OGH 1Ob167/00s

OGH1Ob167/00s25.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Josef B*****, und 2) Annemarie B***** beide*****, beide vertreten durch Dr. Reinhardt Paulitsch, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Michael W*****, vertreten durch Dr. Hans Rieger, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen 1,628.343,20 S sA infolge der ordentlichen Revisionen beider Parteien (Revisionsinteresse je 814.171,60 S sA) gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2000, GZ 22 R 489/99i-28, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 22. September 1999, GZ 3 C 1102/97y-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Den Parteien fallen die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zur Last.

Text

Begründung

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, den Klägern 814.171,60 S sA an Konventionalstrafe zu zahlen und wies das Klagemehrbegehren von 814.171,60 S sA sowie ein Zinsenmehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle an einer Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zur Kritik Kerschners (in Jabornegg, HGB Rz 12 zu § 348) an der Entscheidung 8 Ob 640/93 (= EvBl 1994/118 = WBl 1994, 169). Außerdem bedürfe es einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum richterlichen Mäßigungsrechts nach § 1336 Abs 2 ABGB bei vorsätzlicher Vertragsverletzung.

Beide Revisionen sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision der Kläger:

1. 1. Das Erstgericht stellte zur Klärung der Kaufmannseigenschaft des Beklagten fest, letzterer sei "aufgrund seiner Gewerbescheine ... der Meinung" gewesen, die "Bezeichnung Kaufmann führen" zu dürfen, "immer Kaufmann" gewesen zu sein und sich "auch so" bezeichnet zu haben. Nicht strittig sei - so das Berufungsgericht -, dass der Beklagte im "Pachtvertrag ... (vom damaligen Rechtsvertreter der Kläger) als Kaufmann bezeichnet worden" sei. Feststellungen, aus denen ableitbar wäre, dass der Beklagte entweder bei Vertragsabschluss oder während der Abwicklung des Dauerschuldverhältnisses jemals den Anschein erweckt habe, Vollkaufmann zu sein, wurden hingegen nicht getroffen. Deshalb betonte auch das Berufungsgericht, es sei im Verfahren "nicht hervorgekommen", dass "die Kläger aufgrund bestimmter Erklärungen des Beklagten darauf vertrauen hätten dürfen (und vertraut hätten)", die Konventionalstrafe könne "nicht gemäßigt werden".

Somit hängt aber die Entscheidung nicht von der Lösung der Frage ab, ob auch ein Minderkaufmann iSd § 4 Abs 1 HGB, der seinem Geschäftspartner gegenüber als Scheinvollkaufmann "kraft kaufmännischen Verhaltens" (siehe dazu EvBl 1994/118 = WBl 1994, 169) auftrat, das richterliche Mäßigungsrecht gemäß § 1336 Abs 2 ABGB in Anspruch nehmen kann.

1. 2. Die Kläger halten selbst fest, dass "hinsichtlich des Beklagten ... die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich des Firmenrechts, der Prokura, der Rechnungslegung etc. nicht zur Anwendung kommen" mögen. Sie wenden sich somit nicht gegen die - vom Berufungsgericht nicht überprüfte - Rechtsansicht des Erstgerichts, der Beklagte sei unter Zugrundelegung der Feststellungen über seine Geschäftstätigkeit als Minderkaufmann gemäß § 4 Abs 1 HGB einzustufen. Sie vertreten bloß den Standpunkt, dem Beklagten sei nicht zu unterstellen, "eine 'traditionell' geringere geschäftliche Einsicht und Erfahrung als ein Vollkaufmann" zu haben. Demzufolge könne er sich nicht mit Erfolg auf § 351 HGB berufen.

Darauf ist zu erwidern, dass gemäß § 351 HGB jeder Minderkaufmann das richterliche Mäßigungsrecht nach § 1336 Abs 2 ABGB für sich in Anspruch nehmen kann. Soweit wurde vom Obersten Gerichtshof noch nie zwischen einem Minderkaufmann mit dem Wissen eines Vollkaufmanns und einem Minderkaufmann ohne ein solches Wissen unterschieden. Die Berechtigung zur Geltendmachung des richterlichen Mäßigungsrechts wurde vielmehr immer allein aus der Minderkaufmannseigenschaft abgeleitet (SZ 54/186; SZ 54/4; JBl 1976, 487). Daran ist festzuhalten. Demnach ist aber das wahre Ausmaß der kaufmännischen Kenntnisse und Erfahrungen eines Minderkaufmanns für die richterliche Mäßigung einer Konventionalstrafe belanglos.

