Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 811,84, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei begehrt die Zahlung von S 69.206,79 sA mit der Begründung, die Beklagte sei Gesellschafterin der T***** Handelsgesellschaft mbH gewesen, sie hafte gemäß § 67 Abs 1 GmbHG auch für die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft ausständigen Stammeinlagen, also auch für einen Betrag von S 225.000, wobei es sich um einen ausständigen Teilbetrag der Stammeinlage des Mitgesellschafters Gerhard B***** handle. Aufgrund der Exekutionen gegen die Gesellschaft und deren derzeitigen Alleingesellschafter stehe außer Zweifel, dass die Gesellschaft vermögenslos sei und außer dem Anspruch auf Leistung des nicht einbezahlten Stammkapitals nichts besitze. Eine Versteigerung des Anteils des Gerhard B***** an der Gesellschaft wäre von vornherein aussichtslos, weil sich kein Käufer finden würde, es würden nur weitere Kosten entstehen, die im Ergebnis die Beklagte aufgrund ihrer Ausfallshaftung zu tragen hätte.
Die Beklagte wendete ein, weder gemäß § 67 Abs 1 noch gemäß § 70 GmbHG zu haften, weil keine Kaduzierung erfolgt sei. Sie habe ihre Stammeinlage vollständig einbezahlt und ihren Anteil am 26. 5. 1997 an Gerhard B***** abgetreten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:
Die klagende Partei erwirkte am 31. 1. 1997 gegen die T***** Handelsgesellschaft mbH einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Zahlungsbefehl über S 53.284 sA. Gesellschafter dieser GmbH waren zu diesem Zeitpunkt Gerhard B***** mit einer übernommenen Stammeinlage von S 450.000, worauf S 225.000 geleistet waren sowie die Beklagte mit einer übernommenen und auch voll einbezahlten Stammeinlage von S 50.000.
Die klagende Partei leitete gegen die genannte GmbH eine Forderungsexekution ein und pfändete deren Forderung auf Einzahlung der Stammeinlage des Drittschuldners Gerhard B***** in der Höhe von S 225.000 bis zur Höhe der exekutiv betriebenen Forderung. Die Zustellung der Exekutionsbewilligung an die GmbH erfolgte am 21. 4. 1997, an den Drittschuldner am 17. 6. 1997. In der Drittschuldnererklärung erklärte sich Gerhard B***** nicht zahlungsbereit, weil eine Gegenforderung bestehe.
Daraufhin brachte die klagende Partei die Drittschuldnerklage gegen Gerhard B***** über S 63.003,07 ein, der Zahlungsbefehl vom 31. 7. 1997 erwuchs in Rechtskraft.
Aufgrund dieses Zahlungsbefehls beantragte die klagende Partei gegen Gerhard B***** die Exekution, doch konnte die Exekutionsbewilligung dem Verpflichteten nicht zugestellt werden.
Am 23. 7. 1998 brachte die klagende Partei gegen die T***** Handelsgesellschaft mbH einen Exekutionsantrag gerichtet auf Pfändung der Forderung auf Zahlung der offenen Stammeinlage der Beklagten als Drittschuldnerin ein. In diesem Antrag wurde vorgebracht, dass zwar die Drittschuldnerin (Beklagte) das von ihr übernommene Stammkapital voll einbezahlt habe. Hinsichtlich des zweiten Gesellschafters hafte aber ein Stammkapital im Betrag von S 225.000 unberichtigt aus. Bisher gegen den zweiten Gesellschafter gesetzte exekutive Schritte seien fruchtlos geblieben und sei gegenüber diesem die Forderung uneinbringlich. Die Drittschuldnerin (Beklagte) hafte gemäß § 70 GmbHG als Mitgesellschafterin subsidiär für die hinsichtlich des anderen Gesellschafters aushaftende Stammeinlage. Mit der Exekution werde von dieser subsidiären Haftung Gebrauch gemacht. Die Exekution wurde mit Beschluss vom 4. 8. 1998 bewilligt und der Drittschuldnerin die Exekutionsbewilligung am 18. 9. 1998 zugestellt. Sie gab in der Drittschuldnererklärung an, nicht zahlungsbereit zu sein, weil sie nicht mehr Gesellschafterin sei. Sie habe ihren Anteil am 26. 5. 1997 abgetreten. Die Haftung nach § 70 GmbHG bestehe nur für derzeitige Gesellschafter, die Voraussetzungen des § 70 Abs 1 GmbHG (insbesondere Verkauf des Geschäftsanteils) seien nicht gegeben.
