OGH 3Ob118/00z

OGH3Ob118/00z30.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der Antragstellerin mj. Jasmin P*****, vertreten durch Mag. Ernst Lehenbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen den Antragsgegner Hasan P*****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, wegen Vollstreckbarerklärung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 7. September 1999, GZ 5 R 45/99m-17, berichtigt mit Beschluss vom 14. März 2000, GZ 5 R 45/99m-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Enns vom 22. Februar 1999, GZ 1 E 729/98s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Einleitung eines Verbesserungsverfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist das eheliche Kind des Antragsgegners; sie beantragt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Bezirksgerichtes Winterthur, Kanton Zürich, Schweiz vom 30. 10. 1990. Mit diesem Urteil wurde die Ehe des Antragsgegners auf Klage der Mutter der Antragstellerin geschieden; der Antragsgegner wurde als Beklagter "verpflichtet, der Klägerin an die Kosten des Unterhalts und der Erziehung der Tochter" ziffernmäßig bestimmte Beträge zu leisten, wobei eine Indexklausel beigefügt ist.

Die Antragstellerin legte zunächst bloß eine Ausfertigung dieses Urteils mit Rechtskraftbescheinigung vor, worauf das Erstgericht das Urteil für Österreich für vollstreckbar erklärte. Gegen diesen Beschluss erhob der Verpflichtete Rekurs und Widerspruch und brachte darin unter anderem vor, dass er zu der dem Urteil vorangehenden Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden sei und keine Möglichkeit gehabt habe, sich daran zu beteiligen.

Das Rekursgericht hob auf Grund des Rekurses den Beschluss des Erstgerichtes über die Vollstreckbarerklärung auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Einleitung eines Verbesserungsverfahrens auf. Die Antragstellerin legte hierauf beglaubigte Kopien der Amtsblätter des Kantons Zürich Nr 64 und 94 aus 1990 mit der öffentlichen Vorladung des Antragsgegners wegen dessen unbekannten Aufenthalts zur Hauptverhandlung und der Bekanntmachung dieses Urteils gegen den unbekannt abwesenden Antragsgegner vor.

Das Erstgericht erklärte sodann neuerlich das Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur vom 30. 10. 1990, mit dem der Antragsgegner zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wurde, für Österreich für vollstreckbar.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, gemäß § 79 EO dürfe die Exekution auf Grund von Akten und Urkunden, die außerhalb von Österreich errichtet und nach den da selbst geltenden gesetzlichen Bestimmungen exekutionsfähig seien, nur dann und in dem Maße stattfinden, als die Gegenseitigkeit durch Staatsverträge verbürgt sei. Im konkreten Fall sei der Vertrag vom 16. 12. 1960 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (BGBl Nr 125/1962) anzuwenden. Nach Art 12 Abs 1 dieses Vertrages würden die Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen, an denen beide Staaten beteiligt seien, durch diesen Vertrag nicht berührt. Damit finde auf das gegenständliche Verfahren das Übereinkommen vom 15. 4. 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern (BGBl Nr 294/1961), welchem sowohl die Republik Österreich als auch die Schweizerische Eidgenossenschaft beigetreten seien, Anwendung. Gemäß Art 2 Z 2 dieses Übereinkommens seien Unterhaltsentscheidungen in den anderen vertragsschließenden Staaten ohne sachliche Nachprüfung anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, wenn die belangte Partei nach dem Recht des Staates, dem die entscheidende Behörde angehöre, ordnungsgemäß geladen oder vertreten gewesen sei. Gemäß Art 4 des Übereinkommens habe die Partei, die sich auf eine Versäumnisentscheidung berufe und ihre Vollstreckung beantrage, eine beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung und der Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemäße Zustellung dieser Ladung oder Verfügung ergebe, beizubringen. Gemäß § 183 des Schweizerischen Gerichtsverfassungsgesetzes sei eine Vorladung, die einer Partei trotz sachdienlicher Nachforschungen nicht zugestellt werden könne, im Amtsblatt zu veröffentlichen. Die Antragstellerin habe durch eine beglaubigte Kopie des Amtsblattes den Kantons Zürich, Ausgabe Nr 64 vom 21. 8. 1990, nachgewiesen, dass in der Rechtssache, in der das oben zitierte Urteil ergangen sei, die das Verfahren einleitende Ladung des Antragsgegners für den 30. 10. 1990 wegen unbekannten Aufenthaltes veröffentlicht worden sei. Damit habe aber die Antragstellerin nachgewiesen, dass der Antragsgegner nach dem Recht der Schweizerischen Eidgenossenschaft ordnungsgemäß geladen worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit ersichtlich - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu fehle, ob der bloße Nachweis im Sinn des § 183 SchwGVG der Ladung durch öffentliche Bekanntmachung ausreiche, um von einer ordnungsgemäßen Zustellung der das Verfahren einleitenden Ladung auszugehen. Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Exekutionstitel ist ein Urteil des Bezirksgerichtes Winterthur, Kanton Zürich, Schweiz, vom 30. 10. 1990, mit dem die Ehe des Antragsgegners geschieden und er zur Leistung von Unterhalt an sein eheliches Kind, die Antragstellerin, verpflichtet wurde. Der Antragsgegner hatte sich an diesem Verfahren nicht beteiligt. Der Exekutionstitel ist deshalb als Versäumnisentscheidung zu behandeln (EvBl 1979/229).

