OGH 5Ob31/00w

OGH5Ob31/00w13.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Ernst S*****, vertreten durch Dr. Franz Müller, Rechtsanwalt in Kirchberg am Wagram, wider die Antragsgegner 1. Republik Österreich, Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich, Ruckergasse 62, 1120 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, 2. Ing. Gerhard S*****, wegen § 37 Abs 1 Z 10 iVm §§ 18 f MRG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 27. Dezember 1999, GZ 1 R 77/99z-26, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Sachbeschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer des Hauses ***** in*****, das aus einem von der Erstantragsgegnerin gemieteten Geschäftslokal und einer vom Zweitantragsgegner benützten Wohnung besteht.

Er behauptet, er habe im Einvernehmen mit der Erstantragsgegnerin in den Jahren 1994 und 1996 Erhaltungsarbeiten am Haus mit einem Aufwand von S 804.081,90 durchgeführt. Eine verrechenbare Mietzinsreserve sei mit S 287.403,18 in den Abrechnungen ausgewiesen. Zuzüglich 9 % Geldbeschaffungskosten ergebe sich ein gesamt zu deckendes Erfordernis von S 607.002,30 und damit ein Deckungserfordernis bei einem Verteilungszeitraum von 10 Jahren, 8 % Zinsen und halbjährlichen Raten monatlich ein Pauschalbetrag von S 8.190. Es werde daher begehrt, die Zulässigkeit der Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß § 18 MRG hinsichtlich der Erstantragsgegnerin mit S 2.664,21 und hinsichtlich des Zweitantragsgegners mit S 5.525,79 zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin bestritt das auf § 18 MRG gestützte Erhöhungsbegehren und beantragte die Abweisung des hierauf abzielenden Antrags. Sie wendete im Wesentlichen ein, dass es der Antragsteller entgegen wiederholter Aufforderung unterlassen habe, eine entsprechende Hauptmietzinsabrechnung der Jahre 1987 bis 1997 vorzulegen. Bei richtiger Berechnung der sich im vorangeführten Zeitraum ergebenden Mietzinsreserve sowie unter Berücksichtigung der im Verteilungszeitraum zu erwartenden Einnahmen wäre eine Erhöhung unzulässig, weil die Kosten der Erhaltungsarbeiten in den zu erwartenden Einnahmen Deckung fänden. Dabei legte die Erstantragsgegnerin eine Eigenbenützung der im Haus befindlichen Wohnung durch den Antragsteller zugrunde, weshalb sich sowohl hinsichtlich der fiktiven Mietzinsverrechnung für die Bildung der Hauptmietzinsreserve als auch für die während des Verteilungszeitraums zu erwartenden Eingänge entsprechende Beträge ergaben.

In der Folge brachte der Antragsteller vor, dass sein Sohn, der Zweitantragsgegner, die 123,93 m**2 große Wohnung, die der Ausstattungskategorie A zuzuordnen sei, seit 17. 5. 1985 zu einem vereinbarten Mietzins von S 385,45 zuzüglich eines Erhaltungsbeitrags von S 1.756,19 im Jahr 1997 (in den Folgejahren laut Beilage ./T) bewohnt habe.

Das Erstgericht folgte diesem Einwand der Erstantragsgegner und ermittelte unter Zugrundelegung fiktiver, vom Hauseigentümer rechnerisch einzubringender Hauptmietzinse in den Hauptmietzinsabrechnungen der letzten 10 Jahre sowie unter Berücksichtigung fiktiver Einnahmen im Erhöhungszeitraum, dass die Kosten der bereits durchgeführten Erhaltungsarbeiten in der Summe der Mietzinsreserven und der während des Verteilungszeitraums zu erwartenden Hauptmietzinseingänge Deckung fänden. Es gelangte damit zur Abweisung des Antrags.

Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Selbst wenn man dem Vorbringen des Antragstellers folge, dass der Zweitantragsgegner als "Hauptmieter" seit 17. 5. 1985 gegen Zahlung eines vereinbarten Hauptmietzinses von S 385,45 sowie zusätzlicher Zahlung von Erhaltungsbeitrag eine Wohnung im Haus bewohne, sei dies einer Eigenbenützung durch den Vermieter gleichzuhalten. Die vereinbarte Gegenleistung betrage nämlich nur S 3,11 pro m**2 für die 123,93 m**2 große Wohnung der Ausstattungskategorie A. Dass daneben unzulässigerweise (weil das Mietverhältnis erst nach dem 1. 1. 1982 begonnen hat) ein Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag eingehoben wurde, ändere daran nichts. Das vereinbarte Entgelt sei derart niedrig, dass es gegenüber dem Wert der Benützung nicht ins Gewicht falle, weshalb die Benützung durch den Zweitantragsgegner gegen dieses geringfügige Entgelt einer Eigenbenützung gleichzuhalten sei (Würth/Zingher Miet- und WohnR20 Rz 5 zu § 20 MRG). Der Antragsteller habe sich daher für diese Wohnung in der Hauptmietzinsabrechnung S 287.115,12 und aufgrund der Anhebung auf den Richtwert ab 1. 4. 1994 weitere S 130.820,70 in der Hauptmietzinsabrechnung anrechnen zu lassen, sodass sich Gesamteinnahmen von S 621.412,73 ergeben. Für den Zeitraum 1. 1. 1997 bis 30. 11. 1997 ergeben sich hinsichtlich der Erstantragsgegnerin weitere S 28.525,64 und für die dem Antragsteller als Eigenbenützung zuzuordnende Wohnung S 46.377,60. Insgesamt bestünden damit (fiktive) Einnahmen in Höhe von S 717.639,03. Unter Berücksichtigung der im Verteilungszeitraum getätigten Ausgaben verbleibe eine Mietzinsreserve von S 456.178,67. Damit errechnete das Rekursgericht ein monatliches Deckungserfordernis von S 5.400, welches bereits im Jahr 1996 durch (fiktive) Mietzinseinnahmen in Höhe von S 8.599,69 erheblich überschritten werde.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht vorlägen.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Sachbeschlusses und Zurückverweisung an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung.

