OGH 6Ob529/93

OGH6Ob529/9313.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH i.L., vertreten durch den Liquidator Ing.Herbert O*****, Kaufmann, ***** dieser vertreten durch Dr.Gerald Seidl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Gernot S*****, 2. Ing.Fred U*****, Sachverständiger, ***** vertreten durch Dr.Robert Eder, Rechtsanwalt in Salzburg, 3. Leo E*****, Sachverständiger, ***** vertreten durch Dr.Karl Endl, Rechtsanwalt in Salzburg, 4. Ing.Gerhard A*****, Schätzmeister, ********** vertreten durch Dr.Brigitte Forstner-Ascher, Rechtsanwältin in Salzburg, und 5. Ernst Ferdinand F*****, Schätzmeister, ***** vertreten durch Dr.Carl-Heinz Gressel, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 74,253.945,60 sA, infolge der Rekurse der erstbeklagten, der viertbeklagten und der fünftbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 24.November 1992, GZ Nc 70/92-4, womit dem Antrag der klagenden Partei auf Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Linz stattgegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.

Die als Stellungnahme des Liquidators der klagenden Partei zum Rekurs des Erstbeklagten bezeichnete Eingabe vom 26.4.1993 wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Seit 28.10.1987 ist die vorliegende Rechtssache beim Landesgericht Salzburg anhängig. Die klagende Partei macht Schadenerstzansprüche von insgesamt S 74,253.945,60 geltend, welche die Beklagten im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens und eines inzwischen rechtskräftig aufgehobenen Konkursverfahrens verschuldet hätten. Seit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 23.10.1990 ist der klagenden Partei rechtskräftig die Verfahrenshilfe bewilligt. Alle in der Folge von der Salzburger Rechtsanwaltskammer für die klagende Partei bestellten Verfahrenshelfer erhoben gegen deren Bestellungsbescheide Vorstellungen und ersuchten um Enthebung, zum größeren Teil wegen Befangenheit aufgrund ihres Naheverhältnisses zum erstbeklagten Rechtsanwalt, zum Teil, weil durch ihre wesentlich unter dem Streitwert liegenden Berufshaftpflichtversicherungssummen (auf welche der Liquidator der klagenden Partei jeweils besonderen Wert gelegt hatte) die Übernahme der Vertretung unzumutbar sei. Nachdem sich die Salzburger Rechtsanwaltskammer bereit erklärt hatte, für die Tätigkeit des jeweiligen Verfahrenshelfers eine Haftpflichtversicherung mit einer Versicherungssumme von S 74,000.000 (mit vierjähriger Vertragsdauer und Nachhaftung von drei Jahren) abzuschließen, erklärte sich Rechtsanwalt Dr.Thun-Hohenstein, welcher als Verfahrenshelfer der klagenden Partei bereits in anderen Verfahren beim Landesgericht Salzburg tätig ist, zur Übernahme der Vertretung auch außerhalb der fixen Bestellungsordnung (§ 17 Geo RAKSbg) bereit. Dies wurde vom Liquidator der klagenden Partei mit der Begründung abgelehnt, dieser Anwalt habe in den von ihm als Vertreter geführten Verfahren die Aberkennung der bewilligten Verfahrenshilfe beantragt. Um überhaupt einen Verfahrenshelfer für die klagende Partei zu finden, stellte sich der Vizepräsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer, der als Ausschußmitglied von der Bestellung zum Verfahrenshelfer befreit ist, zur Verfügung. Seine Bestellung lehnte der Liquidator der klagenden Partei mit der Begründung ab, dessen Vater habe vor einigen Jahren mehrere Parteien in Verfahren gegen die damals noch nicht in Liquidation befindliche klagende Partei vertreten.

Unter Hinweis auf die dargelegte Situation stellte die klagende Partei, vertreten durch einen eigens hiezu bestellten Verfahrenshelfer, den Antrag, das Verfahren, in welchem bisher die Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung noch nicht möglich war, gemäß § 31 JN (in erster Linie) an das Landesgericht Linz zu delegieren, wo mangels Naheverhältnisses der dort ansässigen Rechtsanwälte zum Erstbeklagten oder eines Vertretungsverhältnisses auf der Gegenseite in anhängigen Verfahren die Bestellungshindernisse und damit eine weitere unbehebbare Verfahrensverzögerung nicht in gleicher Weise gegeben seien.

