OGH 1Ob95/00b

OGH1Ob95/00b25.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 1,000.000 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 1999, GZ 14 R 186/99x-16, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Mai 1999, GZ 31 Cg 13/98d-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei beantragte am 12. 12. 1995 beim Österreichischen Patentamt die Registrierung einer Wortbildmarke. Am 16. 2. 1996 wurde diese Marke in das österreichische (nationale) Markenregister eingetragen. Am 24. 5. 1996 beantragte die klagende Partei beim Patentamt die internationale Registrierung dieser Marke. Die zuständige Sachbearbeiterin der internationalen Abteilung des Österreichischen Patentamts forderte den Akt über die nationale Registrierung der Marke am 28. 5. 1996 an, um einen Identitätsvergleich zwischen der bereits registrierten nationalen Marke und jener Marke vornehmen zu können, die Inhalt des Antrags auf internationale Registrierung war. Erst am 21. 11. 1996 wurde der "nationale Markenakt" nach Urgenz übermittelt; der Antrag auf internationale Registrierung langte daher erst am 26. 11. 1996 beim Internationalen Büro in Genf ein. Zwischenzeitig war eine ähnliche Marke eines Konkurrenten der klagenden Partei in das internationale Markenregister eingetragen worden, weshalb die klagende Partei vom internationalen Schutz ihrer Marke Abstand nehmen musste.

Die klagende Partei begehrte (vorläufig) die Verurteilung des beklagten Rechtsträgers zur Zahlung von 1 Mio S samt 7 % Zinsen ab 27. 11. 1997 aus dem Titel der Amtshaftung, bezifferte ihren Gesamtschaden in der Klage jedoch mit S 32,404.984,62. Das Österreichische Patentamt habe den Antrag der klagenden Partei auf internationale Registrierung der Marke nicht fristgerecht an das Internationale Markenbüro in Genf übersandt, sodass die klagende Partei der Priorität ihrer Marke auf internationaler Ebene verlustig gegangen sei und ein Konkurrenzunternehmen eine vorrangige Marke habe registrieren lassen können. Kosten der Produkt- und Markenentwicklung, der Markenanmeldung und verschiedene andere Auslagen bzw Aufwände seien frustriert, weshalb die beklagte Partei Schadenersatz für das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Österreichischen Patentamts zu leisten habe.

Die beklagte Partei wendete ein, es sei gesetzlich keine Frist vorgesehen, innerhalb welcher ein Antrag auf internationale Markenregistrierung zu bearbeiten und an das Internationale Büro in Genf zu übermitteln sei. Jedenfalls treffe die klagende Partei aber ein Mitverschulden, weil sie die Bearbeitung ihres Antrags nicht durch entsprechende Hinweise beschleunigt habe, obwohl ihr das Konkurrenzverhältnis mit dem Unternehmen, zu dessen Gunsten schließlich eine ähnliche Marke registriert worden sei, bekannt gewesen sei.

