OGH 8Ob277/00v

OGH8Ob277/00v21.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****GesmbH*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Wolfgang Klobassa, Rechtsanwalt, 8570 Voitsberg, Conrad v. Hötzendorfstraße 15, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der W*****-GesmbH i.L., wegen S 197.368,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23. April 1999, GZ 2 R 17/99h-21, womit der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 2. November 1998, GZ 16 Cg 167/97g-17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des rechtskräftigen Zuspruchs von S 9.868,-- sA zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 197.368,-- samt 5 % Zinsen seit 11. 1. 1997 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 53.642,-- (darin S 6.890,-- Barauslagen und S 7.792,-- USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 24.349,-- (darin S 10.600,-- Barauslagen und S 2.291,50 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 23.150,-- (darin S 13.250,-- Barauslagen und S 1.650,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hielt treuhändig einen Geschäftsanteil an einer GesmbH, den sie am 1. 12. 1993 an den einzigen weiteren Gesellschafter und Geschäftsführer übertrug, der dadurch Alleingesellschafter wurde. Die auf diesen Geschäftsanteil entfallende Stammeinlage war nur zur Hälfte in der Höhe von S 187.500 eingezahlt.

Am 5. 7. 1996 wurde sowohl über das Vermögen der GesmbH als auch jenes des Alleingesellschafters und Geschäftsführers der Konkurs eröffnet. Der Beklagte wurde in beiden Verfahren zum Masseverwalter bestellt. Er forderte mit Schreiben vom 16. 7. 1997 von der Klägerin die Einzahlung von S 187.500 als auf den übertragenen Geschäftsanteil entfallende restliche Stammeinlage sowie den quotenmäßigen Ausfall der Stammeinlage des ursprünglich vom späteren Alleingesellschafters gehaltenen Geschäftsanteils in Höhe von S 9.868 und teilte dazu mit, dass von dem nunmehrigen Alleingesellschafter und Geschäftsführer auf Grund dessen eigener Insolvenz die Einzahlung der fälligen Stammeinlagen nicht zu erlangen sei. Nach den Bestimmungen des GmbHG habe die Klägerin als Vormann des Gesellschafters, von dem die Zahlung nicht zu erlangen sei, die aushaftende fällige Stammeinlage zu begleichen.

Über Auftrag ihrer Treugeberin zahlte die Klägerin den vom Beklagten geforderten Betrag.

Mit ihrer am 1. 7. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Rückzahlung der geleisteten S 197.368 sA, weil die Leistung irrtümlich in dem Glauben erfolgt sei, als Vormann zu haften. Dies sei aber tatsächlich nicht der Fall gewesen, da der Beklagte kein Kaduzierungsverfahren im Sinn des § 66 GmbHG durchgeführt habe und es somit an der Voraussetzung für die Haftung der Klägerin nach § 67 GmbHG mangle. Im Hinblick auf diesen vom Beklagten verursachten Irrtum verweigere auch die Treugeberin der Klägerin die Begleichung der Forderung.

Der Beklagte wendete ein, dass die Haftung der Klägerin gemäß § 67 GmbHG gegeben sei, weil es sich bei der insolventen GmbH um eine Einmanngesellschaft handle, bei der Gesellschafter und Geschäftsführer ident seien. Es komme daher auch nicht in Betracht, dass der Geschäftsführer sich selbst als Gesellschafter einen Brief schicke. Der Gläubigerschutz werde ohnedies vom Beklagten als Masseverwalter wahrgenommen. Entsprechend § 40 Abs 2 GmbHG sei die Versendungspflicht bei Einmanngesellschaften eingeschränkt. Vom Alleingesellschafter sei Zahlung nicht zu erreichen. Der Beklagte habe der Klägerin die Abtretung der Geschäftsanteile angeboten.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang dem Begehren auf Zahlung von S 9.868 sA, gestützt auf § 70 GmbH statt, wies jedoch das im Revisionsverfahren allein noch strittige Mehrbegehren von S 187.500 ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und folgerte rechtlich, dass dem Formzweck des § 66 GmbHG über die Kaduzierung sowohl hinsichtlich Beweis- als auch hinsichtlich Signalfunktion Rechnung getragen worden sei, weil er Beklagte als Masseverwalter im Konkurs des säumigen Gesellschafters der Klägerin ausdrücklich erklärt habe, dass der Gesellschafter nicht in der Lage sei, die offene Stammeinlage einzuzahlen. Auch habe er die Geschäftsanteile des ausgeschlossenen Gesellschafters gegen Zahlung des geschuldeten Betrags angeboten.

