OGH 7Ob207/00t

OGH7Ob207/00t14.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Gerhard H*****, vertreten durch Dr. Gerald Kopp ua, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei ***** International Aktiengesellschaft*****, ***** vertreten durch Eder-Kundmann- Knaus & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 200.000, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2000, GZ 3 R 57/00y-11, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Dezember 1999, GZ 14 Cg 75/99p-4, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

9.900 (darin enthalten S 1.650 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Sohn des Klägers war im Jahre 1993 als Eurocard-Karteninhaber Begünstigter aus einer bei der beklagten Versicherung abgeschlossenen Reiseunfallversiche- rung, die im Fall des Unfalltodes im Sinne des Art 6 der zugrunde gelegten AUVB 1988 eine Versicherungsleistung in Höhe von S 200.000 vorsah. Nach Art 6 Abs 1 der AUVB ist ein Unfall ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ereignis, das plötzlich von außen mechanisch oder chemisch auf einen Körper einwirkt und eine körperliche Schädigung oder den Tod nach sich zieht. Abs 2 dieser Bestimmung legt fest, dass unter anderem auch ein vom Willen des Versicherten unabhängiges Ertrinken als Unfall im Sinne dieser Bestimmung gilt. Hingegen sind nach Art 17 der AUVB 1988 unter anderem Unfälle ausgeschlossen, die der Versicherte infolge einer Bewusstseinsstörung erleidet.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 16. 3. 1999 zu 50 T 339/98s-7 wurde über Antrag des Klägers vom 16. 3. 1999 sein Sohn für tot erklärt und als Tag des vermuteten Todes der 26. 7. 1993 festgestellt. Dem liegt zugrunde, dass nach einem Bericht eines Privatdetektivs vom 14. 12. 1993 der Versicherte am 26. 7. 1993 versuchte, mit einer Fähre von Tansania zu einer vorgelagerten Insel zu kommen und etwa dreieinhalb Stunden nach Abfahrt der Fähre ein Notruf als letztes Lebenszeichen von dieser Fähre einging. Seither sind alle vierzig Passagiere vermisst. Ein anderes Schiff konnte nur wahrnehmen, dass diese Fähre eine scharfe Wende machte und zu sinken begann. Auf der Fähre befanden sich nur ein oder zwei Schwimmwesten. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass die Passagiere und die restliche Crew Holzteile vom Steuerhaus abbrachen, um sich daran zu klammern und nicht sofort ertranken, sondern innerhalb eines Tages ihren Erfrierungen erlagen.

Mit Schreiben seines Anwaltes vom 7. 4. 1995 machte der Kläger die Ansprüche aus der Unfallversicherung gegen die Beklagte geltend, der auch umfangreiche Unterlagen angeschlossen waren.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 18. 5. 1995 eine Entschädigungsleistung ab und führte aus, es sei offen geblieben, ob der Tod durch ein Unfallereignis im Sinne der AUVB eingetreten sei oder nicht, da nach dem Bericht des Detektivs angenommen werde, dass sich die Passagiere an demontierten, schwimmfähigen Teilen des Schiffes klammerten und zunächst überlebten. In ihrer an den Rechtsanwalt des Klägers gerichteten Ablehnung verwies die Beklagte auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 7 Ob 35/90 und führte dann abschließend aus:

"Wir ersuchen um Verständnis, dass uns bei dieser Situation kein Entscheidungsspielraum bleibt und eine Entschädigungsleistung - auf Grundlage des vorliegenden Sachverhaltes - abgelehnt werden muss.

Da wir nicht ausschließen können - und mit ihrer Mandantschaft hoffen, dass sich noch das Schicksal des Vermissten klären lässt, sehen wir vorerst von einer formellen Deckungsablehnung (§ 12 Abs 3 VersVG) ab und laden Sie ein, uns gegebenenfalls zu informieren."

