OGH 15Os122/00

OGH15Os122/0011.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schmidt als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mile S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 30. März 2000, GZ 15 Vr 1088/99-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mile S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (I.) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Juni 1999 in Gänserndorf Anita H*****

I. dadurch, dass er sie von hinten an den Oberarmen packte, zu Boden stieß, sich auf sie legte und sie niederdrückte, ihr einen Schlag in das Gesicht versetzte, ihr Jeans, Boxer-Shorts und Unterhose hinunterzog und ihr gewaltsam einen Finger in die Scheide einführte, mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt;

II. dadurch, dass er der flüchtenden Anita H***** nachrief: "Nichts sagen, sonst tot", diese durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) bemängelt zu I. die Abweisung mehrerer Beweisanträge. Soweit sie sich ausdrücklich auf jenen vom 20. Jänner 2000 auf Durchführung eines Lokalaugenscheins bezieht (und nicht auf den - mit dem bloßen Vorbringen, es bleibe "der bisher gestellte Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins aufrecht" (S 23/II), nicht prozessordnungsgemäß gestellten [zu den Voraussetzungen hiefür siehe Mayerhofer StPO4 E 19] - Beweisantrag vom 30. März 2000), vernachlässigt sie, dass im Fall der Neudurchführung der Hauptverhandlung nach § 276a StPO (hier: am 30. März 2000) in einer früheren Verhandlung gestellte Anträge nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde sein können (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 31).

Im Ergebnis zutreffend durfte das Schöffengericht den Beweisantrag auf Einholung eines Gutachtens "betreffend die Haare des Angeklagten zum Beweis dafür, dass sie zum Tatzeitpunkt nicht grau-meliert, das heisst gefärbt, sondern bereits graubraun waren" abweisen, zumal im Antrag nicht dargetan wurde, aus welchen Gründen das nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung sein solle. Schließlich hat das Erstgericht seine Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten in erster Linie auf das DNA-Gutachten hinsichtlich des am Tatort gefundenen Zigarettenrests und jenes über die Faserspuren von der Hose des Angeklagten an der Kleidung des Opfers gestützt, während die Zeugin Anita H***** den Angeklagten nicht mit völliger Sicherheit identifizieren konnte (S 133). Demgemäß ist auch aus den Verfahrensergebnissen nicht ersichtlich, inwieweit der Haarfarbe des Täters Bedeutung zukommen solle.

Schließlich verfiel auch der Antrag auf "Einholung einer Verkaufsstatistik der Handelskammer betreffend blaue Latzhosen" zu Recht der Ablehnung. Zum einen wurde für diesen Antrag überhaupt kein Beweisthema genannt, zum anderen ging das Erstgericht ohnehin - im Sinn der Antragsintention - davon aus, dass Hosen, wie sie beim Angeklagten sichergestellt wurden, in großer Menge verkauft würden (US 13).

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet zu I. Aktenwidrigkeit dahingehend, dass die Aussage der Zeugin Anita H***** bei der "Ersteinvernahme" (gemeint: ersten Vernehmung am 13. Juni 1999) in den Entscheidungsgründen des Urteils (US 8) falsch dargestellt worden sei, vernachlässigt aber, dass das Tatopfer bei seiner zweiten sicherheitsbehördlichen Vernehmung am 14. Juni 1999 die zitierte Aussage abgelegt hat (S 49/I). Ein im Sinn der Z 5 erheblicher Widerspruch liegt daher nicht vor.

Mit der Behauptung der Aktenwidrigkeit von Urteilsfeststellungen verkennt die Beschwerde das Wesen dieses Nichtigkeitsgrundes. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird, nicht aber, wenn behauptet wird, dass zwischen den vom Gericht vorgenommenen Feststellungen von Tatsachen und dem diesen Feststellungen zugrunde gelegten Beweismaterial ein Widerspruch bestehe (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 185, 191).

Mit ihren weiteren Ausführungen zu den Tätowierungen, zur Haarfarbe und dem gesamten Aussehen des Angeklagten wie auch zum Tatzeitpunkt, zum Wetter am Tatort und zum Zustand der sichergestellten Zigarettenreste beschränkt sich die Mängelrüge aber auf eine - im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige - Kritik an der Beweiswürdigung nach Art einer hier gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung, ohne eine Aktenwidrigkeit oder einen Begründungsmängel aufzeigen zu können.

Zu II. behauptet die Beschwerde (Z 5) eine unzureichende Begründung der subjektiven Tatseite, ohne aber überhaupt darzutun, von welchen anderen als den festgestellten und denkmöglich begründeten Intentionen die konstatierte Drohung des Angeklagten nach der Vergewaltigung getragen gewesen sein solle und welche Verfahrensergebnisse hiefür vorlägen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit ihren Ausführungen zu den Lichtverhältnissen zur Tatzeit, zur sicherheitsbehördlichen Überprüfung anderer Verdächtiger, zur Form der Gegenüberstellung der Zeugin Anita H***** mit dem Angeklagten, zur Zuordnung des am Tatort gefunden Zigarettenrests sowie zu Aussageverhalten und -inhalten des genannten Tatopfers keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu erzeugen. Mit der Vorlage eines Gutachtens der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik verstößt die Beschwerde gegen das auch im Rahmen der Tatsachenrüge geltende Neuerungsverbot (Mayerhofer aaO § 281 E 20d).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie mit der Behauptung, es sei nur ein kurzes Einführen des Fingers in die Scheide des Mädchens (siehe dazu Mayerhofer StGB5 § 201 E 17b; 11 Os 99/00) gegeben gewesen, nicht von den - unmissverständlich nicht ein bloß kurzzeitiges oder unvollständiges Eindringen annehmenden - Feststellungen des Erstgerichts (US 6) ausgeht. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf die Aussagen des Tatopfers Bezug nimmt, kritisiert sie wiederum nur - im Rahmen eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unzulässig - die erstrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht der Prozessordnung entsprechend ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Stichworte