Die Antragstellerin führt im Antrag auf Vollstreckbarerklärung aus, das Urteil verfüge über alle Voraussetzungen im Sinn des Art 6 Z 3 des Vertrages vom 16. 12. 1960 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, BGBl 1962/125, und des Art 4 Z 3 des im Verhältnis zur Schweiz ebenfalls anwendbaren Übereinkommens vom 15. 4. 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern, BGBl 1961/294 (Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen 1958, HUVÜ 1958).

Die Vorinstanzen haben bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung das Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen 1958 herangezogen.

Dies ist zu billigen:

Das LGVÜ ist nach dessen Art 54 noch nicht anzuwenden.

Nach Art 1 Abs 2 Z 4 Satz 1 des Vertrages zwischen Österreich und der Schweiz, BGBl 1962/125, werden die in einem der beiden Staaten gefällten gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen im anderen Staat anerkannt, wenn sie die Voraussetzung erfüllen, dass im Fall eines Versäumnisurteils die den Prozess einleitende Verfügung oder Ladung der säumigen Partei oder ihrem zur Empfangnahme berechtigten Vertreter zu eigenen Handen rechtzeitig zugestellt wurde. Ein Versäumnisurteil, das nach Ersatzzustellung der Ladung gefällt wird, kann nicht gegenseitig anerkannt oder vollstreckt werden (Matscher in JBl 1962, 364 FN 42).

Da hier die Ladung zur Hauptverhandlung über die Scheidungsklage an den Antragsgegner nicht zu eigenen Handen, sondern mit Edikt zugestellt wurde und der Antragsgegner sich nicht am Verfahren beteiligt hat, besteht nach diesem Vertrag zwischen Österreich und der Schweiz dieses Vollstreckungshindernis.

Nach Art 12 Abs 1 des Vertrages zwischen Österreich und der Schweiz, BGBl 1962/125, werden jedoch die Bestimmungen zwischenstaatlicher Abkommen, an denen beide Staaten beteiligt sind, nicht berührt.

Sowohl Österreich als auch die Schweiz (BGBl 1965/39) sind Vertragsstaaten des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vom 15. 4. 1958.

Die Prüfung der Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung des Unterhaltstitels nach dem HUVÜ 1958 beschränkt sich nach dessen Art 5 auf die im Art 2 genannten Voraussetzungen und die in Art 4 aufgezählten Urkunden.

Nach Art 4 hat die Partei, die sich auf eine Entscheidung beruft und ihre Vollstreckung beantragt, folgende Unterlagen beizubringen: 1. eine Ausfertigung der Entscheidung, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt; 2. die Urkunden, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung vollstreckbar ist; 3. im Falle einer Versäumnisentscheidung eine beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung und die Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemäße Zustellung dieser Ladung oder Verfügung ergibt.

Die von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden, nämlich eine Ausfertigung des Exekutionstitels mit Bescheinigung der Rechtskraft und die öffentlichen Bekanntmachungen der Ladung des Antragsgegners zur Hauptverhandlung und des Urteils, das den Exekutionstitel darstellt, sind nicht ausreichend.

Die von der betreibenden Partei nachgewiesene Zustellung der Vorladung und des Urteils an den Beklagten durch Veröffentlichung im Amtsblatt des Kantons Zürich entspricht bei Undurchführbarkeit der Zustellung im Ausland der dort geltenden Rechtslage (§ 183 Abs 2 GVG - ZH; Walder-Richli, Zivilprozessrecht nach den Gesetzen des Bundes und des Kantons Zürich unter Berücksichtigung anderer Zivilprozessordnungen4 § 33 Rz 15; Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- oder Handelssachen 72).

Nach Art 2 Z 2 HUVÜ 1958 können jedoch im Fall einer Versäumnisentscheidung die Anerkennung und die Vollstreckung versagt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde in Anbetracht der Umstände des Falles der Ansicht ist, dass die säumige Partei ohne ihr Verschulden von dem Verfahren keine Kenntnis hatte und sich in ihm nicht verteidigen konnte. In Österreich muss in diesen Fällen die Anerkennung und Vollstreckung versagt werden (V. Hoyer/Loewe in Heller/Berger/Stix 801 FN 5).