Nach Abschluss des im Oktober 1998 vom Kläger eingeleiteten Verfahren zur Todeserklärung mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 16. 3. 1999 überreichte der Kläger am 8. 7. 1999 seine Klage auf Zahlung von S 200.000 aus der Reiseunfallversicherung gegen die Beklagte. Er begründete diese damit, dass aufgrund der umfangreichen Nachforschungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehe, dass sein Sohn und seine Begleiter bei dem Versuch, auf die Insel überzusetzen, ertrunken seien und dies als Unfall im Sinne der AUVB zu bewerten sei. Aus dem Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 16. 3. 1999 ergebe sich, dass als Todeszeitpunkt der 26. 7. 1993 zu vermuten sei. Eine förmliche Ablehnung durch die Beklagte sei nicht erfolgt. Der Anspruch sei erst mit der Todeserklärung fällig geworden.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte einerseits ein, dass davon auszugehen sei, dass der Tod nicht durch einen Unfall im Sinne der AUVB 1988 eingetreten wäre, sondern durch Unterkühlung und dass andererseits der Anspruch auch bereits verjährt sei, da er am 18. 5. 1995 abgelehnt wurde. Es sei dabei nur auf die Setzung einer Präklusionsfrist im Sinne des § 12 Abs 3 VersVG, nicht aber auf die allgemeine Verjährung im Sinne des § 12 Abs 1 VersVG verzichtet worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, da der Anspruch bereits verjährt sei. Die Verjährung trete entsprechend § 12 Abs 1 VersVG in der Fassung der Novelle 1994 innerhalb von drei Jahren ein und sei nur bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Versicherers über den Anspruch gehemmt. Die Todeserklärung sei nur eine von mehreren Bescheinigungsmitteln und nicht unerlässliche Voraussetzung für die Fälligkeit der Versicherungsleistung. Spätestens mit dem Zeitpunkt des Zuganges des Ablehnungsschreibens habe die Verjährungsfrist zu laufen begonnen. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass die rechtskräftige Todeserklärung als Voraussetzung für die Auslösung der Leistungspflicht der Beklagten anzunehmen wäre, sei es dem Kläger zuzurechnen, dass er mit der Antragstellung zur Einleitung des Todeserklärungsverfahrens bis Oktober 1998 zugewartet habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Dabei führte es rechtlich aus, dass nach § 12 Abs 1 VersVG in der Fassung der VersVG-Novelle 1994 die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich innerhalb von drei Jahren verjähren würden, und zwar ab dem Zeitpunkt, ab dem dem Versicherten sein Recht auf Leistung bekanntgeworden sei. Entscheidend für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist und auch der Anwendung dieser Verjährungsregel; die nur auf nach dem 1. Jänner 1995 zu laufen beginnende Verjährungsfristen zur Anwendung komme, sei der Zeitpunkt der Fälligkeit der geforderten Vertragsleistung. Spätestens im Zeitpunkt seines Anspruchsschreibens sei aber davon auszugehen, dass der Kläger von den Todesfolgen so weit Kenntnis hatte, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstreben konnte. Die Ansprüche des Klägers seien auch nicht von einer Todeserklärung nach dem Todeserklärungsgesetz abhängig gewesen. Die Todeserklärung begründe nur die Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben sei. Zur Zeit der Ablehnung der Versicherungsleistung am 18. 5. 1995 sei aber die Frist des § 9 Abs 3 des TodErklG, sohin sechs Monate nach Untergang des Schiffes, bereits verstrichen gewesen. Mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens ende auch die Hemmung der Verjährung nach § 12 Abs 2 VersVG. Dass die Beklagte auf eine formelle Deckungsablehnung nach § 12 Abs 3 VersVG verzichtet habe, ändere nichts an der allgemeinen Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG.

Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Abhängigkeit der Fälligkeit der Versicherungsleistung aus dem Versicherungsfall des Unfall-Todes von einer förmlichen Todeserklärung des Versicherten nicht vorliege.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass nach § 191b Abs 2 Z 2 VersVG § 12 VersVG in der neuen Fassung durch das BGBl 652/1994 dann nicht anzuwenden ist, wenn die im § 12 VersVG genannten Fristen vor dem 1. 1. 1995 zu laufen begonnen haben. Die Frage, ob dies nun der Fall ist muss nach der alten Rechtslage beurteilt werden (OGH 7 Ob 34/00a). § 12 Abs 1 VersVG sah nach der dazu noch anzuwendenden Fassung vor der VersVG-Novelle 1994 vor, dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem die Leistung verlangt werden kann (vgl 7 Ob 34/00a, ferner im Zusammenhang 7 Ob 30/99h = VersR 2000, 747). Dazu ist allerdings auch zu beachten, dass nach § 11 Abs 1 VersVG Geldleistungen erst dann verlangt werden können, wenn der Versicherer die zur Feststellung des Versicherungsfalles und Umfanges der Leistungen nötigen Erhebungen beendet hat. Von der Konsequenz, dass die Verjährungsfrist erst nach einer Anmeldung und Prüfung durch den Versicherer zu laufen beginnen kann (vgl dazu dass § 11 VersVG