Das Erstgericht erkannte das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Nach der im Zeitpunkt der Antragstellung herrschenden Rechtslage sei der Registrierung einer internationalen Marke das Datum des Gesuchs um internationale Registrierung im Ursprungsland (und damit diese Priorität) beigemessen worden, sofern das Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach diesem Zeitpunkt beim Internationalen Büro eingegangen sei. Bei Nichteinlangen innerhalb dieser Frist erhalte die Registrierung das Datum des Einlangens beim Internationalen Büro (Art 3 Abs 4 des Madrider Markenabommens (MMA)). Dies sei den zuständigen Sachbearbeitern des Österreichischen Patentamts bekannt gewesen. Ein internes Fristenvormerkverzeichnis, welches den Beginn und das Ende dieser Frist nachvollziehbar und kontrollierbar gestaltet hätte, habe nicht existiert. Eine "positiv-rechtliche Norm", die ausdrücklich festlege, "in welchem Zeitraum das Österreichische Patentamt einen solchen Antrag auf internationale Registrierung an das Internationale Büro in Genf weiterzusenden hätte", habe nicht bestanden. Hätte das Österreichische Patentamt den Antrag der klagenden Partei auf internationale Registrierung innerhalb der Zweimonatsfrist an das Internationale Büro in Genf übermittelt, wäre die Marke der klagenden Partei gegenüber der ähnlichen Marke deren Konkurrenten "vorrangig" gewesen. Durch das verspätete Einlangen beim Internationalen Büro seien der klagenden Partei frustrierte Aufwendungen entstanden. Der Umstand, dass der Antrag der klagenden Partei monatelang unbearbeitet geblieben sei, sei als rechtswidriges Verhalten im Sinne des § 1 AHG zu qualifizieren. Das Österreichische Patentamt sei wie alle Verwaltungsbehörden verpflichtet, Anträge einer ehestmöglichen Entscheidung zuzuführen. Schutzzweck dieser Entscheidungspflicht von Verwaltungsbehörden sei, Verfahrensparteien vor allen denkbaren Nachteilen zu bewahren, die an Verzögerungen bei der Erledigung eines Verfahrens geknüpft seien. Da die Behörde überhaupt keine Vorkehrungen getroffen habe, um den Akten- und Fristenlauf zu kontrollieren und "nachvollziehbar zu machen" bzw Sicherungsmechanismen vorzusehen, um die "zweimonatige Schutzfrist" einzuhalten, sei die Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach zu bejahen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die internationale Registrierung einer im Ursprungsland geschützten Marke beim Internationalen Büro in Genf erfolge durch Vermittlung der Behörde des Ursprungslandes. Das Registrierungsgesuch richte sich zwar an das Internationale Büro, sei aber bei der jeweiligen nationalen Behörde (hier: Österreichisches Patentamt) einzureichen. Die Behörde des Ursprungslands habe eine Kontroll- und Vermittlungsfunktion. Behörden hätten ganz allgemein ihre Erledigungen "ohne unnötigen Aufschub" durchzuführen. Beabsichtige die angerufene Behörde, einem Antrag auf Vornahme einer wie immer gearteten Tätigkeit nicht zu entsprechen, so sei sie verpflichtet, diesen Antrag mittels Bescheids zurück- bzw abzuweisen. Das Österreichische Patentamt hätte daher ohne unnötigen Aufschub handeln und das Gesuch auf Registrierung der internationalen Marke raschest weiterleiten müssen. Es sei kein Grund für die verzögerte Vorlage des internationalen Markengesuchs ersichtlich. Angesichts der Verletzung der "Entscheidungspflicht" des Österreichischen Patentamts sei die Haftung der beklagten Partei somit dem Grunde nach zu bejahen. Ein Mitverschulden der klagenden Partei liege nicht vor. Die Kenntnis von Konkurrenten indiziere nicht, dass dieses ähnliche Markenideen wie die klagende Partei entwickelten. Der klagenden Partei bzw deren Patentanwalt falle auch die Verletzung einer "Überwachungsobliegenheit" nicht zur Last, weil der Antrag auf internationale Registrierung nicht verloren gegangen, sondern nur nicht weitergeleitet worden sei.

