OGH 13Os120/00

OGH13Os120/0031.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2001 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach §§ 206 Abs 1 und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 5. Juli 2000, GZ 9 Vr 156/00-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Tobler jun. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, der Schuldspruch wegen der unter Punkt 1) zusammengefassten Taten - demnach auch der Strafausspruch - aufgehoben und

a) unter Zugrundelegung der festgestellten Tatsachen, soweit es sich um das Eindringen mit dem Finger in die Scheide des Mädchens und um Oralverkehr handelt, gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Günther H***** hat hiedurch das Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 aF begangen.

b) die Sache hinsichtlich der übrigen Taten laut Punkt 1 ("er mit seinem Penis zwischen ihren Beinen an ihrer Scheide rieb") zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit dem Vorbringen aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO und seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Günther H***** wurde des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB

(3) und der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB (4) schuldig erkannt.

Danach hat er in Nickelsdorf

zu 1) von 1991 bis Februar 1997 auch in Wien und Ungarn mit einer unmündigen Person, und zwar seiner am 28. Juni 1983 geborenen Nichte Christine Maria H***** den Beischlaf und diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen in vielfachen Angriffen unternommen, indem er mit seinem Penis zwischen ihren Beinen an ihrer Scheide rieb, mit seinem Finger in ihre Scheide eindrang und sich von ihr oral befriedigen ließ;

zu 2) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an nachgenannten Personen vorgenommen bzw von diesen an sich vornehmen lassen, und zwar

a) zwischen 1991 und Februar 1997 auch in Wien und Ungarn, indem er seine am 28. Juni 1983 geborene Nichte Christine Maria H***** an den Brüsten betastete, mit einem Massagegerät zwischen den Beinen massierte und sich von ihr manuell befriedigen ließ;

b) im Sommer 1995, indem er die am 22. April 1982 geborene Bettina S***** an der Brust betastete und sich über der Kleidung von hinten an ihr rieb;

zu 3) unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person seine ihm von ihren Erziehungsberechtigten anvertraute minderjährige Nichte Christine Maria H***** teilweise durch die zu Punkt 1 und 2 geschilderten Handlungen zur Unzucht missbraucht;

zu 4) zwischen 1993 und Februar 1997 Handlungen, die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person, und zwar seiner oben genannten Nichte, vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er ihr wiederholt Pornofilme vorspielte (dazu näher US 5, 7).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Zutreffend bemängelt die Subsumtionsrüge (Z 10), dass dem Angeklagten laut Punkt 1 des Schuldspruches auch angelastet wurde, er habe mit seiner unmündigen Nichte den Beischlaf unternommen, indem er mit seinem Penis zwischen ihren Beinen an ihrer Scheide rieb, obwohl im Urteil ein auf Beischlaf gerichteter Vorsatz nicht konstatiert wurde. Beischlaf nämlich ist das (wenn auch nur unvollständige) Eindringen des männlichen Gliedes in die Scheide. Unternehmen des Beischlafs im Sinn des § 206 Abs 1 StGB (vor wie nach dem StRÄG 1998) ist nur bei einem auf Beischlaf gerichteten Vorsatz gegeben (12 Os 14/91, 15 Os 73/95). Die demnach zur inneren Tatseite ungenügenden Urteilsannahmen lassen eine abschließende Beurteilung des in Rede stehenden Verhaltens nicht zu, was die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der als Unternehmen des Beischlafs angelasteten Handlungen unter § 206 Abs 1 StGB sowie des Strafausspruchs und in diesem Umfang die Anordnung der Verfahrenserneuerung erforderlich macht.

Im Recht ist die Beschwerde auch mit dem Einwand, dass das festgestellte Eindringen in die Scheide des Mädchens mit dem Finger und der konstatierte Oralverkehr nach Lage des Falles nicht dem § 206 Abs 1 StGB idF seit dem StRÄG 1998 unterstellt werden können, weil die Tathandlungen von 1991 bis Februar 1997 stattfanden und zu dieser Zeit der milderen Strafbestimmung des § 207 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 1998 unterlagen. Beischlafsähnliche geschlechtliche Handlungen an Unmündigen vor dem Inkrafttreten des StRÄG 1998 mit 1. Oktober 1998 sind unter § 207 Abs 1 StGB in der Fassung vor dieser Novelle zu subsumieren (§§ 1, 61 StGB).

Im Folgenden ist die Nichtigkeitsbeschwerde (Z 5 und 5a) jedoch unbegründet.

Die zum äußeren Tatgeschehen laut Punkt 1 des Schuldspruchs eingewendeten Begründungsmängel (Z 5) und Bedenken (Z 5a) sind nicht gegeben. Ohne Widerspruch hat das Erstgericht zum Ausdruck gebracht, dass der Angeklagte den erigierten Penis zwischen den Beinen des Mädchens an der Scheide rieb (US 2, 7 f, 10), und dazu in formal einwandfreier Beweiswürdigung die Angaben der Zeugin vor der Gendarmerie und der Untersuchungsrichterin erörtert (US 11).

Der Vorwurf einer Aktenwidrigkeit des Urteils beruht ersichtlich auf einer Fehlauffassung des Beschwerdeführers, weil eine solche nur vorliegt, wenn als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angegeben wird, das deren Inhalt nicht bildet. Ein solcher Mangel wird aber der Sache nach gar nicht behauptet.

Inwiefern es, wie die Beschwerde meint, einen Widerspruch darstellt, dass die Zeugin nicht zu allen Vorfällen genauere Angaben über Tatzeitpunkte und Tatorte machte, ist nicht zu ersehen. Über die geschehene Erörterung (US 11 f) hinaus musste sich das Erstgericht daher mit diesem Umstand nicht noch eingehender befassen.

Das Vorbringen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen Matthias S***** (US 14 f) nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung stellt einen in der Prozessordnung hier nicht vorgesehenen und daher unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes dar.

Keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5a) ruft die Beschwerde mit dem Hinweis hervor, dass Isabella S***** bei einer Befragung durch Gendarmeriebeamte verneinte, einem sexuellen Angriff des Angeklagten ausgesetzt gewesen zu sein, Christine Maria H***** aber von einer entsprechenden Äußerung der Genannten berichtet hatte (S 41, 63), handelt es sich doch dabei um keine das Tatgeschehen betreffende Angaben. Zudem wurde von Isabella S***** selbst ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Verwechslung hingewiesen (S 63).

Mit spekulativen Betrachtungen über die Zeitspanne zwischen dem Bekanntwerden von Verdachtsmomenten bei der Mutter des Tatopfers und der Anzeigeerstattung übt der Angeklagte einmal mehr in unzulässiger Weise Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichtes (vgl US 12), ohne aus den Akten erhebliche Bedenken an entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil zu Punkt 1, teils (nämlich hinsichtlich des Eindringens mit dem Finger in die Scheide und der Vornahme des Oralverkehrs) unter gleichzeitiger sofortiger Neubeurteilung nach § 207 Abs 1 StGB idF vor dem StRÄG 1998, teils hinsichtlich der weiteren zu 1) beschriebenen Handlungen aufzuheben und im letztgenannten Umfang Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Dies gilt auch hinsichtlich des Strafausspruches.

Die weiteren Entscheidungen sind eine Konsequenz der (teilweisen) Kassierung des Schuldspruchs.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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