OGH 6Ob246/00w

OGH6Ob246/00w23.10.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm Herbert W. L*****, vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Karl Ö*****, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Widerruf (Gesamtstreitwert 240.000 S), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2000, GZ 4 R 34/00z-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger war in führender Position einer Aktiengesellschaft tätig, die 1995 die Übernahme eines Unternehmens beabsichtigte. Vor dieser Übernahme gab es unter Beteiligung von Vertretern des Betriebsrates und von Gewerkschaftern Gespräche über die Sicherung von Standorten und von Arbeitsplätzen. Am 17. 5. 1995 wurde ein Verhandlungsprotokoll aufgenommen, das ua die Stellungnahme des Klägers enthält, dass das zu übernehmende Unternehmen in der bisherigen Struktur weitergeführt werde, keine Verlegung der Fertigungsstätten beabsichtigt sei und "keine Personalreduktion ohne wesentliche wirtschaftliche Gründe erfolgen sollen". Zur Standortgarantie verwies der Kläger auf sein an eine Bank gerichtetes Schreiben vom 4. 5. 1995, in dem er "für einen heute überschaubaren Zeitraum von 3-4 Jahren eine Garantie zur Aufrechterhaltung des Standortes Wien/Stadlau" abgab.

Es kam zu dem beabsichtigten Unternehmensübergang. 1999 entschloss sich der Unternehmensvorstand, österreichweit 430 Mitarbeiter abzubauen, davon 270 am Standort Wien-Stadlau. Mit Jahresende 1999 wurde der Fertigungsbetrieb des übernommenen Unternehmens in Stadlau geschlossen.

Der beklagte Politiker kritisierte in einer Presseaussendung der "Grünen" vom 17. 3. 1999 die damals bekannt gewordenen Pläne der Unternehmensführung unter der Überschrift "Massive Arbeitsplatzverluste in Wien bedenklich" und führte ua aus:

"Die Standortpläne des Industriellen ... (Kläger), die einen Personalabbau und Standortverlust bei W***** vorsehen, sind ein glatter Wortbruch des A*****-Konzernchefs, der bei Übernahme von W***** eine Standortgarantie öffentlich abgab".

"Zusehen, wie ... (Kläger) in Wien auf einen Schlag 270 Arbeitsplätze und bundesweit 430 aufkündigt, kann doch nicht die ganze Weisheit sozialdemokratischer Politik sein".

Die Vorinstanzen gaben dem auf auf § 1330 ABGB gestützten, auf die Unterlassung und den Widerruf der Behauptung gerichteten Klage, der Kläger sei wortbrüchig, insbesondere sei er im Hinblick auf Personalabbau bei der W***** Aktiengesellschaft und bestehende diesbezügliche Vereinbarungen wortbrüchig, statt. Das Berufungsgericht erachtete die Feststellung als entscheidungswesentlich, dass eine Garantie nur für drei bis vier Jahre, also höchstens bis Mai 1998 abgegeben worden sei.

Mit der außerordentlichen Revision rügt der Beklagte die Verletzung des Mündlichkeitsprinzips, des rechtlichen Gehörs und die unrichtige Annahme eines schlüssigen Tatsachengeständnisses zum Umstand, dass vor dem Beschluss auf Personalabbau eine Unternehmensanalyse eingeholt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsausführungen gehen schon deshalb ins Leere, weil die von allfälligen Verfahrensfehlern betroffenen Feststellungen und die vom Revisionswerber weiters noch angestrebten Feststellungen nicht entscheidungswesentlich sind. Der Revisionswerber will einen Sachverhalt festgestellt wissen, mit dem er den ihm obliegenden Wahrheitsbeweis nicht erbringen kann:

Bei ehrenbeleidigenden Tatsachenbehauptungen obliegt dem Äußernden der Wahrheitsbeweis. Beweisthema bilden nur diejenigen Behauptungen, die im Zusammenhang mit der bekämpften Äußerung aufgestellt wurden, weil nur diese Behauptungen beim Empfängerkreis einen richtigen oder falschen rufschädigenden Eindruck herbeiführen können. Unrichtige Behauptungen auf der Basis eines bestimmten Sachverhalts können nicht mit einem anderen, wenn auch richtigen Sachverhalt gerechtfertigt werden (6 Ob 304/98v = MR 1998, 331). Der bekämpfte Vorwurf eines Wortbruchs betrifft nach dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang der Äußerung und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck für das angesprochene Publikum (SZ 68/97 uva) nur die nicht eingehaltene Standortgarantie mit den Folgen von massiven Arbeitsplatzverlusten in Wien. Nur damit hat der Kläger seinen Vorwurf konkret begründet. Auf die vom Beklagten erst im Prozess relevierten Umstände (weitere "Wortbrüche"), wie etwa die behaupteten unternehmerischen Fehlleistungen, die Aushöhlung des Unternehmens, die fehlende Unternehmensanalyse ua kommt es nicht an. Wenn der Beklagte seinen Vorwurf konkret ausschließlich mit der nicht eingehaltenen Standortgarantie begründete, ist nur dies Beweisthema im Verfahren wegen Ehrenbeleidigung und Rufschädigung. Die Befristung der Standortgarantie mit "3-4 Jahren" ab 17. 5. 1995 steht nach der vom Beklagten selbst vorgelegten Urkunde Beilage 3 fest. Bei der gewählten unpräzisen Fristbestimmung kann entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht von einem garantierten Standort über volle vier Jahre ausgegangen werden. Wenn es 3 3/4 Jahre nach der Abgabe der Erklärung zur Ankündigung einer Standortverlegung kam, ist der Vorwurf eines Wortbruchs weder gerechtfertigt noch bewiesen.

Zur weiten Fassung des Exekutionstitels und zur Rechtsfrage, ob der Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung auch gegenüber dem Verletzten selbst verlangt werden darf, führt die Revision nichts aus.

Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

Stichworte