OGH 3Ob27/99p

OGH3Ob27/99p20.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei C*****, vertreten durch Dr. Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei Hildegard K*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen 3,000.000,-- S sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Zentralverbandes*****, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. September 1998, GZ 46 R 665/97b-58, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 16. April 1997, GZ 13 E 2095/95x-28, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Einstellungsantrag des Revisionsrekurswerbers nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens über den Einstellungsantrag des Revisionsrekurswerbers.

Text

Begründung

Die betreibende Partei führt beim Erstericht gegen die verpflichtete Partei zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 3,000.000,-- S sA Fahrnisexekution "insbesondere auf ein in der Gewahrsame der Verpflichteten befindlichen Superädifikat (Einfamilienhaus)", welches die Verpflichtete ihr mit Pfandbestellungsurkunde vom 29.09.1988 zur Sicherstellung eines (einer GmbH gewährten) Darlehens zum Pfand bestellt habe. Das Verfahren befindet sich im Stadium nach der Schätzung des Bauwerkes.

Am 16.12.1996 stellte der Zentralverband ***** (folgend: Zentralverband) den Antrag, die seiner Auffassung nach abgeirrte Exekution nach § 39 Abs 1 Z 2 EO einzustellen. Das Erstgericht gab diesem Einstellungsantrag ohne Anhörung der Parteien statt. Infolge Rekurses der betreibenden Partei wies das Gericht zweiter Instanz den Antrag des Zentralverbandes, "infolge seiner Vollzugsbeschwerde nach § 68 EO die gegenständliche Exekution nach § 39 Abs 1 Z 2 EO einzustellen", ab, weil mit einer Vollzugsbeschwerde nach § 68 EO nur eine konkrete Vorgangsweise des Gerichtsvollziehers, nicht aber die eines Richters oder Rechtspflegers gerügt werden könne. Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Zentralverbandes wurde vom Obersten Gerichtshof für zulässig und berechtigt angesehen, dem Rekursgericht wurde mit Beschluss vom 17.12.1997 (3 Ob 225/97i = ON 50) die neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss erneut den Antrag des Zentralverbandes, "infolge seiner Vollzugsbeschwerde nach § 68 EO die gegenständliche Exekution nach § 39 Abs 1 Z 2 EO einzustellen", ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil einer der in § 528 Abs 1 ZPO aufgezählten Tatbestände nicht vorliege. Es sei zu prüfen, ob es sich bei dem Exekutionsobjekt um ein Superädifikat handle oder nicht. Grundeigentümer der Liegenschaft auf der sich ua die Kleingartenparzelle der Verpflichteten befinde, sei die Gemeinde Wien, die dieses Grundstück an den Zentralverband ("general"-)verpachtet habe. Dieser habe die Parzelle seinerseits weiter an die Verpflichtete (unter-)verpachtet. In diesem Unterpachtvertrag vom 18.03.1987 sei festgelegt worden:

Unter Punkt 6: "Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit, längstens jedoch für die Dauer des Bestandes des Hauptpachtvertrages geschlossen." Daraus ergebe sich eindeutig, dass der Unterpachtvertrag eine zeitliche Beschränkung aufweise. Unter Punkt 7: "Die Verpfändung einer auf der Kleingartenparzelle befindlichen Baulichkeit bedarf der Zustimmung des Verpächters." Die alleinige Verpfändung einer Baulichkeit auf einem Grundstück sei jedoch nur dann möglich, wenn sie als beweglich anzusehen sei, womit der Unterpachtvertrag nicht ausschließe, dass Superädifikate auf der verbauten Liegenschaft errichtet werden könnten. Unter Punkt 15: "Die Beendigung des Unterpachtverhältnisses aus anderen Gründen als aus der Beendigung des Hauptpachtvertrages verpflichtet den Unterpächter, die errichteten Baulichkeiten auf dem Grundstück zu belassen, und gewährt ihm einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen." Dies setze jedoch nicht voraus, dass bis zur Zahlung des Entschädigungsbetrages eine andere Person als der Verpächter Eigentümer des Gebäudes gewesen sei und hierdurch eine Eigentumsübertragung stattfinden solle. Es könne aber auch nicht unmittelbar darauf geschlossen werden, dass es nicht der Fall sei, womit nicht eindeutig ersichtlich sei, dass es sich nicht um ein Superädifikat handle.

