OGH 6Ob171/00s

OGH6Ob171/00s13.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Hopf als weitere Richter in der Firmenbuchsache der D***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in S*****, über den Revisionsrekurs der Geschäftsführerin Heidemarie R*****, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen Offenlegung gemäß den §§ 277 ff HGB, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 13. April 2000, GZ 6 R 79/00f-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Februar 2000, GZ 24 Fr 2081/00k-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der erstinstanzliche Beschluss ersatzlos behoben wird.

Text

Begründung

Im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg ist die D***** Gesellschaft mbH eingetragen. Selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin ist Heidemarie R*****. Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember.

Mit Beschluss vom 23. 2. 2000 verhängte das Erstgericht über die Geschäftsführerin ohne vorherige Aufforderung und Androhung eines Zwangsmittels eine Zwangsstrafe von 5.000 S und forderte die Geschäftsführerin auf, gemäß §§ 277 ff HGB den Jahresabschluss zum 31. 12. 1998 binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses vorzulegen, widrigenfalls eine weitere Zwangsstrafe von 7.000 S verhängt und der Beschluss über die verhängte Zwangsstrafe auf Kosten der Geschäftsführerin im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht werde.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Die Offenlegungspflicht einer noch nicht voll beendeten Kapitalgesellschaft ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Der Oberste Gerichtshof habe daher zu 6 Ob 213/99p ausgesprochen, dass eine der Zwangsstrafenverhängung vorangehende Aufforderung der Vorlage des Jahresabschlusses durch das Firmenbuchgericht im Gesetz nicht vorgesehen sei, sodass den Offenlegungspflichten auch unangefordert zu entsprechen sei. Auch im Hinblick auf den vom Obersten Gerichtshof bejahten repressiven Charakter von Zwangsstrafen nach § 283 HGB sei eine Androhung derselben und eine Anhörung des Gestraften vor Strafverhängung nicht geboten. Es sei vielmehr Sache des zur Offenlegung verpflichteten gesetzlichen Vertreters einer Kapitalgesellschaft, im Fall einer Unmöglichkeit der Erfüllung der Offenlegungspflicht dies innerhalb der Neunmonatsfrist des § 277 Abs 1 HGB dem Firmenbuchgericht mitzuteilen. Dass nicht in allen Fällen der Verhängung einer Zwangsstrafe deren vorherige Androhung vorausgehen müsse, ergebe sich auch aus § 355 EO. Die im Rekurs behauptete Mangelhaftigkeit oder Nichtigkeit, nämlich dass das Erstgericht der Geschäftsführerin durch die sofortige Verhängung einer Zwangsstrafe ohne vorgehende Androhung die Möglichkeit genommen habe, Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgründe vorzutragen und sie dadurch in ihrem rechtlichen Gehör und ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt zu haben, könne daher nicht erblickt werden.

Der vom Revisionsgericht zugelassene Revisionsrekurs der Geschäftsführerin releviert die Frage 1) der Entscheidungskompetenz des Rechtspflegers zur Verhängung von 2.000 S übersteigenden Zwangsstrafen, bekämpft 2) die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Verhängung einer solchen gemäß § 283 HGB auch ohne vorherige Androhung gesetzeskonform sei und richtet sich weiters 3) gegen die Höhe der verhängten Zwangsstrafen, wobei er insoweit insbesondere eine Verletzung der Begründungspflicht seitens des Erstgerichtes ins Treffen führt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Zu 1.): Diese Rechtsfrage wurde vom erkennenden Senat in seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 28. 6. 2000, 6 Ob 100/00z, dahin entschieden, dass die Verhängung von Zwangsstrafen nach § 24 FBG iVm § 283 HGB auch dann in die Kompetenz des Rechtspflegers fällt, wenn die Zwangsstrafe 2.000 S übersteigt. Die Frage, ob der vom Rechtspfleger in erster Instanz gefasste Beschluss auf Verhängung der Zwangsstrafe an einer Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO leidet, ist daher auch im vorliegenden Fall zu verneinen.

