OGH 13Os40/00 (13Os41/00)

OGH13Os40/00 (13Os41/00)19.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lackner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ingrid H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde, die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Linz gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 15. Oktober 1999, GZ 21 Vr 1010/98-168, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der Verteidiger Dr. Lesigang, Dr. Kellner, Dr. Wolf und Mag. Kellner, der Angeklagten Werner B***** und Franz M*****, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Ingrid H***** und Franz H***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie aus deren Anlass

1. im Freispruch (zu a) der Ingrid H***** und des Werner B***** von der Anklage des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB,

2. hinsichtlich sämtlicher Angeklagter in der Subsumtion der zu B) genannten Taten nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG, demnach

3. hinsichtlich sämtlicher Angeklagten auch im Strafausspruch, einschließlich der Vorhaftanrechnung und schließlich

4. im Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit für Ingrid H***** aufgehoben und

1) die Sache hinsichtlich Ingrid H***** und Werner B***** zu neuer Verhandlung und Entscheidung über das im aufgehobenen Freispruch (zu a) genannte verbrecherische Komplott und unter Berücksichtigung der [zu A) B) und C)] aufrecht gebliebenen Schuldsprüche (zu B) nur wegen § 28 Abs 2 SMG) zur Strafneubemessung zurückverwiesen;

2) in der Sache selbst erkannt:

Franz M***** und Franz H***** werden für das - hinsichtlich M***** teils beim Versuch (§ 15 StGB) gebliebene - Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (B), Franz M***** auch für das Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (A), Franz H***** überdies für das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG (C), - in Stattgebung der Berufung der Staatsanwaltschaft - nach § 28 Abs 2 SMG in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, und zwar

Franz M***** zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten,

Franz H***** zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die Vorhaftanrechnung wird bei Franz M***** und Franz H***** aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Franz M***** und Franz H***** fallen die auf sie entfallenden Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Hinsichtlich H***** und B***** wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung und ihrer Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Neben Schuldspüchen von Ingrid H*****, Werner B***** und Franz M***** wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (A) sowie von Ingrid H*****, Werner B***** und Franz H***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (C) wurden Ingrid H***** (teils als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB), Werner B*****, Franz M***** und Franz H***** des Verbrechens "nach den §§ 27 Abs 1, Abs 2 Z 2, 28 Abs 2 SMG"(B) schuldig erkannt.

Andererseits wurden Ingrid H***** und Werner B***** - neben einem weiteren (unangefochtenen) Freispruch (auch des Franz M*****) - von der Anklage, in Wien und St. Pölten (zu ergänzen:) in der ersten Jahreshälfte 1998 mit Heinz I***** die gemeinsame Ausführung einer nach "§ 28 Abs 2 SMG" strafbaren Handlung, nämlich "den Verkauf von 1 kg Kokain an den verdeckten Ermittler Mike", verabredet und dadurch das Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (a). Inhaltlich der Schuldsprüche haben

A) Ingrid H*****, Werner B***** und Franz M***** im April 1998 in

S***** das gemeinsame Inverkehrsetzen von "450 Gramm Kokain" verabredet,

B) in den Monaten April und Mai 1998 (H***** auch am 19. Juli 1997)

in A*****, L*****, Le***** und H***** den bestehenden Vorschriften zuwider "gewerbsmäßig" Kokain, also "Suchtgift in (insgesamt) einer großen Menge", und zwar Ingrid H***** (teils als Beitragstäterin nach § 12 dritter Fall StGB) 61,3 Gramm, Werner B***** 61,1 Gramm, Franz M***** 62 Gramm und Franz H***** 61 Gramm, in Verkehr gesetzt, wobei es mit Bezug auf 50 Gramm hinsichtlich der drei Erstgenannten beim Versuch geblieben ist,

C) Ingrid H*****, Werner B***** und Franz H***** im April und Mai 1998 in Le*****, B***** oder A***** Kokain, also ein Suchtgift, erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft in ihrer aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (inhaltlich; vgl SSt 58/15) einen Feststellungsmangel auf, welcher darin liegt, dass das Schöffengericht die Frage offen gelassen hat (vgl US 15 f), ob sich die in Wien und St. Pölten in der ersten Jahreshälfte 1998 geschehene Verabredung zwischen H***** und B***** auf ein gemeinsames Inverkehrsetzen von 1 kg Kokain an (den verdeckten Ermittler) ,Mike" erstreckte (vgl Foregger/Fabrizy StGB7 § 277 Rz 2). In diesem Umfang ist eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Aus Anlass dieser Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof zudem von einer dem Erstgericht - zum Nachteil sämtlicher Angeklagten - unterlaufenen verfehlten (zusätzlichen) Subsumtion überzeugt (§ 290 Abs 1, § 281 Abs 1 Z 10 StPO). Denn das zu B) dargelegte Inverkehrsetzen - durch eine Folge von Einzelakten bei von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt erfassendem Vorsatz - wurde nicht nur zutreffend dem Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG (EvBl 1999/216), sondern auch den § 27 Abs 1 und 2 Z 2 (erster Fall) SMG unterstellt. § 28 Abs 2 vierter Fall SMG ist jedoch gegenüber tateinheitlichem Überlassen eines Suchtgiftes nach § 27 Abs 1 SMG in Teilmengen, die für sich allein die Grenzmenge des § 28 Abs 6 SMG nicht erreichen - einschließlich der (unselbständigen) Qualifikationen des § 27 Abs 2 SMG - die spezielle Norm, und verdrängt das Vergehen nach § 27 Abs 1 (fünfter und sechster Fall) und Abs 2 SMG infolge Scheinkonkurrenz (vgl Ratz in WK2 Vorbem §§ 28 bis 31 Rz 26, 32, 35; 11 Os 118/99). Die Subsumtion nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG war folgerichtig - ohne Freispruch (vgl aaO Rz 20) - aufzuheben. Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung fällt M***** das Zusammentreffen zweier Verbrechen, H***** aber jenes von einem Verbrechen mit einem (mehrfach begangenen) Vergehen erschwerend zur Last. Beiden war demgegenüber deren reumütiges Geständnis und bislang ordentlicher Lebenswandel, Ersterem überdies der Umstand zugute zu halten, dass die zu B) genannte Tat in Hinsicht auf eine Teilmenge von 50 Gramm beim Versuch geblieben ist.

M***** und H***** haben - worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung inhaltlich zutreffend verweist - gewinnsüchtig große Mengen sogenannter harter Drogen in Verkehr gesetzt, weshalb fühlbare, unmittelbar zu vollziehende Freiheitsstrafen im bezeichneten Ausmaß angemessen erscheinen. Eine notstandsähnliche Situation kommt H*****, der sich aus freien Stücken auf den Suchtgifthandel eingelassen hatte, nämlich nicht zustatten. Auch bloß teilweise bedingter Nachsicht steht deren mangelnde Abhaltewirkung entgegen. Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten M***** und H***** gründet auf § 390a StPO.

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