Das Berufungsgericht gab der nur gegen den abweislichen Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach gemäß § 508 ZPO aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich ging das Gericht zweiter Instanz davon aus, dass die Anwendung der Formvorschrift des § 66 GmbHG zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen würde, dass der sowohl im Konkursverfahren der GesmbH als auch des Alleingesellschafters zum Masseverwalter bestellte Beklagte sich selbst zwei eingeschriebene Briefe hätte schicken müssen. Aus § 18 Abs 5 GmbHG über Insichgeschäfte könne eine Dokumentationspflicht für den vorliegenden Fall nicht abgeleitet werden. Diese stelle auch kein Wirksamkeitserfordernis dar. Eine Doppelvertretung sei dann zulässig, wenn keine Interessenkollision drohe und der Abschlusswille so unzweifelhaft feststehe, dass er nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden könne. Die Interessengefährdung der GesmbH komme hier nicht in Betracht. Hinsichtlich des Gesellschafters sei von zumindest stillschweigender Zustimmung durch den Beklagten selbst auszugehen. Die Klägerin sei über die erfolgte Kaduzierung eindeutig informiert worden. Sie könne sich nicht auf Formalitäten berufen, die bloß der Wahrung der Interessen Dritter dienten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Gemäß § 66 GmbHG kann die Gesellschaft den mit der Einzahlung der Stammeinlage säumigen Gesellschaftern unter Bestimmung einer Nachfrist für die Einzahlung den Ausschluß aus der Gesellschaft mittels rekommandierten Schreibens androhen (Abs 1). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist sind die säumigen Gesellschafter durch die Geschäftsführer als ausgeschlossen zu erklären und hievon abermals mittels rekommandierten Schreibens zu benachrichtigen. Mit der Erklärung der Ausschließung ist der Verlust sämtlicher Rechte aus dem Geschäftsanteil, namentlich aller hierauf geleisteten Einzahlungen, verbunden (Abs 2). Gemäß § 67 Abs 1 GmbHG haften für den vom ausgeschlossenen Gesellschafter nicht bezahlten Betrag der Stammeinlagen samt Verzugszinsen alle seine Vormänner, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor Erlassung der Einzahlungsaufforderung als Gesellschafter im Firmenbuch verzeichnet waren.

Es entspricht einhelliger Lehre und Rechtsprechung in Österreich zu § 67 Abs 1 GmbHG (Koppensteiner, GmbHG Rz 2 zu § 67; Feil/Gellis, GmbHG3 Rz 1 zu § 67; Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbH-Recht, 596; SZ 52/37; EvBl 1998/123; EvBl 1999/107 ua), dass eine Haftung des Vormannes für eine nicht gezahlte Stammeinlage die wirksame Kaduzierung des Anteiles, auf den die rückständige Leistung entfällt, voraussetzt. Das Kaduzierungsverfahren ist auch dann zulässig, wenn die GmbH nur einen einzigen Gesellschafter hat (SZ 50/140; EvBl 1999/50; EvBl 1999/107).

Mit der Konkurseröffnung wird die Verpflichtung zur Einzahlung der bisher nicht voll einbezahlten Stammeinlage fällig. Auch ohne Gesellschafterbeschluss hat der Masseverwalter die Zahlung einzufordern (Reich-Rohrwig, Das österreichische GmbHG 591;

Kostner/Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5 Rz 641;

SZ 63/107; SZ 69/96 ua). Dass die Voraussetzung der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens, um die Haftung des Vormannes in Anspruch nehmen zu können, im Fall des Konkurses der Gesellschaft oder im Liquidationsstadium der Gesellschaft zu entfallen hätte, kann weder aus dem Gesetz abgeleitet noch mit Gläubigerschutzgedanken begründet werden (EvBl 1999/107; 2 Ob 111/00p). Gegenteiliges ist auch der Entscheidung SZ 69/96 nicht zu entnehmen, weil es dort nicht um die Geltendmachung des Anspruchs gegen den Vormann gemäß § 67 GmbHG ging, sondern um die Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter gemäß § 70 GmbHG. Nur für diesen Fall gilt der Rechtssatz, dass es im Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft mbH zum Wirksamwerden der Ausfallshaftung eines Gesellschafters zur Hereinbringung der Stammeinlage nach § 70 GmbHG keines Versuchs des Masseverwalters bedarf, den Geschäftsanteil des säumigen Gesellschafters im Kaduzierungsverfahren zu verwerten, sondern dass der vom Masseverwalter zu führende Nachweis, die nicht einbezahlte Stammeinlage sei beim zahlungspflichtigen Gesellschafter nicht einbringlich, ausreiche. Diese differenzierte Vorgangsweise hat ihre Grundlage in der unterschiedlichen gesetzlichen Formulierung, weil § 70 GmbHG im Unterschied zu § 67 GmbHG die Haftung nicht auf die unterbliebene Zahlung des "ausgeschlossenen Gesellschafters" stützt. Die letztgenannte Entscheidung bildet somit keinen Grund, von der gesicherten Rechtsprechung zum Vormännerregress abzugehen.

Das Erfordernis der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens besteht auch im Falle des Konkurses des Gesellschafters. Dann haben Aufforderung und Erklärung an dessen Masseverwalter zu ergehen (Hueck in Baumbach/Hueck, GmbHG16 Rz 7 zu § 21).

