nicht überzeugen. In dem Fall wäre sie voraussichtlich ebenfalls in diesem Jahr kurz nach der Geburt wieder tätig geworden, sodass auch das Gesamtjahreseinkommen bei der Berechnung des Karenzgeldes herangezogen worden wäre.

Die Revision sei zuzulassen, weil - soweit ersichtlich - eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu § 40 Abs 7 KGG fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 2 Abs 2 KGG ist vom Anspruch auf Karenzgeld ausgeschlossen, wer

1. in einem oder mehreren Dienstverhältnissen steht und hieraus Geld bezieht, das die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs 2 ASVG übersteigt ....,

2. selbständig erwerbstätig ist bzw selbständig arbeitet, wenn

a) ..... oder

b) das Einkommen gemäß § 40 KGG zuzüglich Sozialversicherungsbeiträgen, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt oder .....

Gemäß § 40 Abs 7 KGG gilt als monatliches Einkommen "bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag".

Die Revisionswerberin macht geltend, dass der Gesetzgeber durch die Gegenüberstellung der Begriffe "durchgehend" und "vorübergehend" eine Abgrenzung vorgegeben habe, aus der die Interpretation des Berufungsgerichtes (wonach eine "durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit" voraussetze, dass sie regelmäßig eine gewisse Zeit ausgeübt werde und auf eine gewisse Dauer geplant sei) nicht abgeleitet werden könnte. Das Wort "durchgehend" bedeute vielmehr eine nicht unterbrochene Tätigkeit, die im gegenständlichen Fall schon deshalb nicht vorliege, weil die selbständige Erwerbstätigkeit der Klägerin unterbrochen worden sei.

Die Klägerin möchte damit die Zeiträume einerseits vor Beginn ihres "Krankenstandes" (dieser ist wohl im technischen Sinn nur bezüglich der unselbständigen Beschäftigung denkbar) und der damit erfolgten vorübergehenden Unterbrechung ihrer selbständigen Tätigkeit und andererseits nach der Geburt (ab Aufnahme der unselbständigen Beschäftigung ab Oktober 1998) getrennt sehen; sie meint, dass die Tätigkeit ab Oktober als vorübergehend iS leg cit anzusehen sei, weil sie nur kurze Zeit und dies nach Unterbrechung ausgeübt worden sei.

Dem ist mit dem Berufungsgericht entgegenzuhalten, dass es sich um eine durchgehende selbständige Tätigkeit handelte, die vor dem "Krankenstand" wie auch nach der Geburt ohne zeitliche Begrenzung ausgeübt wurde, also auf Dauer ausgerichtet war. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz bei einer grundsätzlich dauernden selbständigen Tätigkeit keine Trennung nach bestimmten Zeiträumen innerhalb eines Jahres vorsieht; selbst wenn man dem Argument der Klägerin folgte, dass die Zeit ab April nicht berücksichtigt werden dürfe, weil sie hier keine selbständige Tätigkeit verrichtete, könnte dies nur dazu führen, dass die Monate bis September zu neutralisieren wären und der Jahresschnitt von den verbleibenden Monaten zu ermitteln wäre. Damit würde sich aber - wie bereits die Revisionsbeantwortung aufzeigt - ein noch höheres monatliches Einkommen ergeben, als von den Vorinstanzen zugrundegelegt.

Der Umstand, dass die Klägerin während einiger Monate des Jahres ihre an sich auf Dauer ausgerichtete selbständige Tätigkeit nicht ausübte, kann keine Grundlage dafür bilden, von der grundsätzlichen gesetzlichen Regelung, wonach in den Fällen, in denen eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, für die Beurteilung des Anspruches auf Karenzurlaubsgeld das auf das gesamte Jahr gerechnete monatliche Durchschnittseinkommen maßgeblich ist, abzuweichen.

Es bleibt nur noch festzuhalten, dass die vom Berufungsgericht zutreffend verneinten verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin auch deshalb nicht berechtigt sind, weil - entgegen ihrer Auffassung - eine Unterscheidung zwischen Bezieherinnen von Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze gegenüber "immer" unter der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Einkommensbezieherinnen auch dann sachlich gerechtfertigt erscheint, wenn beide Gruppen im Karenzgeldbezugszeitraum unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Der Gleichheitsgrundsatz verbietet dem Gesetzgeber nämlich nur, Gleiches ungleich zu behandeln; es ist ihm aber nicht verwehrt, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen (RIS-Justiz RS0054018 und RS0109606). Da aber - wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat - wesentliche Unterschiede zwischen selbständig Erwerbstätigen und unselbständig beschäftigten Personen bestehen (SSV-NF 12/124 mwN), ist auch in der unterschiedlichen Behandlung dieser beiden Gruppen keine Gleichheitswidrigkeit zu erblicken (vgl VfSlg 10.030).

Der neuerlichen Anregung, einen Antrag gemäß Art 140 Abs 1 B-VG zustellen, ist daher nicht näherzutreten.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus dem Akt.

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