Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto N***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (A/a) und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B) sowie der Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 1 StGB (A/b) und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (A/c) schuldig erkannt.
Danach hat er in E*****
zu A: von März 1995 bis Oktober 1998 zu wiederholten Malen dadurch, dass er seine am 26. März 1984 geborene leibliche Tochter Nicole N***** durch Versetzen von Schlägen gegen das Gesicht zum Ausziehen und Hinlegen veranlasste, sich auf sie legte und sodann mit ihr den Geschlechtsverkehr durchführte, sohin
zu a: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt;
zu b: mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen;
zu c: sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht; sowie
zu B: von März 1995 bis 26. März 1998 durch die unter A beschriebenen Tathandlungen jeweils mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen.
Die gegen diese Schuldsprüche gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Zentrale Angriffspunkte der auf die Gründe der Z 3, 4 und 5 bezogenen Beschwerde bilden die Umstände bei der kontradiktorischen Vernehmung (§ 162a StPO) des Tatopfers, die Vorführung der davon angefertigten Videoaufzeichnung in der Hauptverhandlung und die Verwertung des (für den Angeklagten nachteiligen) Filminhaltes im Urteil.
Den keine Nichtigkeit aufzeigenden Einwänden ist zusammenfassend zu erwidern:
Rechtliche Beurteilung
Wie die Beschwerde selbst einräumt, wurde Otto N***** zur kontradiktorischen Vernehmung geladen (S 3a) und war bei dieser auch tatsächlich anwesend. Die (erst in der Rechtsmittelschrift aufgestellten) Behauptungen der Unterlassung der Belehrung des zu dieser Zeit noch nicht anwaltlich vertretenen Angeklagten über sein Fragerecht und des Vorliegens einer "psychischen Ausnahmesituation" infolge der erstmaligen Konfrontation mit massiven (über die erste Verdachtslage nach § 212 Abs 1 StGB hinausgehenden) Anschuldigungen seiner Tochter begründen - auch unter dem relevierten Aspekt des Art 6 Abs 3 lit d MRK - keine Nichtigkeit; besteht doch grundsätzlich im Vorverfahren unabhängig vom späteren Anklagevorwurf kein Verteidigerzwang (§ 41 StPO) und die Möglichkeit, bei jeder Verdachtslage (bei gegebenen Voraussetzungen des § 162a StPO) kontradiktorische Vernehmungen durchzuführen (vgl 14 Os 100/98). Dass der Beschwerdeführer von der ihm gebotenen Gelegenheit, Fragen an die Belastungszeugin zu stellen, nicht Gebrauch machte, ist auch im konkreten Fall nicht relevant. Entgegen dem Beschwerdevorbringen gab der Angeklagte überdies an, bereits im Juli 1999, somit geraume Zeit vor dem Vernehmungstermin am 4. November 1999, von den (weitergehenden) Vorwürfen seiner Tochter erfahren zu haben (S 27 iVm 253).
Demnach geht die Beschwerdeargumentation, die aus diesen Umständen Nichtigkeit der gegen den Widerspruch der Verteidigung vorgenommenen Vorführung (S 303) der Videoaufzeichnung der kontradiktorischen Vernehmung (ON 10) sowie des Urteils durch Verwertung des belastenden Vernehmungsinhalts für die Entscheidungsfindung (Z 3 und 5) ableitet, ins Leere. Infolge der Gleichstellung von Protokollen und technischen Aufzeichnungen über Vernehmungen (14 Os 132/94; 11 Os 124/99) ist es im Übrigen auch belanglos, ob das Beweismittel nur durch Vorführung des Videofilms oder/und durch Protokollverlesung in die Hauptverhandlung Eingang gefunden hat (§ 258 Abs 1 StPO; vgl zum Ganzen auch Ratz: Zweifelsfragen beim [eingeschränkten] Verlesungsverbot nach § 252 StPO, ÖJZ 2000, 550 ff).
Insoweit der Beschwerdeführer das Unterbleiben eines Zwischenerkenntnisses gemäß § 238 Abs 1 StPO über die Zulässigkeit der Videovorführung, obwohl sich der Verteidiger dagegen ausgesprochen hatte (S 303), moniert (Z 4), mangelt es ihm wegen der fehlenden Antragstellung zur Herbeiführung einer Senatsentscheidung an der erforderlichen Legitimation zur erfolgreichen Geltendmachung der Verfahrensrüge (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 6 f).
Durch die Abweisung des Beweisantrages auf Einholung einer Auskunft des Verbandes der Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse des Angeklagten in der Zeit von 1995 bis 1998 sowie die Beischaffung der Arbeitsaufzeichnungen von diesen Firmen zum Beweise dafür, dass der Angeklagte im Zeitraum 1995 bis 1998 an Wochentagen immer auswärts beschäftigt war und nur an den Wochenenden zu Hause war (S 303), wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt (Z 4). Denn die exakte Eingrenzung der Tatzeitpunkte betrifft fallbezogen keine erhebliche Tatsache für die Lösung der Schuldfrage, da die der Verurteilung zu Grunde liegenden Taten an nicht näher bestimmten Tagen (wiederholte Male zwischen März 1995 und Oktober 1998) begangen worden sind (US 1, 4).
Mit gleicher Begründung ist dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5) zu entgegnen, dass kein Widerspruch über eine entscheidende Tatsache, nämlich die letzte Tatbegehung (bis Oktober 1998 laut US 1 bzw im Herbst [September/Oktober] 1998 laut US 4) vorliegt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 18).
Unter den Aspekten einer Scheinbegründung und Unvollständigkeit greift der Nichtigkeitswerber abermals die für die rechtliche Beurteilung der Taten oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes nicht relevante Frage genauerer Tatzeitbestimmung auf und bekämpft in Wahrheit in unzulässiger Weise nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter. Mit der behaupteten Aktenwidrigkeit hinsichtlich des Zeitpunktes, zu welchem die Sachverständige Dr. G***** den Angeklagten für verdächtig hielt, spricht der Beschwerdeführer wiederum keine entscheidende Tatsache an.
Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 5a) läuft abermals auf eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus, indem der Beschwerdeführer aus Aussagedetails darzustellen versucht, er habe zeitlich gar keine Gelegenheit gehabt, die festgestellten Beischlafshandlungen mit seiner Tochter ungestört vorzunehmen, um dadurch die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin in Zweifel zu ziehen. Damit vermag er aber keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit entscheidender Tatsachen, die überdies in der Rechtsmittelschrift nur pauschal als solche erwähnt, aber nicht näher konkretisiert werden, zu wecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich in dem einzigen Hinweis, das angefochtene Urteil enthalte keine Feststellungen zur inneren Tatseite. Dabei übergeht aber der Beschwerdeführer den aus Spruch und Gründen des Urteils hinreichend hervorkommenden Vorsatz, das Nötigungsmittel der Gewalt zur Erreichung der Duldung des Beischlafs eingesetzt zu haben (US 1, 2 iVm 4 und 7). Demnach ist der relevierte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil die Beschwerde nicht den gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 9 lit a E 5).
Aus den genannten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde schon in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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