OGH 8ObS187/00h

OGH8ObS187/00h15.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Hugo Jandl und Dr. Helmut Szongott als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Heidelinde S*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen für Steiermark, 8020 Graz, Babenbergerstraße 35, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 127.487,28 netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2000, GZ 7 Rs 253/99a-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. Juli 1999, GZ 23 Cgs 123/99x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Ehemann der Beklagten betrieb als organisatorische Einheit eine Tabaktrafik und ein Elektrogeschäft. Die Klägerin war dort seit 1976 als Verkäuferin angestellt. Der Ehemann der Klägerin verstarb am 13. 1. 1998. Mit Wirksamkeit vom 21. 1. 1998 bestellte die Monopolverwaltung die Klägerin vorläufig zur Trafikantin. In der Folge erhielt die Klägerin einen definitiven Vertrag und führt seither selbständig die Tabaktrafik in den selben Räumlichkeiten wie bisher. Das Elektrogeschäft löste sie im Mai 1998 auf. Auf Grund Beschlusses des Abhandlungsgerichts war die Klägerin seit 6. 2. 1998 Verlassenschaftskuratorin. Der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Verlassenschaft wurde mit Beschluss vom 22. 6. 1998 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

Die Vorinstanzen haben diesen Sachverhalt rechtlich richtig dahin beurteilt, dass Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld infolge Verlustes der Arbeitnehmereigenschaft und in Anbetracht der Haftungsbestimmung des § 6 Abs 1 AVRAG nicht besteht, weshalb es gemäß § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der §§ 3 und 6 AVRAG nicht verneint, sondern dargestellt, dass ein Betriebsübergang gemäß § 3 Abs 1 AVRAG mit der Folge des Eintritts der Solidarhaftung von Veräußerer und Erwerber gemäß § 6 Abs 1 AVRAG vorliegt. Dem ist zuzustimmen, bedarf es doch für den Betriebsübergang weder einer vertraglichen Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber, noch überhaupt eines auf Betriebsübergang gerichteten Willensaktes, weil es nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung ausreicht, dass der für die Geschicke des Betriebs Verantwortliche ("Inhaber") wechselt (9 ObA 153/98k; DRdA 2000, 528 ua). Die letztgenannte grundlegende Entscheidung hat auch klargestellt, dass der Erwerber auf Grund des Eintritts in das Arbeitsverhältnis gemäß § 3 Abs 1 AVRAG umfassend für die Altschulden haftet und die in § 6 Abs 1 AVRAG genannte Beschränkung des Haftungsumfangs nach § 1409 ABGB nur auf jene Schulden anzuwenden ist, die nicht gemäß § 3 Abs 1 AVRAG übergegangen sind. Für den Fall des Konkurses des Veräußerers wurde bereits wiederholt unter Hinweis auf die Ausschlussbestimmung des § 1 Abs 3 Z 5 IESG ausgesprochen, dass es dem Zweck des IESG widerspräche, Ansprüche zu sichern, deren Zahlung der Arbeitnehmer auch von einem Dritten, nämlich dem gemäß § 6 Abs 1 AVRAG solidarisch haftenden Übernehmer, erlangen könnte (DRdA 1998, 245; 8 ObS 91/00s; DRdA 2000, 534 ua). Diese Beurteilung muss - schon zur Vermeidung grober Wertungswidersprüche - auch im Falle, dass der bislang einzige Arbeitnehmer selbst der Übernehmer ist, gelten, weil in diesem Fall Schuldner- und Gläubigerstellung vereinigt werden, was gemäß § 1445 ABGB zum Erlöschen der Schuld führt. Insoweit geht der Hinweis auf die - die Sicherung nach dem IESG bejahende - Rechtsprechung zur "stehengelassenen" Abfertigung des zum Organmitglied berufenen Angestellten (9 ObS 6/89; ArbSlg 11.820 ua) fehl, weil es dort nicht zum Zusammenfallen von Recht und Verbindlichkeit kommt.

Der von der Revisionswerberin vermissten Feststellungen zur Austrittserklärung der Klägerin vom 15. 5. 1998 bedarf es nicht, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits zur Verlassenschaftskuratorin bestellt und somit nicht mehr Arbeitnehmerin im Sinne des § 1 Abs 1 IESG war (DRdA 1999, 494).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeitserwägungen wurden weder vorgebracht noch sind sie im Verfahren sonst hervorgekommen.

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