OGH 7Ob234/00p

OGH7Ob234/00p8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Nikolaus Gabor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Alexander P*****, vertreten durch Brauneis, Klauser & Prändl Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen S 94.090,-- (sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2000, GZ 36 R 216/00g-18, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. Februar 2000, GZ 34 C 1136/99h-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.706,-- (darin enthalten S 951,-- USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Adelheid W***** (im Folgenden Versicherungsnehmerin) hat für ihre Eigentumswohnung in W*****, F*****straße 6, bei der klagenden Partei eine Haushaltsversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) 1989 zugrundeliegen.

Deren für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung lautet:

Art 11

Welche Personen sind mitversichert?

Die Versicherung erstreckt sich auch auf gleichartige Schadenersatzverpflichtungen

...

3.) von Personen, die für den Versicherungsnehmer aus einem Arbeitsvertrag oder gefälligkeitshalber häusliche Arbeiten verrichten, in dieser Eigenschaft. Ausgeschlossen sind Personenschäden, bei welchen es sich um Arbeitsunfälle im Sinne der Sozialversicherungsgesetze unter Arbeitnehmern des Versicherungsnehmers handelt.

Die Versicherungsnehmerin lebt in Holland und kommt nur etwa 8 Mal im Jahr für ein bis zwei Wochen nach W*****. In der übrigen Zeit lässt sie häufig Gäste in ihrer 180 m2 großen, aus fünf Zimmern und zwei Badezimmern bestehenden Wohnung wohnen. Mit dem Beklagten hatte sie, als dieser noch Student war, eine Vereinbarung getroffen, wonach er sich in ihrer Abwesenheit um die Wohnung zu kümmern hatte und dafür ein Zimmer und ein Kabinett, die Küche sowie eines der beiden Badezimmer und die Toilette benützen durfte. Zu den Aufgaben des Beklagten gehörte ua auch, nach der Abreise von Gästen die von diesen benützte Tisch- und Bettwäsche mit der in einem der Badezimmer befindlichen Waschmaschine zu waschen.

In der Nacht vom 2. auf den 3. 10. 1998 nahm der Beklagte die Waschmaschine in Betrieb, um damit von Gästen der Versicherungsnehmerin benützte Wäsche zu waschen. Der Beklagte war am 1. 10. 1998 von einem Trekking-Aufenthalt aus Bolivien heimgekehrt, hatte seine eigene Wäsche aber bei seiner Mutter gelassen. Er führte mehrere Waschgänge durch und schlief schließlich in seinem Zimmer vor dem Fernsehgerät ein. Erst am Morgen entdeckte man, dass Wasser aus der Waschmaschine ausgetreten war, wodurch in zwei darunterliegenden Wohnungen Schäden von insgesamt S 94.090,-- entstanden.

Die klagende Partei, die den Geschädigten S 94.090,-- bezahlt hat, begehrt diesen Betrag vom Beklagten im Regressweg ersetzt.

Der Beklagte wendete - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, gemäß Art 11 Z 3 ABH 1989 mitversichert und daher nicht regresspflichtig zu sein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Beklagte sei nach Art 11 Z 3 ABH mitversichert gewesen, weil er eine für die Versicherungsnehmerin häuslichen Arbeiten verrichtet habe. Dass er dies gefälligkeitshalber getan habe, sei zu verneinen, weil dafür die Unentgeltlichkeit charakteristisch sei, dem Beklagten aber für seine Arbeiten ein Zimmer und ein Kabinett etc überlassen worden sei. Die Vereinbarung zwischen der Wohnungsinhaberin und dem Beklagten könne weder als Dienstvertrag iSd §§ 1151 ff ABGB, noch als Bestandvertrag qualifiziert werden, sondern es handle sich um einen beide Vertragstypen beinhaltenden gemischten Vertrag. Ob auch ein solcher unter den Begriff "Arbeitsvertrag" des Art 11 Z 3 ABH 1989 falle, bleibe unklar. Der Wortlaut des Art 11 Z 3 ABH 1989 schließe gemischte Verträge nicht aus. Da nach der Rechtsprechung Unklarheiten bei der Auslegung zu Lasten des Versicherers gingen, sei der Begriff Arbeitsvertrag möglichst weit auszulegen, sodass er auch die Vereinbarung zwischen der Wohnungsinhaberin und dem Beklagten umfasse. Dies entspreche auch dem einem objektiven Beobachter erkennbaren Zweck der Bestimmung, die Versicherung auf Personen auszudehnen, die sich im Auftrag des Versicherungsnehmers im versicherten Haushalt aufhalten, um dort für den Versicherungsnehmer häusliche Arbeiten zu verrichten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Die Zuordnung der der zum Schaden führenden Tätigkeit des Beklagten zugrundeliegenden Vereinbarung zu einem bestimmten Vertragstypus könne dahingestellt bleiben. Art 11 Z 3 ABH 1989 könne nämlich nur so verstanden werden, dass neben dem Versicherungsnehmer auch Personen versichert seien, die auf Grund einer vertraglichen Verpflichtung oder bloß aus Gefälligkeit häusliche Arbeiten für den Versicherungsnehmer verrichteten. Erkennbarer Zweck der Bestimmung sei die Versicherung solcher Schäden, die durch häusliche Arbeiten für den Versicherungsnehmer (also an dessen Stelle) verursacht würden, unabhängig davon, ob diese Arbeiten auf Grund vertraglicher Verpflichtung gegenüber dem Versicherungsnehmer gegen Entgelt in welcher Form auch immer oder boß aus Gefälligkeit erbracht würden. Ob den Arbeiten ein Mietvertrag, Werkvertrag oder Dienstvertrag zugrundeliege, sei daher ohne Bedeutung. Stellte man den in Art 11 Z 3 ABH 1989 gewählten Begriff Arbeitsvertrag dem in den §§ 1151 ff ABGB geregelten Dienstvertrag gleich, wäre nur eine Person, die gegen Bezahlung für den Versicherungsnehmer arbeitet, mitversichert, nicht aber jemand, dem als Entgelt für die Arbeiten eine Wohnung überlassen werde. Eine derartige Differenzierung wäre für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer unverständlich und entspreche nicht dem einem objektiven Beobachter erkennbaren Zweck. Die durch die Wahl des Begriffes "Arbeitsvertrag" anstelle des Begriffes "Vertrag" geschaffene Unklarheit gehe zu Lasten des Versicherers. Der Begriff Arbeitsvertrag in Art 11 Z 3 ABH 1989 sei also weit auszulegen und umfasse auch die Vereinbarung des Beklagten mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Soweit der Beklagte für die Versicherungsnehmerin häusliche Arbeiten verrichtet, also deren Wäsche bzw die Wäsche ihrer Gäste in der Waschmaschine gewaschen habe, sei er auch dann, wenn ihm als Entgelt dafür zwei Räume in der Wohnung überlassen wurden, eine mitversicherte Person gemäß Art 11 Z 3 ABH 1989.

