OGH 2Ob153/00i

OGH2Ob153/00i2.8.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Albert K*****, vertreten durch Dr. Peter Bartl und Dr. Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Wilhelm P***** und 2. *****Versicherung AG, ***** vertreten durch Dr. Janko Tischler jun, Rechtsanwalt-Kommandit-Partnerschaft in Klagenfurt, wegen S 1,750.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23. März 2000, GZ 6 R 172/99g-67, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. April 1999, GZ 22 Cg 284/97z-53, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 24.462,90 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 4.077,15, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 16. 12. 1989 bei einem Verkehrsunfall, den der Erstbeklagte als Lenker eines bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeuges verschuldete, schwer verletzt. Mit Urteil wurde die Haftung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für alle Folgen aus diesem Verkehrsunfall - hinsichtlich der zweitbeklagten Partei der Höhe nach eingeschränkt - festgestellt.

Der Kläger begehrt den Ersatz seines Verdienstentganges für die Jahre 1993 bis einschließlich 1997, wobei er mit der am 24. 12. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage einen Betrag von S 300.000 geltend machte. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. 10. 1998 dehnte er das Klagebegehren auf S 500.000 und in jener vom 7. 4. 1999 auf S 1,750.000 aus. Er machte geltend, aufgrund des unfallsbedingten Ausfalles seiner Arbeitskraft habe er 10 Mitarbeiter abbauen müssen. Mit der zweitbeklagten Partei seien bis Ende November 1997 Vergleichsverhandlungen geführt worden, doch habe eine Einigung nicht erzielt werden können.

Die beklagten Parteien bestritten das Entstehen eines Verdienstentganges. Hinsichtlich des in der Verhandlung vom 7. 4. 1999 ausgedehnten Klagebegehrens wurde Verjährung "für jene Ansprüche bis einschließlich März 1996" eingewendet, worauf der Kläger replizierte, erst durch das Gutachten des Sachverständigen Kenntnis vom Schaden und dessen Höhe erlangt zu haben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte der Kläger 23 Gesellen und zumindest vier Lehrlinge beschäftigt, sein Betrieb ging gut. Er war bis zum Unfall bei gesellschaftlichen Ereignissen immer präsent. Er hielt sich häufig in verschiedenen Lokalen und Gasthäusern auf, wobei es ihm gelang, diverse Geschäfte zu akquirieren.

Seit dem Unfall ist dem Kläger all dies nicht mehr im seinerzeitigen Ausmaß möglich.

Nach dem Unfall war der Kläger für ca ein Jahr überhaupt nicht in der Lage in seinem Betrieb mitzuarbeiten. Erst nach diesem Zeitraum begann er wieder langsam im Betrieb mitzuhelfen. Er versuchte in der Folge wieder Geschäfte zu akquirieren, was ihm aber nicht im seinerzeitigen Ausmaß gelang. Krankheitsbedingt verkehrte er auch kaum noch in Gasthäusern. Bei diversen gesellschaftlichen Ereignissen war er ebenfalls nicht mehr präsent. Unfallsbedingt war er verhalten, keinen Alkohol zu trinken. Neben den Problemen mit der Bauchspeicheldrüse hatte er Probleme mit seinem rechten, ebenfalls durch den Unfall geschädigten Handgelenk. Er konnte deshalb mit der rechten Hand nicht mehr heben. Neben den körperlichen erlitt er auch psychische Beeinträchtigungen. Er neigt zu cholerischen Ausbrüchen und muss zur Bekämpfung seiner partiell depressiven Zustände Medikamente einnehmen. Unfallsbedingt neigt er leicht zu Infektionen, ist andauernd verkühlt und leidet an Kreuzschmerzen. Er konnte nach dem Unfall seine Lebenserfahrung und seine Berufserfahrung nur mehr in wesentlich geringerem Umfang als vorher in seinen Betrieb einbringen.

Er betreibt als Einzelunternehmer ein Ausbau- und Bauhilfsgewerbeunternehmen, welches Parkettböden, Fassaden, Malerei, Beschichtungen, Markisen und Jalousien, Vollwärmeschutzanstriche, Tapeten und Vorhänge anbietet sowie einen Farbenfachhandel zum Gegenstand hat.

Die Unternehmensgröße von rund 10 Millionen Schilling Jahresumsatz erfordert die Mitarbeit des Unternehmers in sämtlichen Bereichen. Ein Delegieren auch nur von Teilbereichen führt automatisch zu spürbaren Einbußen im Unternehmerlohn.

In der Zeit von 1993 bis einschließlich 1997 ist dem Kläger unfallsbedingt ein jährlicher Verdienstentgang zwischen S 100.000 und S 600.000 entstanden.

