Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluss als nichtig aufgehoben und die Rechtssache an das Rekursgericht zurückverwiesen. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, die Zustellung einer Gleichschrift des Rekurses gegen den erstinstanzlichen Beschluss an die gefährdete Partei zu veranlassen und nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder ungenütztem Ablauf der Rekursbeantwortungsfrist erneut zu entscheiden.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
In dem zwischen den Parteien anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahren wurde über Antrag der Klägerin zur Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse durch einstweilige Verfügung ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich einer bestimmten Liegenschaft des Beklagten (auf Grund Widerspruchs mit Beschluss ON 19 eingeschränkt auf ein bestimmtes Grundstück derselben) rechtskräftig erlassen. Die einstweilige Verfügung wurde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den fristgerecht gerichtlich geltend gemachten Aufteilungsanspruch gemäß § 95 EheG bzw für den Fall nicht Nichtgeltendmachung bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung" bewilligt.
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 26. 2. 1998 (ON 71) aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Das Urteil wurde den Parteienvertretern je am 10. 3. 1998 zugestellt und von diesen mit Berufungen jeweils nur im Verschuldensausspruch bekämpft. Die Berufung der Klägerin langte am 7. 4. 1998 bei Gericht ein, jene des Beklagten am 8. 4. 1998.
Am 2. 3. 1999 beantragte die gefährdete Partei bei dem Bezirksgericht ihres Wohnsitzes die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts für das Aufteilungsverfahren. Sie legte gleichzeitig ein offenkundig von einer rechtskundigen Person verfasstes sogenanntes "Datenblatt" vor, in welchem kursorisch die Liegenschaften des Gegners der gefährdeten Partei ebenso genannt wurden wie dessen "erhebliche eheliche Ersparnisse". Das Erstgericht, an das der Verfahrenshilfeantrag samt Beilagen vom Wohnsitzgericht zuständigkeitshalber abgetreten wurde, bewilligte mit Beschluss vom 12. 4. 1999 die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts. Dieser wurde am 16. 4. 1999 von seiner Bestellung verständigt.
Am 22. 12. 1999 brachte die gefährdete Partei durch ihren Verfahrenshelfer beim Erstgericht den Antrag "auf Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens" ein, mit welchem sie eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 1 Mio begehrte. Da der Verfahrenshelfer der Ansicht gewesen sei, die Jahresfrist des § 95 EheG sei im Zeitpunkt seiner Bestellung bereits abgelaufen gewesen, habe er vorerst einen Amtshaftungsanspruch an die Finanzprokuratur gestellt, weil die den Verfahrenshilfeantrag aufnehmende Richterin offenkundig übersehen habe, gleichzeitig einen Aufteilungsantrag zu protokollieren. Nunmehr habe die Finanzprokuratur den Anspruch abgelehnt, weil der Verfahrenshilfeantrag in Anbetracht des beigeschlossenen "Datenblatts" als gerichtliche Geltendmachung des Aufteilungsanspruchs zu qualifizieren sei.
Mit Schriftsatz vom 10. 9. 1999 (ON 90) begehrte der Gegner der gefährdeten Partei die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, weil mehr als ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung vergangen sei, ohne dass ein Aufteilungsanspruch von der gefährdeten Partei geltend gemacht worden wäre. Dieser Antrag wurde der gefährdeten Partei zugestellt, die sich dazu schriftlich äußerte.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Löschung des Belastungs-, Veräußerungs- und Verpfändungsverbots bezüglich der Liegenschaft des Gegners der gefährdeten Partei ab. Das Scheidungsurteil sei am 13. 4. 1999 in Rechtskraft erwachsen. Der Verfahrenshilfeantrag für das Aufteilungsverfahren sei von der gefährdeten Partei vor Ablauf der Jahresfrist eingebracht worden.