Die Erstantragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Zweitantragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil dem Rekursgericht bei Beurteilung der Geringfügigkeit des mit dem Zweitantragsgegner vereinbarten Entgelts eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Er ist auch berechtigt.

Die Frage, ob vereinbarte Gegenleistungen eines Benützungsberechtigten als Bestandzins oder als bloß als ein die Annahme einer Bittleihe rechtfertigender Anerkennungszins anzusehen sind, ist nach den Verhältnissen bei Vertragsabschluss zu beurteilen (MietSlg 40.099), damit grundsätzlich einzelfallbezogen und entzieht sich einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, wenn keine auffallende Fehlbeurteilung der zweiten Instanz vorliegt (1 Ob 184/99m).

Die Vorinstanzen haben unter Zugrundelegung der vom Antragsteller aufgestellten Behauptung, mit seinem Sohn, dem Zweitantragsgegner, sei 1985 ein Hauptmietvertrag zum Friedenskronenzins abgeschlossen worden, diese Tatsache in rechtlicher Hinsicht dahin gewertet, dass ein Hauptmietzins von S 3,11 pro m**2 für eine Kategorie-A-Wohnung im Jahr 1985 (zulässiger Kategorie-A-Mietzins damals S 24,90 pro m**2) bloß ein so niedriges Entgelt sei, dass es gegenüber dem Wert der Nutzung nicht mehr ins Gewicht falle (MietSlg 33.144; SZ 63/31; zuletzt 1 Ob 184/99m; RS0019152).

Das Verhältnis von vereinbartem Hauptmietzins zu höchstzulässigem Kategoriemietzins betrüge diesfalls nur 1 : 7,8. Nach den von der Rechtsprechung bisher gewonnenen Grundsätzen wurde zuletzt bei einem Missverhältnis von 1 : 10 die Unverhältnismäßigkeit bejaht (vgl die von Würth in Rummel Rz 3 zu § 1090 dargestellte Rechtsprechung; 8 Ob 510/91; RS0019152), umso entscheidender ist im vorliegenden Fall die Überprüfung der Behauptung des Antragstellers, der Zweitantragsgegner habe neben dem Hauptmietzins noch "Erhaltungsbeitrag" oder "erhöhten Hauptmietzins" bezahlt, weil es auf das Gesamtausmaß der vereinbarten Gegenleistung ankommt.

Legt man überdies zugrunde, was allerdings bisher nicht feststeht, dass vom Zweitantragsgegner neben diesem Entgelt noch die auf die Wohnung entfallenden Betriebskosten bezahlt wurden, läßt sich nicht mehr sagen, dass das geleistete Entgelt gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht fällt (MietSlg 33.144) oder bloß ein Anerkennungszins wäre (1 Ob 184/99m).

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob zwischen dem Zweitantragsgegner und dem Antragsteller ein entgeltlicher Vertrag über die Benützung der Wohnung im Haus abgeschlossen wurde, ob die Tragung von Betriebskosten und die Zahlung eines Beitrags für Erhaltungsarbeiten ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde. Die bloße Vorschreibung von Erhaltungsbeitrag wäre, wie die Vorinstanzen erkannt haben, ohne entsprechende Vereinbarung in einem nach 1982 abgeschlossenen Hauptmietvertrag nicht zulässig. Hingegen wäre die vertragliche Vereinbarung der Tragung von Kosten von Erhaltungsarbeiten insoweit zulässig, als dadurch nicht der höchstzulässige Hauptmietzins überschritten wurde.

Unter Ermittlung der entsprechenden Vereinbarungen wird das Erstgericht daher entsprechende ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Dies unter Beiziehung des Zweitantragsgegners als Verfahrenspartei.

Erst danach wird sich abschließend beurteilen lassen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang das Begehren auf Anhebung der Hauptmietzinse durch den Antragsteller berechtigt ist.

Sollte jedoch das Erstgericht im erneuerten Verfahren zu der Feststellung gelangen, dass zwischen dem Zweitantragsgegner und dem Antragsteller kein Mietvertrag zustande kam, sei es, weil sich der Zweitantragsgegner nicht zur Zahlung von Betriebskosten und "erhöhtem Hauptmietzins" verpflichtet hätte oder sei es, weil überhaupt keine Vereinbarung erwiesen werden kann, wird Folgendes zu beachten sein:

Zunächst berühren die von Würth (aaO Rz 7 zu § 20 MRG) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 20 Abs 1 Z 1 lit b bis d idF des 3. WÄG den gegenständlichen Fall nicht, weil hier ohnedies keine Privilegierung von Wohnungseigentümern anzuwenden ist.

Im Weiteren teilt der erkennende Senat die von Würth (aaO Rz 5 zu § 20; derselbe in Rummel Rz 4 zu § 20 MRG) vertretene Ansicht, dass der Benützung durch den Vermieter (nur diese ist in § 20 Abs 1 Z 1 lit b ausdrücklich geregelt) auch eine unentgeltliche Überlassung an Dritte gleichzuhalten ist.

Aus den dargestellten Gründen war der Revisionsrekurs des Antragstellers berechtigt.

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