allerdings nur auf Geldleistungen zu Anwendung gelangt, VersE 1245 =

RdW 1986, 110 = ZVR 1986/116, 277; Schauer, Das österreichische

Versicherungsvertragsrecht3, 448 Fußnote 359) besteht allerdings insoweit eine Ausnahme, als anerkannt ist, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer die Beendigung bei Erhebungen des Versicherers schuldhaft hindert (vgl dazu auch § 11 Abs 3 VersVG) wozu auch das Unterlassen der Anzeige oder die Mitwirkung bei den Erhebungen gerechnet wird, die Verjährung nicht beliebig hinausgeschoben wird, sondern von dem Zeitpunkt auszugehen ist, in dem die Erhebungen bei einem korrekten Vorgehen des Versicherers beendet gewesen wären (vgl dazu VersE 1256 unter Hinweis auf Brück/Möller VVG8 I 259 f; Prölss/Martin VVG26; § 12 Rz 11). Für das Vorliegen einer solchen besonderen Voraussetzung wäre aber die beklagte Partei behauptungs- und beweispflichtig gewesen (vgl VersE 1256).

Da ein dahingehendes Vorbringen jedoch nicht erstattet wurde, konnte die Fälligkeit der Ansprüche jedenfalls nicht vor der Anmeldung durch den Kläger im Jahre 1995 eintreten, sodass die Verjährungsfrist also nach dem 1. 1. 1995 begann und damit die neue Rechtslage zur Anwendung gelangt.

Nach § 12 Abs 1 VersVG idF der VersVG-Novelle 1994 verjähren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag innerhalb von drei Jahren. Steht der Anspruch einem Dritten zu, so beginnt die Verjährung zu laufen, sobald diesem sein Recht auf die Leistung des Versicherten bekannt geworden ist. § 11 Abs 1 leg cit legt auch in der hier vorliegenden Fassung fest, dass Geldleistungen des Versicherten erst mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und Umfanges der Leistungen des Versicherers nötigen Erhebungen fällig sind und regelt im Folgenden Fragen des Verzuges der Versicherung bei den Erhebungen bzw der mangelnden Mitwirkung des Versicherten daran. Jedenfalls tritt aber die Fälligkeit ein, sobald der Versicherer dann die Leistung abgelehnt hat (vgl dazu 7 Ob 332/99w, Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 201; Heiss/Lorenz, Versicherungsvertragsgesetz2, 97; Gruber im BK/VVG § 11 Rz 5, Prölss/Martin aaO § 11 Rz 1). Damit endet dann auch die im § 12 Abs 2 VersVG vorgesehene Hemmung der Verjährung für die Zeit zwischen der Anmeldung des Anspruches und der schriftlichen Entscheidung des Versicherers mit der Anführung der der Ablehnung zugrunde gelegten Tatsachen und gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen.

Davon zu unterscheiden ist die Möglichkeit des Versicherers nach § 12 Abs 3 VersVG bei einer Ablehnung im Sinne des § 12 Abs 2 VersVG auch noch durch Belehrung über die Rechtsfolgen die kürzere Verjährungsfrist des § 12 Abs 3 VersVG zur Anwendung gelangen zu lassen. Davon hat die Beklagte mangels einer Festsetzung nach Abs 3 leg cit keinen Gebrauch gemacht. Daher kommt die allgemeine Verjährungsfrist des § 12 Abs 1 VersVG von drei Jahren zur Anwendung, die mit dem Ablehnungsschreiben vom 18. 5. 1995 beginnt und damit vor Erhebung der erst am 8. 7. 1999 eingebrachten Klage geendet hat.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die Frage der Aktivlegitimation des Klägers näher einzugehen (vgl aber dazu SZ 67/88).

Insgesamt musste daher der Revision des Klägers ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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