Die Beklagte hat mit Notariatsakt vom 26. 5. 1997 das notarielle Anbot des Gerhard B***** auf Erwerb ihres Geschäftsanteiles an der genannten Gesellschaft um den Preis von S 1 vollinhaltlich angenommen.
Gerhard B***** stellte beim Firmenbuch den Antrag auf Löschung der Gesellschafterin Helga B***** (Beklagte) und Eintragung des Gesellschafters Gerhard B***** mit einer übernommenen Stammeinlage von nunmehr S 500.000. Die begehrte Eintragung wurde mit Beschluss vom 17. 6. 1997 bewilligt.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, Voraussetzung der Haftung eines Rechtsvorgängers sei der erfolgte Ausschluss des hinsichtlich der Einzahlung der Stammeinlage säumigen Gesellschafters. Ein solcher Ausschluss liege hier nicht vor.
Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.
Das Berufungsgericht verwies in rechtlicher Hinsicht auf die Entscheidung SZ 69/96, in der der Oberste Gerichtshof ausdrücklich nur die Frage offen gelassen habe, ob im Konkursfall ein formales Kaduzierungsverfahren entbehrlich sei; im Übrigen habe der OGH aber die herrschenden österreichischen und deutschen Lehrmeinungen zitiert, welche eine Kaduzierung als Voraussetzung des § 70 GmbHG bejahten. Auch Koppensteiner (KommzGmbHG**2 Rz 2 zu § 70) vertrete im Ergebnis die Ansicht, dass für die Haftung nach § 70 GmbHG eine vorherige Kaduzierung des Anteils Voraussetzung sei. Eine Ausnahme werde allerdings für den Fall zugelassen, dass sich die Einlageschuld eines Gesellschafters als Folge eines Ausgleichsverfahrens reduziere, weil im Ausgleich über das Vermögen des Gesellschafters einer GmbH ungeachtet des § 63 GmbHG der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der noch aushaftenden Stammeinlage von den Ausgleichswirkungen des § 53 Abs 1 AO erfasst sei. Für diesen Fall greife auch ohne Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens die Haftung der Mitgesellschafter Platz (SZ 63/107). Es sei zwar richtig, dass im Einzelfall mangels Verwertbarkeit des Geschäftsanteiles das Kaduzierungsverfahren ergebnislos bleiben könne und damit die Einhaltung der Formvorschriften - ex post betrachtet - nur weiteren finanziellen Aufwand und eine Zeitverzögerung mit sich brächte. Allerdings sei zu beachten, dass die Bestimmungen der §§ 66 ff GmbHG nicht nur dem Gläubigerschutz dienen sollten, sondern auch dem Schutz des betroffenen Gesellschafters, woraus sich auch das im Detail geregelte Verfahren ergebe. Der OGH habe wiederholt ausgesprochen, dass der Schutz des betroffenen Gesellschafters wegen der schwerwiegenden Rechtsfolgen eine strenge Auslegung des § 66 GmbHG
erfordere (RIS-Justiz RS0060025; GesRZ 1988, 168 = NZ 1989, 17 = RdW
1988, 197 = WBl 1988, 198). Auch knüpften sich an die Aufforderung
nach § 65 GmbHG insoferne Rechtsfolgen, als zu diesem Zeitpunkt die fünfjährige Frist des § 67 Abs 1 beginne und, nach überwiegender Lehrmeinung dies der maßgebliche Zeitpunkt dafür sei, welche Gesellschafter für den Ausfall auf die Einforderung der Stammeinlage gemäß § 70 GmbHG hafteten (Gellis/Feil, KommzGmbHG4, Rz 5 zu § 70; Koppensteiner, aaO, Rz 4 zu § 70). Auch aus der Entscheidung SZ 63/107 ließen sich keine für die klagende Partei günstigere Rechtsfolgen ableiten. In dieser Entscheidung habe der OGH dargelegt, dass die Rechtswirkungen des Ausgleichs alle Ausgleichsforderungen ohne Rücksicht darauf erfassten, ob sie im Ausgleichsverfahren angemeldet worden seien oder nicht. Für den Fall, dass eine Stammeinlage nicht hereingebracht werden könne, greife - auch ohne Durchführung des Kaduzierungsverfahrens - die Haftung der Mitgesellschafter Platz.