Warum das klar aus dem Gesetz ableitbare Erfordernis der Ausschließung des säumigen Gesellschafters gemäß § 66 GmbHG vor Inanspruchnahme der Haftung der Vormänner nur deshalb entfallen sollte, weil zufällig sowohl im Konkurs der Gesellschaft als auch jenem des Alleingesellschafters derselbe Masseverwalter bestellt ist, kann nicht ersehen werden. Vielmehr muss schon aus dieser besonderen Konstellation heraus für die Zuordnung des Geschäftsanteils ein klares Verfahren gefordert werden, weil der Masseverwalter in den beiden Konkursen durchaus unterschiedliche Interessen wahrzunehmen hat, sodass er wohl vorsichtshalber seine Vorgangsweise im Sinne des § 81 Abs 2 KO dem Konkursgericht anzuzeigen hätte (vgl Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, Rz 15 zu § 83 KO). Es wäre in diesem Zusammenhang auch zu prüfen, ob nicht zumindest für den Konkurs des Gesellschafters die Genehmigungserfordernisse der §§ 116 Z 4, 117 KO sinngemäß vorliegen.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Masseverwalter nicht über eigenes Vermögen Verfügungen trifft, sondern über jenes des Gemeinschuldners (vgl 8 Ob 40/89). Es muss hier nicht auf die einzelnen Theorien zur Rechtsstellung des Masseverwalters eingegangen werden (vgl die Übersicht in RZ 1997/17 und bei Hierzenberger/Riel aaO Rz 36 ff zu § 80 KO), weil jedenfalls Übereinstimmung darin besteht, dass er als gesetzlicher Vertreter agiert (nach der überwiegenden Rechtsprechung und Lehre als solcher des Gemeinschuldners: SZ 39/157; SZ 46/52; SZ 61/128; RZ 1997/17 ua; Hierzenberger/Riel aaO Rz 46 zu § 80 KO). Es kann daher schon aus diesem Grund das Einhalten des im § 66 GmbHG geforderten Prozedere nicht als sinnlose Formalität angesehen werden, weil der Wissensstand des Masseverwalters allein in den verschiedene Rechtspersönlichkeiten betreffenden Verfahren nicht die erforderliche Rechtssicherheit und Publizität gewährleistet.

In SZ 50/140 wurde der säumige Gesellschafter-Geschäftsführer verhalten, die Nachfristsetzung mit der Androhung des Ausschlusses auch an sich selbst zuzustellen. Koppensteiner (GmbHG2 Rz 12 zu § 66) bezeichnet die dort geäußerte Auffassung als zweifelhaft. Diesem Zweifel kann schon deshalb nicht beigetreten werden, weil § 18 Abs 5 GmbHG idF EU-GesRÄG, BGBl 304/1996, ausdrücklich anordnet, dass über Rechtsgeschäfte, die der einzige Gesellschafter sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Gesellschaft abschließt, unverzüglich eine Urkunde zu errichten sei. Dabei sei vorzusorgen, dass nachträgliche Änderungen des Inhalts und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen sind, die Bestellung eines Kurators sei nicht erforderlich. Mag auch das Kaduzierungsverfahren durch diese Gesetzesstelle nicht unmittelbar angesprochen sein, erhellt daraus doch deutlich, dass zur Vermeidung des Anscheins von Interessenskollisionen ein Mindestmaß an der Dokumentation der Rechtshandlungen dienenden Förmlichkeiten erforderlich ist (vgl SZ 71/27). Auch ist die zuletzt genannte Entscheidung schon deshalb sachgerecht, weil anderenfalls nicht erkennbar wäre, ob die Gesellschaft von dem ihrer Disposition unterliegenden Recht (arg.:

"kann" in § 66 Abs 1 GmbHG; vgl SZ 50/140; SZ 61/33) auf Durchführung des Kaduzierungsverfahrens überhaupt Gebrauch gemacht hat. Dies muss umso mehr für den Masseverwalter im Konkurs von Gesellschafter und Gesellschaft gelten, ist es doch zB denkbar, dass es nach Durchführung eines Zwangsausgleichs zur Fortsetzung der GmbH kommt (Reich-Rohrwig aaO 666 Fn 40; SZ 15/2; ZIK 1996, 459; 6 Ob 131/98b). Auch bei der hier gegebenen Fallgestaltung gilt der Satz, dass der Ausschluss eines säumigen Gesellschafters nicht ipso iure eintritt, sondern dass es nach fruchtlosem Verstreichen der Nachfrist einer Ausschlußerklärung bedarf. Diese ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Rechtswirkungen gegenüber dem säumigen Gesellschafter erst mit ihrem Zugang an diesen eintreten (GesRZ 1977, 101; ecolex 1997, 436).

Mangels rechtswirksamer Kaduzierung besteht daher das Klagebegehren, das der Höhe nach ebensowenig strittig ist wie hinsichtlich des Vorliegens der über die hier entschiedene Rechtsfrage hinaus gegebenen Voraussetzungen der Rückforderbarkeit, zu Recht. Der Revision ist Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen sind im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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