OGH 9ObA273/00p

OGH9ObA273/00p6.12.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag Norbert Riedl und UnivProf Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. August W*****, vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, ***** vertreten durch den Prozesskurator Dr. Georg Bauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 134.236,11 netto und S 39.586,07 brutto sA, über Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Juli 2000, GZ 11 Ra 155/00v-37, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. November 1999, GZ 8 Cga 109/98m-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich der unangefochtenen Teile insgesamt zu lauten haben:

"1. Die Klageforderung besteht mit S 94.658,57 netto und S 33.990,37 brutto samt 4 % Zinsen seit 10. 10. 1998 zu Recht.

2. Die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 94.658,57 netto und S 33.990,37 brutto samt 4 % Zinsen ab 10. 10. 1998 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger weitere S 39.577,94 netto und S 5.595,70 brutto zu zahlen, wird einschließlich des Zinsenmehrbegehrens abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 32.103,49 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 4.500,81 Umsatzsteuer und S 5.098,60 Barauslagen) und die mit S 3.521,32 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 207,05 Umsatzsteuer und S 2.279 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gesellschafter der beklagten Partei sind Margarete W***** mit einer Stammeinlage von S 250.000 und Mag.***** Weisshaar sen. mit einer Stammeinlage von S 450.000. Der Kläger war angestellter Geschäftsführer. Das Dienstverhältnis des Klägers sowie seine Tätigkeit als Geschäftsführer endeten spätestens am 31. 3. 1998. Am 24. 3. 1998 verfasste der Kläger einen Arbeitsvertrag, wonach das (neue) Arbeitsverhältnis am 1. 4. 1998 mit nur 20 Arbeitsstunden pro Woche und einem monatlichen Bruttobezug von S 12.124 beginnen sollte. Der Kläger unterschrieb diesen Vertrag am 24. 3. 1998 im eigenen Namen, aber auch zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt für die beklagte Partei als Geschäftsführer. Diesen Vertrag legte er beiden Gesellschaftern zur Unterschrift vor, wobei lediglich Margarete W***** am 2. 4. 1998 unterschrieb. Mag. W***** sen. leistete seine Unterschrift hingegen nicht. Er war gegen die Kündigung des Klägers als Geschäftsführer und der Ansicht, dieser habe weiterzuarbeiten "wie bisher" und könne die Gesellschaft nicht im Stich lassen (S 92 und 96). Der Kläger übte auch seine Tätigkeit ab 1. 4. 1998 bis 9. 10. 1998 im Wesentlichen wie bisher aus. Er führte die Kassabücher, machte die Buchhaltung, bereitete die Lohnverrechnung für die anderen Mitarbeiter vor, machte aber auch Serviertätigkeiten im Cafe und übte die Tätigkeit eines Kartenabreißers aus. Er vertraute auf die Gültigkeit des neuen Arbeitsvertrages. Mag. W***** sen. war bekannt, dass der Kläger den Betrieb im Kino fortführte. Er gab laufend Anweisungen beispielsweise drüber, welche Filme zu spielen seien und welche Öffnungszeiten für das Cafe erforderlich waren. Er übermittelte Buchhaltungsbelege und dergleichen. Mag. W***** sen. war mit dem weiteren Tätigwerden des Klägers einverstanden (S 93). Dessen Tätigkeit gereichte der beklagten Partei insofern zum Vorteil als weitere Einnahmen speziell aus den relativ gut frequentierten Feiertagen und Sonntagen im Cafe erzielt werden konnten und der Betrieb aufrechterhalten werden konnte.

Der Kläger arbeitete im April 1998 91 Stunden, im Mai 1998 85,5 Stunden, im Juni 1998 38,5 Stunden, im Juli 1998 87 Stunden, im August 1998 95,5 Stunden, im September 1998 97,25 Stunden und im Oktober 1998 74 Stunden. Ein Entgelt für diese Arbeitsleistungen erhielt er von der beklagten Partei nicht.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage insgesamt S 134.236,11 netto und S 39.586,07 brutto an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen sowie Urlaubsentschädigung für 30 Werktage mit der Behauptung, dass das Arbeitsverhältnis, das am 1. 4. 1998 neu begonnen habe, am 9. 10. 1998 durch seinen vorzeitigen Austritt wegen Entgeltvorenthaltung geendet habe. Er stützt seine Ansprüche auf die schlüssige Zustimmung zum Arbeitsvertrag und vorsichtshalber auch auf den Titel der Bereicherung.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Arbeitsvertrag des Klägers ab 1. 4. 1998 sei ein unwirksames Insichgeschäft gewesen, das von den Gesellschaftern nicht genehmigt worden sei.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit S 94.658,57 netto sA als zu Recht und die eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Es verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger S 94.658,57 netto sA zu zahlen und wies das Mehrbegehren von weiteren S 39.577,94 netto und S 39.586,07 brutto und das Zinsenmehrbegehren ab.

Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Arbeitsvertrag als unzulässiges Insichgeschäft nicht gültig zustande gekommen sei und eine ausdrückliche aber auch stillschweigende Genehmigung durch den Mehrheitsgesellschafter fehle. Da die Tätigkeit des Klägers der beklagten Partei jedoch Nutzen gebracht habe, sei im Sinne des § 1431 ABGB und § 1152 ABGB ein Anspruch auf angemessene Entlohnung gegeben. Unberechtigt seien jedoch die Ansprüche auf Kündigungsentschädigung sowie Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung, weil diese bereicherungsrechtlich nicht zustünden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass eine Genehmigung des unwirksamen Insichgeschäftes durch den Mehrheitsgesellschafter nicht zustande gekommen sei. Durch sein vorausgehendes ausdrückliches Erklärungsverhalten habe der Hauptgesellschafter klargestellt, den möglicherweise aus seinem Verhalten allein erschließbaren Geschäftswillen auf Genehmigung des unwirksamen Vertrages nicht zu haben. Unter Berücksichtigung des § 1431 ABGB bestimme sich der Anspruch des Klägers in Analogie zu § 1152 ABGB nach der ortsüblichen und angemessenen Entlohnung. Für "freie Dienstverträge" scheide allerdings ein Anspruch auf Urlaubsentschädigung und Sonderzahlungen aus.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, die die Abweisung des Anspruches auf Kündigungsentschädigung unangefochten lässt, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, dem Klagebegehren in Abänderung des Berufungsurteiles vollinhaltlich Folge zu geben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers und seine Tätigkeit als Geschäftsführer spätestens am 31. 3. 1998 endeten, handelte es sich bei dem am 24. 3. 1998 im eigenen Namen und zu einem nicht feststellbaren Datum auch im Namen der beklagten Partei abgeschlossenen Arbeitsvertrag um ein grundsätzlich unzulässiges Insichgeschäft. Ein solches kann aber durch eine auch formlose schlüssige Zustimmung aller Gesellschafter saniert werden (RIS-Justiz RS0017918; 9 Ob 136/99m). Nach den Feststellungen erteilte Margarete W***** die schriftliche Zustimmung. Der Mehrheitsgesellschafter war gegen die Kündigung des Klägers als Geschäftsführer und der Ansicht, dieser habe weiterzuarbeiten wie bisher und dürfe die Gesellschaft nicht im Stich lassen. Er leistete keine Unterschrift und erteilte auch keine ausdrückliche mündliche Zustimmung.

Dennoch führte der Kläger mit Wissen und Willen des Mehrheitsgesellschafters auch ab 1. 4. 1998 die Tätigkeiten "wie bisher" fort. Dem Mehrheitsgesellschafter war der Fortbetrieb im Cafe und im Kino bekannt. Er gab sogar laufend Anweisungen und war mit dem weiteren Tätigwerden des Klägers einverstanden. Das bloße Nichtleisten der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag oder das Fehlen einer ausdrücklichen mündlichen Zustimmung war in diesem Zusammenhang noch kein so ausdrückliches Erklärungsverhalten, das dem aus seinem tatsächlichen Verhalten erschließbaren Geschäftswillen des Mehrheitsgesellschafters, das Arbeitsverhältnis des Klägers weiterhin zu akzeptieren, klar entgegenstünde (9 ObA 114/89). Der Mehrheitsgesellschafter wollte selbst, dass der Kläger "wie bisher" weiterarbeitet; er war mit der weiteren Tätigkeit des Klägers durchaus einverstanden. Dabei musste ihm aber jedenfalls klar sein, dass der Kläger seine Arbeitsleistungen nicht unentgeltlich, sondern auf der Grundlage des in Vorschlag gebrachten Entgelts erbringt. Soweit der Mehrheitsgesellschafter die Arbeitsleistungen des Klägers für die Gesellschaft im Ergebnis entgegennahm, ist es auch zu einer schlüssigen Genehmigung des Arbeitsvertrages - zumindest was das Entgelt betrifft - gekommen (Minimalkonsens).

Liegt aber ein solcherart zustandegekommener Arbeitsvertrag vor, besteht auch Anspruch auf Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung. Den behaupteten Austritt und die Anwendung des Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes, der in seinem § 11 Sonderzahlungen vorsieht, bestritt die beklagte Partei nur insoweit, als sie die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages als nicht genehmigtes Insichgeschäft behauptete. Die Berechtigung des Austrittes ergibt sich aus der Feststellung, dass der Kläger überhaupt kein Entgelt für seine Arbeitsleistungen erhielt. Der vom Kläger geltend gemachte Sonderzahlungsanspruch von S 12.823,46 brutto, ausgehend von 20 Wochenstunden und dem vom Erstgericht als angemessen festgestellten Stundenlohn von S 140 brutto, besteht daher zu Recht (140 x 20 x 4,33 x 2 : 52 x 27,5).

Bei Vorliegen eines berechtigten Austrittes als Anspruchsvoraussetzung für die Urlaubsentschädigung, dem sich aus dem Gesetz ergebenden Urlaubsanspruch, dem festgestellten Stundenlohn bei 20 Wochenstunden und den festgestellten dieses Wochenstundenausmaß übersteigenden regelmäßigen Mehrstunden ergibt sich eine Urlaubsentschädigung von S 21.166,91 (140 x 20 x 4,33 = 12.124 +

4.200 [regelmäßige Mehrstunden] = 16.324 + 2.020,66 = 18.344,66 x 30 : 26). Dass kein Urlaubsanspruch zur Zeit des Austrittes mehr offen war, hätte die beweispflichtige beklagte Partei behaupten und beweisen müssen (RIS-Justiz RS0077337; Arb 10.143).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Der Kläger obsiegte in erster Instanz mit rund 74 % (Barauslagen), sodass ihm 48 % seiner Rechtsanwaltskosten gebühren. Die geringfügige Einschränkung des Klagebegehrens hatte keine Auswirkung auf den Kostenanspruch. Bei einem Obsiegen von rund 43 % in zweiter Instanz ergibt sich ein Kostenanspruch von rund 14 %. Für das Revisionsverfahren hat der Kläger keine Kosten verzeichnet.

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