Der dagegen fristgerecht erhobene Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei sollte laut Verfügung des Richters zwar in Gleichschrift dem Vertreter der gefährdeten Partei zugestellt werden, wurde jedoch tatsächlich - wie sich aus dem einzigen dem Rekurs angehefteten Rückschein ergibt - offenkundig versehentlich dem Vertreter des Gegners der gefährdeten Partei zugestellt. Auch die beiden Vorlageberichte ON 100 und ON 101 enthalten keinen Hinweis auf Zustellung des Rechtsmittels an die gefährdete Partei.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechtskraft des Scheidungsurteils sei mit Einbringung der beiderseits nur gegen den Verschuldensausspruch erhobenen Berufung, somit mit Ablauf des 7. 4. 1998, eingetreten. Die gefährdete Partei habe am 2. 3. 1999 den Antrag, ihr für das Aufteilungsverfahren Verfahrenshilfe zu gewähren, gestellt, aus der Beilage zu diesem Antrag sei erkennbar, dass die gefährdete Partei die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse begehre und welche Vermögenswerte in das Verfahren einzubeziehen seien. Inhaltlich liege ein verbesserungsfähiger und fristwahrender Antrag nach §§ 81 ff EheG vor, der - mangels eines Verbesserungsauftrages und einer Fristsetzung durch das Erstgericht - auch rechtzeitig in dem von der gefährdeten Partei am 22. 12. 1999 eingebrachten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens konkretisiert worden sei. Sei das Verfahren nach §§ 81 ff EheG aber fristgerecht eingeleitet worden, lägen die Voraussetzungen für die Löschung des Verfügungsverbots nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass des dagegen gerichteten Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei ist die Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses wahrzunehmen.
Nach ständiger Rechtsprechung erlischt eine einstweilige Verfügung nicht schon mit Ablauf der Frist, für die sie bewilligt wurde, sondern bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Aufhebung durch das Gericht (SZ 53/175; ÖBl 1988, 15; WBl 1992, 195; SZ 69/61; 4 Ob 194/98b). In der Rechtsprechung wurde die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen bloßen Zeitablaufs vielfach § 399 EO ("Aufhebung oder Einschränkung der getroffenen Verfügung") unterstellt, dabei jedoch jeweils eingeräumt, dass keiner der im § 399 Abs 1 Z 1 bis 4 EO genannten Gründe den bloßen Zeitablauf nenne, sodass überwiegend die Analogie zu § 399 Abs 1 Z 2 EO befürwortet, oder - weil die Aufzählung in dieser Gesetzesstelle keine taxative sei - der Zeitablauf als besonderer anderer Aufhebungsgrund den im Gesetz genannten Gründen hinzugefügt wurde (vgl die Zusammenstellung bei Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 391 Rz 6). Die Frage der Anwendbarkeit des § 399 EO ist deshalb - wie mehrfach betont wurde - von besonderer Bedeutung, weil dessen Abs 2 anordnet, der Entscheidung über die Aufhebung oder Einschränkung der einstweiligen Verfügung habe eine mündliche Verhandlung vorauszugehen. Erfolgt die Entscheidung über den Aufhebungsantrag ohne vorangehende mündliche Verhandlung, so ist sie nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nichtig im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (RZ 1995/66; EvBl 1996/86 ua).
In jüngerer Zeit ist der Oberste Gerichtshof von der dargestellten Rechtsprechungslinie abgewichen (vgl auch Zechner aaO § 399 Rz 6). So wurde etwa dann, wenn die gefährdete Partei selbst den Aufhebungsantrag gestellt hat, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich erachtet (EvBl 1996/86). In EvBl 1997/192 führte der 4. Senat aus, dass die Anordnung des § 399 Abs 2 letzter Satz EO ihrem Wortlaut nach nur Anträge auf Aufhebung oder Einschränkung einstweiliger Verfügungen nach § 399 Abs 1 Z 1 bis 4 EO umfasse, nicht jedoch auch auf § 391 Abs 2 letzter Satz EO gestützte Aufhebungsanträge. Die Beschlussfassung über die Aufhebung einstweiliger Verfügungen mangels Rechtfertigungsklage bedürfe daher keiner vorangehenden mündlichen Verhandlung. Allerdings schließe die Bestimmung des § 45 Abs 3 EO eine einseitige Behandlung eines vom Gegner der gefährdeten Partei gestellten Aufhebungsantrags aus. Es sei daher zum Aufhebungsantrag zumindest eine Äußerung des Gegners einzuholen. Dieser Rechtsansicht schloss sich der 6. Senat in 6 Ob 157/00g an und führte aus, dass die dort streitgegenständliche Aufhebung der bereits vollzogenen einstweiligen Verfügung mangels Erlags der aufgetragenen Sicherungsleistung mit den Aufhebungstatbeständen des § 399 Abs 1 Z 1 bis 4 EO nicht vergleichbar sei. Sie komme vielmehr dem Aufhebungsgrund des § 391 Abs 2 EO gleich. Die gemäß § 402 Abs 4 EO auch im Sicherungsverfahren anzuwendende Bestimmung des § 45 Abs 3 EO schließe eine einseitige Behandlung eines vom Gegner gestellten Aufhebungsantrags aus.