Weiters werde in der Lehre die Meinung vertreten, dass die übrigen Gesellschafter ohne Kaduzierung subsidiär dann hafteten, wenn ein Geschäftsanteil wegen ungültiger Übernahms- oder Beitrittserklärung des Gesellschafters - sei es anläßlich der Gesellschaftsgründung, sei es anläßlich der Kapitalerhöhung - ausgefallen sei (Reich-Rohrwig, Das österr GmbH-Recht 601), doch seien diese Voraussetzungen hier nicht gegeben.
Auch das Argument der klagenden Partei, die Kaduzierung des einzigen
Gesellschafters sei nicht möglich, finde in der Judikatur keine
Deckung. Vielmehr könne der Gläubiger einer GmbH mit dem
Alleingesellschafter auf die Forderung der Gesellschaft gegen die
(noch nicht existenten) "Mitgesellschafter" greifen. Diese Forderung
bilde ein Vermögensrecht der Gesellschaft auf Kaduzierung und
Verwertung des Geschäftsanteiles einer säumigen Gesellschaft auf das
nach §§ 331 ff EO Exekution geführt werden könne (EvBl 1999/107 =
ecolex 1999, 551 = RdW 1999, 345).
Zu der schon in der Berufung nicht mehr relevierten Haftung nach § 67 GmbHG führte das Rechtsmittelgericht aus, eine Haftung des Vormannes für eine nicht gezahlte Stammeinlage setze die wirksame Kaduzierung des Anteiles voraus.
Die Revision an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob für den Fall der offenkundigen Vermögenslosigkeit einer GmbH mit einem nicht greifbaren Alleingesellschafter zur wirksamen Geltendmachung der Haftung nach § 70 GmbHG ein Kaduzierungsverfahren Voraussetzung sei, nicht vorliege; weiters sie die Revision im Hinblick auf die offen gelassene Frage, ob (zumindest im Konkursfall) die Einhaltung der Formalvorschriften der §§ 66 ff GmbHG entbehrlich seien sowie im Hinblick auf die zweifelnden Ausführungen von Koppensteiner, zuzulassen.
Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der klagenden Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, dass die Haftung des Vormannes für die nicht eingezahlte Stammeinlage die vorherige Kaduzierung des Anteiles, auf den die rückständige Leistung entfalle, grundsätzlich voraussetze. Im gegenständlichen Fall handle es sich aber um eine Einmann-GmbH, die offenkundig vermögenslos und deren Alleingesellschafter ebenfalls offenkundig vermögenslos und überdies nicht greifbar sei, weil er sich nach Südafrika abgesetzt habe. Unter diesen besonderen Voraussetzungen sei die Notwendigkeit der Kaduzierung der Gesellschaftsanteile als Haftungsvoraussetzung des Vormannes für die nicht eingezahlte Stammeinlage entbehrlich. Bei den hier gegebenen Umständen sei die völlig sinnlose formale Belastung der Gläubiger mit einem von vornherein aussichtslosen Kaduzierungsverfahren vor Rückgriff auf die Beklagte entbehrlich und auch nicht im Sinne des Gesetzgebers, der den Gläubigerschutz absolut voranstelle. Es erscheine gesetzeskonform, den völlig zweck- und sinnlosen, für den Gläubiger geradezu schikanösen Formalakt zu ersparen. Die Rechtsprechung habe auch die Ausnahme vom Formerfordernis der vorigen Kaduzierung für den Fall zugelassen, dass ein Ausgleichsverfahren über das Vermögen der GmbH durchgeführt wurde. Warum diese vom OGH anerkannte Ausnahme nicht auch im Konkursfall oder bei den hier gegebenen besonderen Umständen gelten solle, sei nicht erkennbar. Auch Koppensteiner vertrete die Ansicht, es bedürfe keines Kaduzierungsverfahrens. Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertrete, die Bestimmungen der §§ 67 ff GmbHG dienten nicht nur dem Gläubigerschutz, sondern auch dem Schutz des betroffenen Gesellschafters, so sei dem entgegenzuhalten, dass gerade in dem hier verfahensgegenständlichen Fall dem nicht so sei. Die Beklagte sei keinesfalls schützenswert. Sie habe zu einem Zeitpunkt, als die GmbH bereits völlig vermögenslos und verschuldet gewesen sei, ihren Anteil an ihren Sohn abgetreten, der sich anschließend nach Südafrika abgesetzt habe, um den Gläubigerverfolgungen zu entgehen. Jedenfalls sei dem Gläubigerschutz der weitaus überwiegende Vorrang gegenüber dem Schutz des Gesellschafters, der für offenes Stammkapital hafte, einzuräumen.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu wurde erwogen:
Grundsätzlich kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden.