Diese und auch die Regelung des § 16 Kleingartengesetz behandle nur die Entschädigung, die der Pächter nach Beendigung des Pachtvertrages beanspruchen könne. Daraus könne eine wie immer geartete Eigentumsvereinbarung nicht geschlossen werden, weil eine Entschädigung nicht nur für den Eigentumswechsel vereinbart werden könne. Somit könne auch nicht auf eine ständige oder fehlende Belassungsabsicht rückgeschlossen werden. Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich bei dem Gebäude um ein Superädifikat handle, sei die fehlende Absicht, das Gebäude auf dem Grund zu belassen. Hierbei komme es nicht auf die innere Absicht des Erbauers an, sondern auf das äußere Erscheinungsbild, das vornehmlich aus dem Zweck des Gebäudes erschlossen werden könne. Diese fehlende Belassungsabsicht sei insbesondere dann gegeben, wenn ein zeitlich beschränktes Grundbenützungsrecht zugrunde liege und somit auch der zeitlich begrenzte Zweck des Gebäudes dargetan werde. In der Regel liege dann ein unselbständiger Bestandteil eines Grundstückes vor, wenn das Gebäude in fester Bauweise errichtet werde, weiters, wenn dem Zweck zu dessen Verwirklichung der Bau errichtet worden sei, keine zeitlichen Grenzen entgegenstünden. Im vorliegenden Fall ergebe sich eindeutig, dass auf Grund des zugrunde liegenden Unterpachtvertrages dem Zweck des Gebäudes zeitliche Grenzen entgegenstünden und es sich somit um ein Superädifikat handle, wogegen auch die feste Bauweise des Gebäudes nicht spreche. Der Überbau sei somit als selbständige, der Verwertung zugängliche Sache zu beurteilen. Fest stehe, dass das Gebäude weder vom Grundeigentümer noch vom Verpächter der Liegenschaft erbaut worden sei, was auch nie behauptet worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass das Gebäude von der Verpflichteten errichtet worden sei, die somit originäres Eigentum an diesem Superädifikat erworben habe. Daraus ergebe sich aber, dass die Ausführungen des Zentralverbandes verfehlt seien, weshalb dem Einstellungsbegehren nach § 39 Abs 1 Z 2 EO nicht Folge zu geben gewesen sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Zentralverbandes ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und mit seinem Eventualaufhebungsantrag auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 39 Abs 2 EO kann eine Einstellung der Exekution in den Fällen des § 39 Abs 1 Z 1, 6 und 7 nur auf Antrag erfolgen, sonst auch von Amts wegen; der Einstellung von Amts wegen hat jedoch in den unter Z 2 und 3 angegebenen Fällen, sofern nicht schon eine rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit der Exekutionsführung vorliegt, eine Einvernehmung der Parteien vorauszugehen.

Nach § 45 Abs 3 EO sind, sofern nicht für einzelne Fälle etwas anderes angeordnet ist oder schon eine rechtskräftige Entscheidung über die Einstellung oder Einschränkung der Exekution vorliegt, die Parteien vor der Entscheidung über Anträge auf Einstellung oder Einschränkung der Exekution, die nicht vom betreibenden Gläubiger selbst gestellt werden, einzuvernehmen (§ 55 Abs 1 EO).

Ob und welche Personen vor Fassung des Einstellungsbeschlusses zu hören sind, wird somit im Gesetz an zwei verschiedenen Stellen geregelt. Erfolgt die Einstellung von Amts wegen, gilt § 39 Abs 2, erfolgt sie über Antrag, gilt § 45 Abs 3. Unabhängig von diesen Regelungen muss einer Partei aber immer dann wenigstens die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, wenn wesentliche Sachverhaltsfeststellungen zu ihren Lasten getroffen werden, und zwar unabhängig davon, ob ein förmliches Beweis- oder Bescheinigungsverfahren abgeführt wird oder ob die Feststellungen auf Grund der bereits bestehenden Aktenlage getroffen werden (Jakusch in Angst, EO § 39 Rz 78).

Die Vorinstanzen haben jedoch über den Einstellungsantrag ohne Einvernahme der Parteien entschieden. Aus diesem Grund liegt der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO vor (Jakusch in Angt, EO § 39 Rz 83, § 55 Rz 2 mwN). Daher waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und war das Verfahren von Amts wegen an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 78 EO, 52 ZPO.

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