Die Revision der beklagten Partei ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art 1 Abs 2 MMA können sich die Angehörigen eines jeden der Vertragsländer in allen übrigen Vertragsländern des Madrider Markenabkommens den Schutz ihrer im Ursprungsland für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen Marken dadurch sichern, dass sie diese Marken durch Vermittlung der Behörde des Ursprungslandes bei dem im Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum vorgesehenen Internationalen Büro für geistiges Eigentum hinterlegen. Der Inhaber einer nationalen Marke muss den Antrag auf Vermittlung des Gesuchs um internationale Registrierung an das nationale Patentamt richten (vgl Fezer, Markenrecht2 Rz 2 zu Art 3 MMA). Die Behörde des Ursprungslands (hier: Österreichisches Patentamt) hat eine Kontroll- und Vermittlungsfunktion, sie hat zu prüfen, ob das vom Antragsteller abgefasste Registrierungsgesuch den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Dann hat sie das Gesuch dem Internationalen Büro weiterzureichen (Fezer aaO Rz 3 zu Art 3 MMA). Dies bedeutet, dass sich der Inhaber einer nationalen Marke der inländischen zuständigen Behörde bedienen muss, um die Registrierung einer internationalen Marke beim Internationalen Büro zu erwirken. Das österreichische Patentamt hat somit zu entscheiden, ob es - infolge Vorliegens der gesetzlichen Anforderungen - das Registrierungsgesuch an das Internationale Büro weiterleitet oder ob es den Antrag des Markeninhabers auf Weiterleitung ab- bzw zurückweist. Schutzzweck jeder Entscheidungspflicht ist es, die Parteien des Verfahrens vor allen denkbaren Nachteilen zu bewahren, die an Verzögerungen bei der Erledigung des Verfahrens geknüpft sind (EvBl 1991/172 uva). Zwar ist der beklagten Partei zuzugestehen, dass im Madrider Markenabkommen nicht dezidiert festgelegt ist, innerhalb welcher Frist die nationale Behörde ein Gesuch auf Registrierung einer internationalen Marke dem Internationalen Büro vorzulegen hat, wird jedoch auf die fristorientierte Bestimmung des Art 3 Abs 4 MMA Bedacht genommen, nach der die Registrierung das Datum des Gesuchs um internationale Registrierung im Ursprungsland erhält, sofern das Gesuch beim Internationalen Büro innerhalb von zwei Monaten nach diesem Zeitpunkt eingegangen ist, so kann es nicht bezweifelt werden, dass das Gesuch - soweit dem gravierende Gründe nicht entgegenstehen, v.a. das Registrierungsgesuch den gesetzlichen Anforderungen entspricht - innerhalb dieser rangwahrenden Frist von zwei Monaten dem Internationalen Büro vorzulegen ist, um die antragstellende Partei vor daraus möglichen Nachteilen zu bewahren. Insofern war das Österreichische Patentamt als Organ der beklagten Partei zum fristgerechten Handeln verpflichtet und sein pflichtgemäßes Handeln hätte - nach den Feststellungen hätte die Marke der klagenden Partei bei rechtzeitiger Einwendung die Priorität vor der der Konkurrentin genossen - auch den Eintritt des Schadens verhindert. Die Unterlassung der Weiterleitung des Antrags innerhalb der Zweimonatsfrist ist, da zureichende Gründe für die verspätete Einsendung nicht einmal behauptet wurden, rechtswidriges Organverhalten (vgl EvBl 1991/172; SZ 54/86 uva). Das Verschulden des Organs der beklagten Partei ergibt sich schon allein daraus, dass dieses keinerlei Vorkehrungen zur Einhaltung der zitierten Frist getroffen hat.