Die Prüfung in diese Richtung ist vor der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung von Amts wegen vorzunehmen.

Die Antragstellerin hat nur Urkunden vorgelegt, aus denen sich die öffentliche Bekanntmachung ergibt. Dieser Nachweis ist jedoch nicht ausreichend.

Die öffentliche Zustellung fällt zwar unter eine ordnungsgemäße Zustellung nach dem hier anzuwendenden Recht des Kantons Zürich, Schweiz. Sie setzt aber sachdienliche Nachforschungen über die Zustellmöglichkeit voraus (Bischof aaO). Für den Fall, dass eine Versäumnisentscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, werden nach dem HUVÜ 1958 die Schutzvorschriften zu seinen Gunsten erweitert. Die in Art 2 Z 2 HUVÜ 1958 genannten Fälle können insbesondere bei öffentlichen Zustellungen auftreten; diese erweiterte Schutzvorschrift findet jedoch dann keine Anwendung, wenn der Unterhaltsverpflichtete verschwindet, um sich der Ladung zu entziehen (Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht4 § 18 Rz 50 mwN). In diesem Fall soll sich der Beklagte auf seine Unkenntnis nicht berufen können (Schütze in Wieczorek, ZPO2 V IntZPRA I 2b zu Art 2).

Die Antragstellerin muss nach Art 4 Z 3 HUVÜ 1958 im Fall einer Versäumnisentscheidung auch Urkunden vorlegen, aus denen sich die ordnungsgemäße Ladung des Antragsgegners im Sinn des Art 2 Z 2 ergibt (EvBl 1979/229). Dies bedeutet hier, dass sie einen vom Titelgericht stammenden urkundlichen Nachweis vorlegen muss, aus dem sich die Art und der Umfang jener Nachforschungen ergibt, auf Grund deren Ergebnisses die Zustellung der verfahrenseinleitenden Ladung durch Edikt verfügt wurde.

Eines Nachweises zur Frage, ob den Antragsgegner im Sinn des Art 2 Z 2 HUVÜ 1958 ein Verschulden trifft, bedarf es hingegen jedenfalls im Fall eines Unterhaltstitels eines ehelichen Kindes nicht, weil davon auszugehen ist, dass dessen Existenz dem Vater bekannt ist und er mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen rechnen muss. Es ist ihm daher prima facie als Verschulden anzulasten, wenn er von der Einleitung eines entsprechenden Verfahrens keine Kenntnis hatte, weil er sich ohne Angabe seiner Anschrift von dem letzten bekannten Aufenthaltsort entfernte. Es ist dann Sache des Unterhaltsschuldners, in dem ihm offenstehenden Verfahren (hier gemäß § 84 EO idF vor der EO-Nov 2000 vor allem im Widerspruchsverfahren) alle jene Tatsachen vorzubringen und zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ihn kein Verschulden trifft.

Mit Recht hat das Rekursgericht in diesem Zusammenhang das Vorbringen, das der Verpflichtete in seinem Rekurs zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Ladung zur Verhandlung erstattete, dem Neuerungsverbot unterstellt. Zwar war dieses Vorbringen auch im ersten Rekurs des Verpflichteten enthalten. Es stand ihm aber schon damals das Neuerungsverbot entgegen. Wenngleich das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt, kann ein solches Vorbringen aber nicht als in dem hierauf durchgeführten erstgerichtlichen Verfahren erstattet angesehen werden. Dazu kommt hier noch, dass gemäß § 83 Abs 1 EO über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners mit Beschluss zu entscheiden ist. Diese mit der EO-Nov 1995 eingeführte Bestimmung entspricht Art 34 Abs 1 des Lugano-Übereinkommens und dem gleichlautenden Art 34 Abs 1 des Brüsseler Übereinkommens. Damit wird dem für das Exekutionsverfahren geltenden Grundsatz der Raschheit Rechnung getragen und dieser Grundgedanke der beiden Übereinkommen auch auf das Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausgedehnt (RV, zitiert in Albrecht, Die Exekutionsordnungs-Novelle 1995). Der Antragsgegner kann daher nicht im Verfahren erster Instanz und nach dem hier noch in der Fassung vor der EO-Nov 2000 anzuwendenden § 84 EO auch nicht im Rekurs gegen die Vollstreckbarerklärung Tatsachenvorbringen erstatten, sondern nur im Widerspruch gegen die Vollstreckbarerklärung. Erst im Verfahren über den hier bereits vorliegenden Widerspruch kann über den bereits dargelegten Umfang der amtswegigen Prüfung hinaus das erwähnte Vorbringen berücksichtigt werden.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren jedoch aufzuheben; das Erstgericht wird ein Verbesserungsverfahren im Sinn der obigen Ausführungen durchzuführen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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