Zur Begründung seines Zulassungsausspruches führte das Berufungsgericht aus, zur Frage, ob unter dem in Art 11 Z 3 ABH 1989 genannten Begriff Arbeitsvertrag nur Dienstverträge iSd §§ 1151 ff ABGB zu verstehen oder darunter sämtliche Verträge zu subsumieren seien, auf Grund welcher häusliche Arbeiten für den Versicherungsnehmer verrichtet würden, liege eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht vor.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und darin beantragt, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Einziger Streitpunkt im Revisionsverfahren ist, ob der Beklagte zu den in Art 11 Z 3 ABH 1989 genannten mitversicherten Personen zählt.

Nach nunmehr stRsp sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (VR 1992/277; VR 1992/284; RIS-Justiz RS0050063 mwN, zuletzt etwa 7 Ob 147/00v). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (VR 1990, 57 = RdW 1989, 329 [Schauer]; VR 1990, 315; VR 1992, 88; ecolex 1994, 610; 7 Ob 94/97t;

7 Ob 147/00v uva). Unklarheiten gehen iSd § 915 ABGB in aller Regel

zu Lasten des Versicherers (JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = VR

1990/122 = VersR 1990, 445 uva).

Zum versicherten Risiko zählen nach Art 11 Z 3 ABH 1989 Schäden, die durch "häusliche Arbeiten" für den Versicherungsnehmer verusacht werden, gleichgültig ob die Schäden von Personen bewirkt werden, die auf Grund eines Arbeitsvertrages mit dem Versicherungsnehmer tätig werden oder die Arbeiten gefälligkeitshalber verrichten. Wie das Berufungsgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO), zutreffend erkannt hat, beschränkt sich der Versicherungsschutz jedoch nicht auf "freiwillige Helfer" und Hausangestellte ieS, sondern schließt nach dem einem objektiven Beobachter erkennbaren, von der Revisionswerberin außer Acht gelassenen Zweck der Bestimmung des Art 11 Z 3 ABH 1989 auch Personen mit ein, die zwar nicht auf Grund eines Arbeits- bzw Dienstvertrages, sondern auf Grund anderer (vertraglicher) Verpflichtung eine häusliche Arbeit für den Versicherungsnehmer verrichten. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, unentgeltliche häusliche Tätigkeiten und solche entgeltlichen Tätigkeiten im Rahmen eines Dienstvertrages zu versichern, häusliche Arbeiten im Rahmen einer Vereinbarung, die als Entgelt etwa die Möglichkeit der Benützung eines Wohnungsteils oä vorsieht, aber vom Versicherungsschutz auszunehmen, ist nicht zu erkennen. Entgegen der von der Klägerin in der Revision weiterhin vertretenen Ansicht kommt es daher auf die rechtliche Qualifikation der zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Beklagten betroffenen Vereinbarung nicht an und kann es daher dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um ein miet-, dienst- oder werkvertragsähnliches Verhältnis handelt.

Unter Anwendung der dargestellten Auslegungsgrundsätze ist aus diesen Erwägungen die Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte sei iSd Art 11 Z 3 AHB 1989 als Mitversicherter anzusehen, zu billigen.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Der Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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