Auch ein Mitverschulden der klagenden Partei ist zu verneinen: Es mag durchaus sein, dass die klagende Partei durch "nationale Markenanmeldungen in anderen Staaten" entsprechenden Schutz ihrer Marke in diesen Staaten hätte erlangen können. Zweck des besonderen (internationalen) Markenverbands die Vereinfachung und Verbilligung des Verfahrens zur Erlangung von Markenschutz in den verschiedenen Verbandsstaaten. Eine einzige Hinterlegung beim Internationalen Büro in Genf begründet für alle Markenverbandsstaaten, für die der Schutz beantragt wird, den gleichen Schutz wie eine dort unmittelbar bewirkte Hinterlegung (Fezer aaO Rz 1 zu Art 1 MMA). Österreich ist dem Madrider Markenabkommen beigetreten und bekennt sich sohin auch zum Zweck des besonderen Markenverbands, weshalb es auch jedem österreichischen Unternehmen die vereinfachte und verbilligte Erlangung internationalen Markenschutzes zu ermöglichen hat. V.a. kann es den Inhaber einer nationalen Marke nicht auf den beschwerlichen Umweg der nationalen Registrierung in den übrigen Vertragsstaaten verweisen. Die Tatsache, dass der Markenschutzwerber Kenntnis von Konkurrenten bzw von deren Aktivität, selbst Markenschutz zu erlangen, hat, rechtfertigt es noch nicht, ihn darauf zu verweisen, sich den Schutz seiner Marke durch Registrierung bei den einzelnen nationalen Behörden zu sichern, soll ihm doch gerade das Madrider Abkommen einen einfachen und verkürzten und damit billigeren Weg zum internationalen Markenschutz bieten.

Der Zweck des Beilegens einer Halbschrift zum Antrag auf internationale Registrierung kann nicht darin liegen, die dem Gesetz entsprechende Vorgangsweise des Patentamts zu überwachen. Zweck einer solchen Rubrik ist es vielmehr, sich Gewissheit zu verschaffen, dass das Ansuchen um internationale Registrierung bei der nationalen Behörde eingelangt ist. Es hieße die Sorgfaltspflicht eines Markeninhabers bzw Patentanwalts überspannen, wollte man ihm die Kontrolle der dem Gesetz entsprechenden Vorgangsweise des Österreichischen Patentamts auferlegen. Grundsätzlich kann die Partei - es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für Gegenteiliges vor - mit einer rechtmäßigen Vorgangsweise der Behörden rechnen. Ausgehend von diesen Grundsätzen war die klagende Partei aber auch nicht verpflichet, die Weiterleitung ihres Ansuchens beim Patentamt zu urgieren, zumal sich ihr - namentlich in der maßgeblichen Zweimonatsfrist - keinerlei Anhaltspunkte boten, dass das Patentamt untätig bleiben werde (vgl EvBl 1991/172). Unter Rechtsmittel im Sinne des § 2 Abs 2 AHG sind aber nur prozessuale Rechtsbehelfe - wenn auch im weiteren Sinn - zu verstehen, die dazu dienen, fehlerhafte Entscheidungen, sei es im Instanzenweg, sei es auf andere Weise, zu beseitigen (SZ 52/119). Aber selbst wenn man - wie die Entscheidung JBl 1980, 42 - auch Urgenzen unter den weiten Rechtsmittelbegriff des § 2 Abs 2 AHG subsumierte, wäre für die beklagte Partei nichts gewonnen, wurde doch auch in der genannten Entscheidung ausgesprochen, dass bestimmte Bedenken den Rechtsmittelwerber zu einer Urgenz hätten veranlassen müssen. Im vorliegenden Fall durfte die klagende Partei aber auf die Einhaltung der dem Patentamt obliegenden Verpflichtungen vertrauen.

Die beklagte Partei hat in ihrer Berufung nicht eingewendet, dass die Erlassung eines Zwischenurteils unzulässig gewesen sei, weil noch nicht sämtliche Ansprüche dem Grunde nach als zu Recht bestehend feststünden und für einen der Ansprüche grobes Verschulden Voraussetzung sei. Diesen Einwand kann sie im Revisionsverfahren nicht mehr nachholen (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 503). Dass die Entscheidung der ersten Instanz nicht ausdrücklich mit "Zwischenurteil" überschrieben war, enthob sie nicht ihrer Verpflichtung zur Erhebung der entsprechenden Rüge, war die Entscheidung doch eindeutig als Zwischenurteil zu erkennen (arg.: "... Klagebegehren besteht dem Grunde nach zu Recht"; "... war mittels Zwischenurteil vorzugehen").

Der Revision der beklagten Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 iVm § 393 Abs 4 ZPO.

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