Was die in der Revision offenbar neuerlich aufgeworfene Frage der Haftung des Vormannes eines Gesellschafters einer GmbH betrifft (§ 67 GmbHG) hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung 4 Ob 341/98w (= EvBl 1999/107 = ecolex 1999, 551 = RdW 1999, 345) ausgeführt, es entspreche der einhelligen Lehre und Rechtsprechung in Österreich zu § 67 Abs 1 GmbHG sowie auch der deutschen Lehre zu § 22 dGmbHG, dass eine Haftung des Vormannes für eine nicht gezahlte Stammeinlage die wirksame Kaduzierung des Anteiles, auf den die rückständige Leistung entfalle, voraussetze. Dass diese Voraussetzung im Fall des Konkurses der Gesellschaft oder im Liquidationsstadium der Gesellschaft zu entfallen hätte, könne weder aus dem Gesetz abgeleitet, noch mit Gläubigerschutzgedanken begründet werden. Der erkennende Senat schließt sich dieser auf eine einhellige Lehre und Rechtsprechung gestützten Ansicht an. Überdies käme eine Haftung der Beklagten nach § 67 GmbHG schon deshalb nicht zum Tragen, weil sie den ihrem Sohn abgetretenen Stammanteil noch vor der Abtretung voll einbezahlt hat; im Rahmen des von Anfang an von ihrem Sohn übernommenen Anteils ist sie aber nicht Rechtvorgängerin.
Was die Frage der Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter gemäß § 70 GmbHG für die Einbringung rückständiger Stammeinlagen eines Mitgesellschafters betrifft, entspricht es aber ebenfalls der einhelligen Lehre in Österreich und Deutschland (s die Nachweise bei SZ 69/96), dass auch zu den Voraussetzungen der subsidiären Haftung nach § 70 GmbHG ganz allgemein die Kaduzierung des Geschäftsanteiles des säumigen Gesellschafters gehört. Auch Koppensteiner, aaO, Rz 2 zu § 70, vertritt im Ergebnis keine andere Ansicht. Richtig ist, dass in der Entscheidung SZ 63/107 unter Berufung auf Reich-Rohrwig, aaO, 601 ausgeführt wurde, dass der gerichtliche bestätigte Ausgleich des Gesellschafters einer GmbH dessen Verpflichtung zur Leistung der noch offenen Stammeinlage auf den der Ausgleichsquote entsprechenden Betrag reduziere. In einem solchen Fall, wenn also die Gesellschafter beim gerichtlichen Ausgleich eines Gesellschafters einen Ausfall erleide, greife auch ohne Durchführung des Kaduzierungsverfahrens die Haftung der Mitgesellschafter Platz. Es kommt also im Falle eines Ausgleichs eines Gesellschafters zu einer Haftung der Mitgesellschafter ohne Durchführung des Kaduzierungsverfahrens, weil die Gesellschaft bereits durch die gerichtliche Bestätigung des Ausgleiches einen Ausfall erleidet. Dies ist aber hier nicht der Fall.
Zutreffend haben daher die Vorinstanzen die Ansicht vertreten, im vorliegenden Fall sei die Durchführung eines Kaduzierungsverfahrens Voraussetzung der Haftung nach § 67 GmbHG und auch nach § 70 GmbHG, weshalb der Revision der klagenden Partei keine Folge zu geben war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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