Das Oberlandesgericht Linz gab dem Antrag statt und delegierte die Rechtssache an das Landesgericht Linz. Es führte aus, die eingetretene Verfahrensstagnation könne nicht durch eine Aufsichtsbeschwerde oder einen Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG behoben werden. Die Verzögerung bei der Bestellung eines Verfahrenshilfeanwaltes, welche trotz intensiver Bemühungen der insoweit autonomen Salzburger Rechtsanwaltskammer eingetreten sei, habe nunmehr ein Ausmaß erreicht, das eine Delegierung rechtfertige. Da die Verfahrenshilfe rechtskräftig bewilligt sei, könnten auch Prozeßaussichten bei der Entscheidung über den Delegierungsantrag nicht berücksichtigt werden. Allenfalls könnte das Ausmaß des Begehrens, welches im Laufe des Verfahrens besser beurteilt und auch revidiert werden könne, ein Kriterium für eine Entziehung der Verfahrenshilfe wegen mutwilliger Prozeßführung darstellen.

Rechtliche Beurteilung

Den Rekursen des Erstbeklagten, Viertbeklagten und Fünftbeklagten gegen diese Entscheidung kommt keine Berechtigung zu. In den Rechtsmitteln wird im wesentlichen darauf hingewiesen, daß sich ohnedies zwei Anwälte in Salzburg zur Übernahme der Verfahrenshilfe bereit erklärt hätten und der Liquidator der klagenden Partei durch den exorbitanten Streitwert und sein Verhalten die Unmöglichkeit der Bestellung eines Verfahrenshilfeanwaltes selbst verschuldet habe. Auch beim Landesgericht Linz sei keine günstigere Entwicklung zu erwarten. Schließlich liege kein Fall der Zweckmäßigkeit der Delegierung im Sinne des § 31 JN vor, der es rechtfertige, den Beklagten ihren ordentlichen Gerichtsstand zu nehmen.

Diesen Argumenten kann nicht zugestimmt werden. Seit die Bewilligung der Verfahrenshilfe in Rechtskraft erwachsen ist, sind bereits mehr als zweieinhalb Jahre vergangen. Dieser Zeitraum, in welchem es zu einem Verfahrensstillstand gekommen ist, muß auch im Lichte der Bestimmungen der MRK gesehen werden. Da die aufgetretenen Bestellungssschwierigkeiten mit gerichtlichen oder aufsichtsbehördlichen Mitteln nicht behoben werden können, ist die Delegierung der Rechtssache an einen anderen Gerichtshof, bei welchem jedenfalls geringere Hindernisse bei der Bestellung eines Verfahrenshelfers erwartet werden dürfen - ein gewisses begründetes Ablehnungsrecht einzelner Personen muß auch der Verfahrenshilfe genießenden Partei zuerkannt werden, der ebenso wie dem bestellten Anwalt ein Vorstellungs- und Antragsrecht auf Enthebung zukommt - gemäß § 31 JN zulässig und geboten. Da auch den beklagten Parteien die Verfahrenshilfe bewilligt wurde, halten sich auch deren Nachteile durch den Verlust des ihnen grundsätzlich zustehenden ordentlichen Gerichtsstandes in Grenzen. Auf die richtigen Hinweise des Oberlandesgerichtes Linz über die Möglichkeiten der Aberkennung der Verfahrenshilfe im Zuge des Verfahrens kann im Rahmen der Delegierungsentscheidung nicht weiter eingegangen werden.

Den Rekursen der beklagten Parteien war daher keine Folge zu geben.

Da das Rekursverfahren im vorliegenden Fall nicht zweiseitig ist, war die vom Liquidator der klagenden Partei direkt beim Obersten Gerichtshof überreichte Stellungnahme zurückzuweisen.

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