OGH 3Ob277/00g

OGH3Ob277/00g29.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch den Liquidator Ing. Herbert O*****, dieser vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Berthold T*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 4,863.524,98 sA, 5 Cg 154/00v des Landesgerichts Salzburg, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 18. Oktober 2000, GZ 11 Nc 58/00v-2, womit der Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Linz abgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt mit der vorliegenden Klage vom Beklagten als ihrem ehemaligen Verfahrenshilfeanwalt (§ 67 ZPO) in zwei Zivilprozessen vor dem Landesgericht Salzburg aus dem Titel des Schadenersatzes wegen mangelhafter Rechtsvertretung S 4,863.524,98 sA. Bereits in dem am 28. 6. 1999 eingebrachten Schriftsatz stellte sie neben dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für diese einzubringende Klage den Antrag auf Delegierung ua an das Landesgericht Linz. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde nach Erteilung von zwei Verbesserungsaufträgen mit Beschluss vom 16. 11. 1999 wegen offenbarer Mutwilligkeit und Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Prozessführung abgewiesen. Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht gab mit Beschluss vom 9. 2. 2000 dem Rekurs der Antragstellerin Folge und bewilligte die beantragte Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 und 3 ZPO. Mit Bescheid des Ausschusses der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 1. 3. 2000 wurde Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwalt in Salzburg, zum Vertreter der Antragstellerin bestellt. Der hierauf am 23. 3. 2000 eingebrachte Antrag auf Delegierung an das Landesgericht Linz wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 3. 4. 2000, 2 Nc 16/00t, zurückgewiesen, weil es vor Einbringung einer Klage keine Rechtssache gebe, die delegiert werden könnte.

In der am 21. 6. 2000 eingebrachten Klage beantragte die klagende Partei neuerlich, die Rechtssache an das Landesgericht Linz zu delegieren; sie nahm auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 529/93 Bezug, deren Begründung für die Rechtmäßigkeit der Delegierung auch für dieses Verfahren maßgeblich und zutreffend sei. Die klagende Partei befürchte zu Recht auch in diesem Verfahren erhebliche Verzögerungen und die Befangenheit der Richter des Landesgerichtes Salzburg. Überdies habe der zuständige Richter den Verfahrenshilfeantrag mit Beschluss vom 16. 11. 1999 - letztlich zu Unrecht - abgewiesen, weil die beabsichtigte Prozessführung offenbar mutwillig und aussichtslos sei. Auch das Kridaverfahren gegen die klagende Partei beim Landesgericht Salzburg habe äußerst lange gedauert; ihr Liquidator sei der Urkundenunterdrückung beschuldigt worden.

Die beklagte Partei sprach sich gegen die beantragte Delegierung aus.

Das zuständige Landesgericht Salzburg gab die Erklärung ab, der Vorsitzende des zuständigen Senates sei vor vielen Jahren einmal als Verhandlungsrichter tätig gewesen. Offenbar habe die klagende Partei den Richterwechsel noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und es könnte eine Ablehnung des Vorsitzenden des Senates eintreten. Außer diesem Umstand und der Tatsache, dass der Beklagte sicherlich zu Salzburger Anwälten mehr Kontakt habe als zu Anwälten außerhalb von Salzburg, könnten keine weiteren Umstände zur Zweckmäßigkeit einer Delegierung aufgezeigt werden. "Nur eine durch eine Delegierung zu erreichende allgemeine Objektivität und Entspannung der sicher sehr stark gegebenen Misstrauenssituation und dadurch zu erwartender Verzögerungen könne das tragende Argument sein".

Das Oberlandesgericht Linz wies den Delegierungsantrag ab und führte zur Begründung aus, bei der Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Delegierung im Sinn des § 31 JN sei vor allem der Wohnort der Parteien und der Zeugen maßgebend. Eine Delegierung solle nur den Ausnahmefall darstellen; keinesfalls solle durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung bewirkt werden. Wenn sich daher die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lasse und eine Partei der Delegierung widersprochen habe, so sei eine Delegierung abzulehnen. Ein Delegierungsantrag könne mit Erfolg weder auf Ablehnungsgründe noch auf das Vorliegen von ungünstigen oder sogar unrichtigen Entscheidungen oder Verfahrensverstößen des bisher zuständigen Gerichts gestützt werden. Keiner der von der klagenden Partei geltend gemachten Gründe rechtfertige eine Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht Linz.

Rechtliche Beurteilung

Der von der klagenden Partei dagegen erhobene Rekurs ist zwar zulässig (JBl 1986, 53; EvBl 1987/204; RZ 1989/107; 3 Ob 570/94 ua; Ballon in Fasching**2 Rz 12 zu § 31 JN; Mayr in Rechberger, ZPO**2 Rz 6 zu § 31 JN), jedoch nicht berechtigt.

Die klagende Partei verweist in ihrem am 3. 11. 2000 eingebrachten Rekurs darauf, dass sie bereits am 23. 6. 1999 den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe eingebracht und das Landesgericht Salzburg bisher keine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung anberaumt habe, obwohl ein Antrag auf Delegierung keine aufschiebende Wirkung habe. Durch die bereits eingetretene wesentliche Verzögerung werde die vom Landesgericht Salzburg aufgezeigte Misstrauenssituation noch verstärkt; die beantragte Delegierung könnte diese Situation entspannen. Die Nachteile des Beklagten hielten sich in Grenzen, zumal er durch einen in Wien ansässigen Rechtsanwalt vertreten sei.

Damit zeigt die Revisionsrekurswerberin keine Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung bei Abwägung der für eine Delegierung geltend gemachten Gründe auf.

Die Delegierung nach § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolgen. Eine Delegierung soll jedoch nur den Ausnahmefall darstellen. Wenn die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden kann und eine Partei der Delegierung widerspricht, ist dieser der Vorzug zu geben (Ballon aaO Rz 6; Mayr aaO Rz 4, jeweils mit Nachweisen aus der Rsp).

Die konkret geltend gemachten Gründe der Verfahrensverzögerung und der zu befürchtenden Befangenheit der Richter rechtfertigen schon ihrer Natur nach selbst dann, wenn die Behauptungen der Revisionsrekurswerberin zuträfen, was hier bisher keineswegs anzunehmen ist, keine Delegierung. Verfahrensverzögerungen, die auf ein Verhalten des Gerichts zurückzuführen sind, können die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nicht rechtfertigen, wobei es gleichgültig ist, ob sie auf eine "Überbeanspruchung" oder auf einen anderen Umstand zurückgehen (SZ 65/162 ua); auch auf Ablehnungsgründe kann ein Delegierungsantrag nicht gestützt werden (Ballon aaO Rz 8; Mayr aaO Rz 4, jeweils mit Nachweis der Rsp).

Die Sachlage, die der Entscheidung 6 Ob 529/93 zugrundelag, ist hier nicht gegeben; dort konnten aufgetretene Schwierigkeiten bei Bestellung des Verfahrenshilfeanwalts mit gerichtlichen oder aufsichtsbehördlichen Mitteln nicht behoben werden.

Dem Rekurs ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

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