1. 3. Aus den maßgebenden Tatsachen ist nicht ableitbar, dass der Beklagte jene Vertragspflicht, deren Beachtung durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe verstärkt wurde, vorsätzlich verletzt habe. So fehlt es an Feststellungen, nach denen der Beklagte die Einwendung im Räumungsprozess - mündliche Grundsatzeinigung über eine Vertragsverlängerung nach Ablauf der schriftlichen Befristung (siehe ON 8 S. 2 f und ON 14 S. 2 des Aktes 3 C 92/97v des BG Mondsee) - wider besseres Wissen erhoben hätte. Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, einem Schuldner, der - wie der Beklagte - über eine Räumungsverpflichtung Bescheid wisse, die Räumung aber dennoch verzögere, falle "zumindest grobe Fahrlässigkeit" zur Last. Somit sei dem Beklagten schweres Verschulden an der Vertragsverletzung vorwerfbar. In Ermangelung einer vorsätzlichen Vertragsverletzung ist nicht zu beantworten, ob das richterliche Mäßigungsrecht nach § 1336 Abs 2 ABGB auch einem Schuldner zugute kommt, der die durch eine Konventionalstrafe verstärkte Vertragspflicht vorsätzlich verletzte.

Die Kläger unterstellen dem Beklagten vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zwar eine vorsätzliche Vertragsverletzung, übersehen dabei jedoch, dass allein aus dem Umstand, dass sie im letzten Jahr vor Ablauf der Bestandzeit deren Verlängerung über den 31. 12. 1996 hinaus ausdrücklich abgelehnt und schließlich die Räumungsklage eingebracht hatten, noch nicht auf einen dem Beklagten bewußten Mangel der im Räumungsprozess behaupteten (ursprünglichen) mündlichen Grundsatzeinigung über die Verlängerung des Bestandverhältnisses nach Fristablauf geschlossen werden kann. Die Räumungspflicht nach dem gerichtlichen Räumungsvergleich (Räumung bis zum 30. 9. 1997) wurde sodann vom Beklagten - einer außergerichtlichen Zusatzvereinbarung der Streitteile vom 6. 10. 1997 entsprechend - offenkundig erfüllt.

1. 4. Im Lichte der voranstehenden Erwägungen ist die Revision der Kläger, da eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Lösung ansteht, zurückzuweisen, wobei sich der Oberste Gerichtshof zufolge § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken kann.

2. Zur Revision des Beklagten:

Der Beklagte ficht das Berufungsurteil nur mehr soweit an, als den Klägern eine 407.085,80 S sA übersteigende Konventionalstrafe zuerkannt wurde, und versucht deren weitergehende Mäßigung damit zu begründen, dass sein Verschulden an der schadensursächlichen Vertragsverletzung gering sei, die Kläger ein Mitverschulden an ihrem Schaden treffe und ihr wirklicher Schaden nur 252.000 S betrage.

Fragen der Verschuldensgewichtung begründen im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO. Ein schwerwiegender Beurteilungsfehler, nach dem die Revision auch in einer solchen Ermessensfrage zulässig wäre, ist jedenfalls zu verneinen. Nichts anderes gilt für die Ausmessung der zuerkannten Konventionalstrafe auf Grundlage eines schweren Verschuldens des Beklagten an der Nichterfüllung seiner vertraglichen Räumungspflicht. Insofern ist dem Berufungsgericht gleichfalls zumindest keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen.

Somit ist aber auch die Revision des Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unter Ausführung bloß der für die Zurückweisung maßgebenden Gründe zurückzuweisen.

3. Kosten des Revisionsverfahrens:

Die Parteien unterließen einen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Revision des jeweiligen Prozessgegners. Die Revisionsbeantwortungen waren daher einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw Rechtsverteidigung nicht dienlich. Die Streitteile haben deren Kosten nach § 40 und § 41 in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO somit selbst zu tragen.

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