Der Kläger hat seit Ende 1994/Anfang 1995 mit der zweitbeklagten Partei Vergleichsverhandlungen über seinen Verdienstentgang geführt. Eine exakte Auskunft darüber, ob und in welcher Höhe ein allenfalls geltend zu machender Verdienstentgang unfallsbedingt entstanden ist, wurde dem Kläger nicht erteilt. Sein Steuerberater vertrat die Ansicht, ein allfälliger Verdienstentgang sei nicht sehr hoch.

Zwischen den Vertretern der Streitteile wurde zwar betreffend den Verdienstentgang korrespondiert, doch scheiterte die in Aussicht genommene vergleichsweise Streitbeilegung.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in der Verhandlung vom 8. 7. 1998 erfuhr der Kläger definitiv, dass ihm ein Verdienstentgang entstanden war, wobei er zunächst von einem Betrag von rund S 600.000 ausging. Über Ersuchen des Beklagtenvertreters unterblieb eine Ausdehnung des Klagebegehrens auf diesen Betrag (Gerichtsgebühren) und wurden neuerlich Vergleichsgespräche in Aussicht genommen.

In rechtlicher Hinsicht ermittelte das Erstgericht gemäß § 273 Abs 1 ZPO einen Verdienstentgang des Klägers von jährlich durchschnittlich S 350.000. Der Verjährungseinwand der beklagten Partei widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Das von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es die beklagten Parteien zur Zahlung von S 937.500 sA verurteilte; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 812.500 sA wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, es bestehe ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall des Klägers und dem eingetretenen Verdienstentgang. Der von den beklagten Parteien erhobene Verjährungseinwand bestehe jedoch zu Recht. Nach ständiger Rechtsprechung unterlägen nach einem Feststellungsurteil verfallende Renten und wiederkehrende Leistungen auch dann, wenn es die Verpflichtung zum Ersatz solcher künftig fällig werdender Renten und wiederkehrender Leistungen in sich begreife, der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1480 ABGB. Bei der Beurteilung einer jährlich wiederkehrenden Leistung komme es nicht darauf an, ob der zu zahlende Betrag immer gleich hoch sei. Die Höhe der einzelnen Leistungen müsse nicht vor vornherein festgelegt sein, sie könne schwanken, und es könne sich ergeben, dass zu einzelnen Terminen keine Leistungen zu erbringen seien. Die regelmäßige Wiederkehr beziehe sich auf die Zeit, nicht auf die Gleichmäßigkeit des Betrages. Bestehe also die Verbindlichkeit nur in fortlaufenden Leistungen und habe darin ihre charakteristische Erscheinung, dann greife die dreijährige Verjährung auch ein, wenn die Beträge in der Höhe wechselten und gelegentlich sogar ganz entfielen (ZVR 1994/40). Bei dem Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstentgang handle es sich um einen Anspruch auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 1480 ABGB. Der Anspruch sei von vornherein und seiner Natur nach auf Leistungen gerichtet, die in regelmäßiger Wiederkehr zu erbringen seien. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche unterlägen somit der dreijährigen Verjährungsfrist ungeachtet des Feststellungsurteils.

Zur Zeit der Klagsausdehnung seien dem Kläger Schaden und Ersatzpflichtige mehr als drei Jahre so weit bekannt gewesen, dass er mit Aussicht auf Erfolg Klage erheben hätte können. Vergleichsverhandlungen könnten nur zur Ablaufhemmung führen, würden aber die Verjährung nicht unterbrechen. Der Verjährungseinrede habe der Kläger nur entgegengehalten, dass er erstmals durch das Gutachten des Sachverständigen Kenntnis vom Schaden und von der Höhe des Schadens erlangt habe. Dieser Einwand sei aber verfehlt. Die Replik der Arglist sei weder ausdrücklich erhoben worden noch habe der Kläger entsprechende Tatsachen vorgebracht. Es seien daher die bis einschließlich März 1996 ausgedehnten Ansprüche verjährt.

Lege man den in der Verhandlung vom 7. 4. 1999 ausgedehnten Betrag von S 1,250.000 auf 5 Jahre um, gelange man zu einem jährlich Verdienstentgangsanspruch von S 250.000 bzw einem solchen in der Höhe von S 20.833,33 pro Monat. Daraus folge, dass der Klagsanspruch im Umfang von S 500.000, von S 250.000 für das Jahr 1997 und für neun Monate des Jahres 1996, sohin mit S 937.500 samt Zinsen zu Recht bestehe, während das Mehrbegehren verjährt sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig, es begründete diesen Ausspruch damit, dass es an den in § 502 Abs 1 ZPO genannten Voraussetzungen fehle.

Gegen dieses Urteil erhoben sowohl der Kläger als auch die beklagten Parteien Revisionen.