Dieser Rechtsansicht ist auch weiterhin zu folgen. Die Norm für die Aufhebung einstweiliger Verfügungen nach vergeblichem Ablauf der Frist findet sich ausdrücklich im § 391 Abs 2 letzter Satz EO, sodass es einer analogen Heranziehung der Bestimmung des § 399 EO nicht bedarf, zumal die dort genannten Aufhebungstatbestände wesentlich komplexer und daher eher in einer mündlichen Verhandlung zu klären sind als der im Allgemeinen - wie hier - höchstens Rechtsfragen aufwerfende ungenützte Ablauf der für die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung eingeräumten Frist. Der zitierten Vorjudikatur ist auch darin zu folgen, dass § 45 Abs 3 EO zur Anwendung zu gelangen hat. Durch die EO-Novelle 1995, BGBl Nr 519/1995, wurde unter anderem der ehedem eine mündliche Verhandlung anordnende § 45 Abs 3 EO dahin geändert, dass die Parteien vor der Entscheidung über Anträge auf Einstellung oder Einschränkung der Exekution, die nicht vom betreibenden Gläubiger selbst gestellt wurden, einzuvernehmen seien. Der in Klammer zitierte § 55 Abs 1 EO sieht vor, dass die Einvernehmung der Parteien mündlich oder durch das Abfordern schriftlicher Äußerungen geschehen könne.
Die Vorgangsweise des Erstgerichts, das den Aufhebungsantrag zur schriftlichen Äußerung zugestellt hat, ist daher nicht zu beanstanden. Allerdings bedeutet die dargestellte Nichtanwendbarkeit des § 399 Abs 2 EO nicht, dass deshalb auch § 402 Abs 1 EO unanwendbar würde. Auch das nach § 391 Abs 2 EO im Zusammenhalt mit § 45 Abs 3 EO durchzuführende Verfahren hat - wie dargestellt - unter Beteiligung des Gegners zu erfolgen und entspricht daher auch der Zielsetzung des § 402 Abs 1 EO, nach einem in erster Instanz kontradiktorischen Verfahren dem Gegner des Rekurswerbers auch in zweiter Instanz Gehör zu verschaffen (vgl 4 Ob 2331/96i). Durch die - wenngleich versehentlich - unterbliebene Zustellung des Rekurses an die gefährdete Partei wurde dieser die Möglichkeit genommen, eine Rekursbeantwortung einzubringen. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig (5 Ob 156/92; 4 Ob 2331/96i ua). Das Rekursgericht wird die Zustellung der Gleichschrift des Rekurses an die gefährdete Partei zu veranlassen und nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder fruchtlosem Verstreichen der Rekursbeantwortungsfrist erneut zu entscheiden haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402 Abs 4, 78 EO, § 52 Abs 1 ZPO. § 51 ZPO ist nicht anzuwenden, weil nur die Entscheidung, nicht aber das vorangegangene Verfahren aufgehoben wurde (EvBl 1967/290; 4 Ob 2331/96i ua; Fucik in Rechberger ZPO2 § 51 Rz 1).
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