Spruch:
Das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs, GZ 9 U 69/00s-8, verletzt insoweit, als Irmgard R***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Tatzeitraum ab 20. April bis 14. Juni 2000 schuldig erkannt und (auch) deshalb zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 267, 447 StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruches (jedoch nicht im Ausspruch über die Strafe) aufgehoben.
Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten wegen des Ausspruches über die Schuld (zum verbleibenden Schuldspruch) und die Strafe wird der Akt dem Landesgericht Innsbruck zugeleitet.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
In der Strafsache AZ 9 U 69/00s des Bezirksgerichtes Telfs legte die Staatsanwaltschaft Innsbruck mit Bestrafungsantrag vom 20. April 2000 (ON 4) Irmgard R***** als Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zur Last, im Zeitraum von April 1999 bis dato ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihren minderjährigen Töchtern Jasmin R***** und Natalie R***** gröblich verletzt zu haben.
In der Hauptverhandlung vom 15. Juni 2000 beantragte die Bezirksanwältin im Anschluss an die Beweisaufnahme Schuldspruch und angemessene Bestrafung, wobei sie ausdrücklich erklärte, den Strafantrag (richtig: Bestrafungsantrag) nicht auszudehnen (S 51). Dennoch wurde die Beschuldigte mit Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 15. Juni 2000, GZ 9 U 69/00s-8, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Zeitraum bis 14. Juni 2000 schuldig erkannt und hiefür zu einer zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Gegen dieses Urteil meldete die Angeklagte "volle Berufung" an (S 51) und führte in der Folge Berufung nur wegen Schuld und Strafe aus (ON 9). Eine Rechtsmittelentscheidung ist bisher nicht ergangen.
Wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt steht dieses Urteil in Ansehung jenes Teiles des Urteilsspruches, der Tathandlungen seit dem 20. April 2000 (das ist der Tag der Verfassung des Bestrafungsantrages) umfasst, mit dem Gesetz nicht in Einklang, weil insoweit keine Anklage vorlag. Denn der Bestrafungsantrag erfasste schon nach seiner Formulierung ("bis dato") nur die bis zu seiner Abfassung verübten Taten; künftige Deliktsakte konnten gar nicht Gegenstand der Anklage sein (Mayerhofer StPO4 § 262 E 38; 13 Os 37/98, 13 Os 137/99). Eine Erweiterung des Bestrafungsantrages auf spätere Deliktshandlungen ist nach der Aktenlage nicht erfolgt; die Bezirksanwältin hat vielmehr in ihrem Schlussantrag erklärt, den Bestrafungsantrag nicht auszudehnen (S 51).
Der Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch für die Zeit vom 20. April 2000 bis zum 14. Juni 2000 erfasst somit Tathandlungen, auf welche die Anklage weder ursprünglich gerichtet war noch während der Hauptverhandlung ausgedehnt wurde, weshalb er gegen die Bestimmung des § 267 (iVm § 447) StPO verstößt, in welcher der Anklagegrundsatz (Art 90 Abs 2 B-VG, § 2 Abs 1 StPO) seine konkrete Ausformung erhalten hat.
Da die Angeklagte die Urteilsnichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 8 StPO bewirkende Anklageüberschreitung (bei § 198 StGB handelt es sich um ein Dauerdelikt, vgl EvBl 2000/134, 13 Os 92/00) in der Berufung nicht geltend gemacht hat, war die Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO - ohne gesonderten Freispruch - durch Aufhebung des die Anklage überschreitenden Teiles des Schuldspruches zu beseitigen (EvBl 1998/163, 13 Os 137/99).
Über die (damit noch unerledigte) Berufung wird das Landesgericht Innsbruck zu entscheiden haben. Dem Berufungsgericht wird es hiebei möglich sein, der durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu schaffenden prozessualen Situation, nämlich, dass der (mit Berufung angefochtene) Strafausspruch nicht (mehr) zur Gänze auf dem Schuldspruch des Erstgerichtes beruht, im Rahmen seiner (noch zu fällenden) Entscheidung Rechnung zu tragen (vgl nochmals 13 Os 37/98 und 13 Os 137/99). Eine Aufhebung auch des Strafausspruches ist daher nicht erforderlich.
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