Die Revision der beklagten Parteien wurde mit Beschluss vom 26. 5. 2000 zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil es zum Beginn der Verjährung bei Folgeverdienstentgangsansprüchen keine Rechtsprechung gibt, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Kläger geltend, das Erstgericht habe festgestellt, dass er erst aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in der Verhandlung vom 8. 7. 1998 davon Kenntnis erhalten habe, dass ihm ein Verdienstentgang entstanden sei. Diese Feststellung sei vom Berufungsgericht auch unverändert übernommen worden. Aktenwidrig sei das Berufungsgericht in seiner Entscheidung aber davon ausgegangen, dass zur Zeit der Klagsausdehnung Schaden- und Ersatzpflichtiger mehr als drei Jahre so weit bekannt gewesen seien, dass er mit Aussicht auf Erfolg Klage erheben hätte können. Diese Ausführung finde keine Deckung im Beweisverfahren und in den Feststellungen.

Weiters habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZVR 1994/40 klargestellt, dass eine "wiederkehrende Leistung" im Sinne des § 1480 ABGB nur dann anzunehmen sei, wenn feststehe, dass die Leistung in Zukunft regelmäßig wiederkehrend in bestimmten Zeitabständen zu erbringen sei. Wesentlich sei, dass ein Schwanken der Höhe des Verdienstentganges der Qualifikation als wiederkehrende Leistung nicht schade; maßgeblich sei nur, dass das zeitliche Faktum des Wiederkehrens zu bestimmten Zeitpunkten feststehe. Diese Grundsätze könnten naturgemäß nicht angewendet werden, wenn der äußere Anschein dafür spreche, dass der Verdienstentgang "nicht mehr wiederkehre", sondern für alle Zukunft endgültig weggefallen sei. Genau dies hätten aber die beklagten Parteien immer wieder behauptet. Der Kläger habe diesem objektiven Anschein nichts als vage Vermutungen entgegensetzen können. Eine besondere weitere Erkundigungspflicht oder gar die Pflicht, auf eigene Kosten oder auf eigenes Risiko ein aufwendiges Privatgutachten einzuholen, habe nicht bestanden.

Auch die Feststellungen des Erstgerichtes zur Arglist bzw zum Verstoß gegen Treu und Glauben bei der Erhebung des Verjährungseinwandes durch die beklagten Parteien seien zu berücksichtigen, weil sie im Gesamtvorbringen des Klägers Deckung fänden.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt zwar grundsätzlich nur dann vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden, er ist jedoch auch dann gegeben, wenn der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes in Wahrheit vom Ersturteil abweichende Feststellungen zugrundegelegt wurden (Kodek in Rechberger**2, ZPO Rz 4 zu § 503 mwN). Ob im vorliegenden Fall die Entscheidung des Berufungsgerichtes tatsächlich mit einer Aktenwidrigkeit behaftet ist, kann hier aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:

Nach dem JME, RGBl Nr 105/1858, der nach wie vor in Geltung ist (Indexzahl 20.13.12 des Anhanges zum 1. RBG) sind alle nach einem Feststellungsurteil verfallenden Renten auch dann, wenn es die Verpflichtung zum Ersatz solcher künftig fällig werdender Renten in sich schließt, der in § 1480 ABGB statuierten dreijährigen Verjährung unterworfen (RIS-Justiz RS0034202; SZ 67/135). Auch der Anspruch auf Verdienstentgang ist als Rentenanspruch zu beurteilen (RIS-Justiz RS0030928; ZVR 1994/40). Die Verpflichtung zum Ersatz der hier klagsgegenständlichen Ansprüche ist daher der in § 1480 ABGB statuierten und nicht der im § 1489 erster Satz ABGB vorgesehenen dreijährigen Verjährung unterworfen (SZ 67/135). Soweit das Gesetz aber keine Ausnahme macht, beginnt die Verjährung einer Forderung grundsätzlich mit der objektiven Möglichkeit der Einforderung. Dies ergibt sich aus § 1478 ABGB und gilt auch für die in § 1480 ABGB geregelten Fälle (5 Ob 1503/93 = RdW 1993, 241; Mader in Schwimann**2, ABGB Rz 4 zu § 1480). Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht zuerst hätte ausgeübt werden können, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis mehr entgegensteht (RIS-Justiz RS00342343; SZ 69/60; Mader, aaO, Rz 3 zu § 1478 mwN). Subjektive, in der Person des Berechtigten gegebene Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährung ebensowenig Einfluss, wie praktische Erwägungen. Die Kenntnis des Berechtigten von seinem Recht ist daher nicht erforderlich (Mader, aaO, Rz 6 zu § 1478 mwN).

Die objektive Möglichkeit, den Schaden geltend zu machen, bestand aber im vorliegenden Fall bereits bei Schadenseintritt, weshalb der Verjährungseinwand der beklagten Parteien im Ergebnis berechtigt ist.

Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger die Replik der Arglist weder ausdrücklich noch der Sache nach erhoben hat.

Der Revision des Klägers war sohin keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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