OGH 6Ob302/00f

OGH6Ob302/00f17.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck und Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der klagenden Partei 1. Emma B*****, und 2. Manuela V*****, beide vertreten durch Dr. Peter Lösch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Heinz K*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über den Revisionsrekurs der Nebenintervenientinnen gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juli 2000, GZ 38 R 155/00g-27, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 7. Juni 1999, GZ 6 C 2173/98b-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Nebenintervenientinnen haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin stützt ihre Aufkündigung auf § 30 Abs 2 Z 3 MRG. Der Beklagte verleide den übrigen Mietparteien das Zusammenleben durch rücksichtsloses, anstößiges und grob ungehöriges Verhalten. Zwei Mietparteien erklärten ihren Beitritt als Nebenintervenienten auf Seiten der kündigenden Partei. Das Verhalten des Beklagten beeinträchtige ihre Wohnqualität, sie hätten ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Klägerin, weil diese in Erfüllung ihrer Verpflichtung, den Nebenintervenientinnen die ungestörte Benutzung des Bestandgegenstandes zu verschaffen, gekündigt habe. Sollte die Aufkündigung aufgehoben werden, seien die Nebenintervenientinnen zur Mietzinsminderung berechtigt.

Das Erstgericht ließ die Nebenintervenientinnen aus der Überlegung zu, der Kündigungsstreit berühre ihre Rechtssphäre mittelbar. In der Hauptsache hob das Erstgericht die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Räumungsbegehren ab.

Der Beklagte bekämpfte daraufhin die Zulassung der Nebenintervenientinnen, während die Klägerin Berufung gegen die Aufhebung der Aufkündigung erhob.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Mit Beschluss vom selben Tag wies es den Beitritt der Nebenintervenientinnen zurück. Der Ausgang des Kündigungsverfahrens berühre ihre Rechtsstellung gegenüber der Klägerin nicht. Die Klägerin habe in Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten ohnehin bereits die Aufkündigung eingebracht, ein allfälliges rechtliches Interesse der Nebenintervenientinnen am Tätigwerden der Vermieterin sei nicht mehr vorhanden. Die angekündigten Ansprüche auf Mietzinsminderung begründeten lediglich ein wirtschaftliches Interesse, das nicht zur Intervention berechtige. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, ob einem Mieter rechtliches Interesse an der Aufkündigung eines anderen Mieters aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 1 Z 3 zweiter Fall MRG zukomme.

Die Zustellung beider Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz erfolgte am selben Tag. Die Nebenintervenientinnen bekämpfen lediglich den Zurückweisungsbeschluss, während die Bestätigung der Aufhebung der Aufkündigung und der Abweisung des Räumungsbegehrens unbekämpft blieb und in Rechtskraft erwachsen ist.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Zurückweisung der Nebenintervention gerichtete Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, somit ein Anfechtungsinteresse voraus, das auch noch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen muss, weil es nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen ist, rein theoretische Fragen zu entscheiden (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 9 vor § 461 mwN). Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung in der Hauptsache (Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens) rechtskräftig geworden, womit die Zulassung (oder Nichtzulassung) der Nebenintervenientinnen keinerlei Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung mehr entfalten kann. Es fehlt ihnen somit an einem Anfechtungsinteresse, der Wegfall der Beschwer führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Kostenentscheidungen der Gerichte zweiter Instanz kann auch das Interesse an der Beseitigung eines Kostenausspruches nicht die für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erforderliche Beschwer begründen (Kodek aaO mwN).

Gemäß § 50 Abs 2 ZPO ist der Wegfall des Rechtsschutzinteresses (der Beschwer) bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu berücksichtigen. Demnach ist für die Kostenentscheidung der Erfolg des Rechtsmittels hypothetisch nachzuvollziehen, der Rechtsmittelwerber erhält damit jene Kosten zugesprochen, die er ohne Wegfall der Beschwer erhalten hätte (Fucik in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 50). Dies gilt auch für die Kosten eines Zwischenstreites über den Beitritt als Nebenintervenient (vgl SZ 53/168).

Die vom Rekursgericht verneinte Frage, ob dem "belästigten" Mieter

ein rechtliches Interesse an der Verfolgung des Kündigungsanspruches

des Hauseigentümers nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG gegen den

"Belästiger" zukommt, insbesondere ob die Entscheidung im

Kündigungsstreit im Hinblick auf mögliche Ansprüche des Belästigten

nach § 1096 ABGB seine Rechtssphäre berührt (bejahend LGZ Wien

MietSlg 15.611; ZBl 1937/231), braucht im vorliegenden Fall dennoch

nicht abschließend beurteilt zu werden. Abs 2 des § 50 ZPO wurde im

Rahmen der EO-Novelle 1991 (BGBl Nr 628/1991) eingefügt. Den

Materialien ist zu entnehmen, dass der Justizausschuss einen

Kostenzuspruch entgegen früherer Rechtsprechung auch in Fällen des

nachträglichen Wegfalls der Beschwer ermöglichen wollte. Die im

Bericht des Justizausschusses zitierten gegenteiligen früheren

Entscheidungen (261 BlgNR 18. GP 7) betrafen aber Fälle, in denen der

Kostenersatzberechtigte den Wegfall der Beschwer nicht zu vertreten

hatte. In SZ 61/6 war die Beschwer des Klägers weggefallen, weil der

Beklagte begrifflich nicht mehr gegen das zeitlich befristete

Unterlassungsgebot verstoßen konnte. Die Entscheidung 3 Ob 1001 -

1007/91 betraf Fälle, in denen die Beschwer zur Bekämpfung von

Beugestrafen wegen des Verstoßes gegen die Exekutionsbewilligung

durch nachträgliche Aufhebung des Exekutionsbewilligungsbeschlusses

und Abweisung des Exekutionsantrages weggefallen war. Aus diesen

Zitaten wird deutlich, dass der Gesetzgeber nur jene Fälle im Auge

hatte, in denen die Beschwer aus von Kostenersatzberechtigten nicht

zu vertretenden Gründen weggefallen ist. Diese Voraussetzung ist hier

nicht gegeben. Im vorliegenden Fall haben die Nebenintervenientinnen

den Wegfall der Beschwer selbst zu verantworten, haben sie es doch

unterlassen, die Entscheidung des Berufungsgerichtes anzufechten,

wodurch die Aufhebung der Aufkündigung und die Abweisung des

Räumungsbegehrens rechtskräftig wurden. Ähnlich argumentiert Swoboda

(AnwBl 1995, 537), der meint, bei sinnhafter Auslegung des § 50 Abs 2

ZPO gebührten einem Rechtsmittelwerber keine Kosten, der schon bei

Einbringung des Rechtsmittels den späteren Wegfall der Beschwer

voraussieht. Die Nebenintervenientinnen können daher keinen Ersatz

der Kosten ihres Revisionsrekurses beanspruchen. Kosten des

Verfahrens erster und zweiter Instanz stehen ihnen schon deshalb

nicht zu, weil die Hauptpartei, an deren Seite sie in den Prozess

eingetreten sind, mit ihrem Anspruch unterlegen ist. Davon abgesehen

ist über die Kosten der Unterinstanzen vom Obersten Gerichtshof auch

nach § 50 Abs 2 ZPO nicht zu entscheiden (stRspr seit 4 Ob 1024/92 =

ecolex 1992, 771 = JBl 1993, 255 = AnwBl 1993, 623; RIS-Justiz

RS0036102).

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