Zu 2.): Das Rekursgericht hat das Abgehen des Erstgerichtes von seiner bisherigen, der Übung anderer Firmenbuchgerichte entsprechenden Praxis, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft vor der Verhängung einer Zwangsstrafe erst aufgefordert werde, die Offenlegung vorzunehmen und dass ihm, für den Fall der Nichtoffenlegung die Verhängung einer Zwangsstrafe angedroht werde, einer nur obiter in der Entscheidung 6 Ob 213/99p gegebenen Begründung gebilligt. Dort wurde aber nur ausgesprochen, dass eine der Zwangsstrafenverhängung vorangehende Aufforderung "im Gesetz gar nicht vorgesehen ist, sodass den Offenlegungspflichten auch unaufgefordert zu entsprechen gewesen wäre". Der Vorentscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass vom Firmenbuchgericht ohnehin eine Aufforderung zur Einreichung vor der Verhängung der Zwangsstrafe ergangen war. Dass auch ohne eine Aufforderung dem gesetzlichen Auftrag zur Offenlegung zu entsprechen ist, die Aufforderung nach Säumnis also nicht erst die Verpflichtung zur Offenlegung auslöst, ergibt sich geradezu zwangsläufig aus dem Gesetz. Dies wird vom Rechtsmittel auch nicht in Frage gestellt. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob nicht aus dem Charakter der Zwangsstrafe abzuleiten ist, dass vor ihrer Verhängung eine Aufforderung des Firmenbuchgerichtes zu erfolgen habe, auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Der erkennende Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die wegen einer Verletzung der Offenlegungspflicht auszusprechende Zwangsstrafe auch repressiven Charakter hat (6 Ob 215/99g). In der Begründung der zitierten Entscheidung wurde auf die vom 3. Senat des Obersten Gerichtshofes in Exekutionssachen vertretene Ansicht verwiesen, dass die nach den §§ 354 f EO verhängten Strafen Strafcharakter hätten (SZ 68/83; 3 Ob 92/98w). Tatsächlich vertritt der 3. Senat diese Auffassung aber nur für die Unterlassungsexekution nach § 355 EO und qualifiziert die zur Erzwingung unvertretbarer Handlungen ausgesprochenen Strafen als reine Beugemittel (SZ 68/83). Der erkennende Senat kann sich daher mit seiner Auffassung, dass die zur Erzwingung der Offenlegungspflicht - also die Erzwingung unvertretbarer Handlungen der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH - durch Zwangsstrafen auch repressiv seien, nicht auf die zu § 354 EO ergangene Judikatur des 3. Senates stützen. Damit ist aber noch nicht die weitere Begründung für den Strafcharakter weggefallen, dass die Strafdrohung keinerlei psychologischen Druck auszuüben vermöchte, wenn sich die Geschäftsführer darauf verlassen könnten, dass die verhängten Geldstrafen nachzusehen sind, wenn das Versäumte nachgeholt wird. Damit wäre jedenfalls eine Verzögerung der Offenlegung ohne jeden Nachteil für die Gesellschaft und ihre Geschäftsführer möglich. Eine nähere Befassung mit diesem Thema ist aber entbehrlich, weil die Offenlegung hier (auf der Basis des maßgeblichen Zeitpunkts der Entscheidung erster Instanz) noch nicht erfolgte und jedenfalls feststeht, dass die gemäß § 283 HGB verhängte Zwangsstrafe primär Beugecharakter zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung hat. Vor der Novellierung des § 283 HGB durch das EU-GesRÄG BGBl 1996/304 konnten Zwangsstrafen nur über Antrag verhängt werden, über den "Umweg" des seit dem 1. 1. 1991 in Kraft stehenden § 24 FBG aber auch von Amts wegen.

Nach § 24 FBG ist ein Anmeldungspflichtiger vom Gericht durch Zwangsstrafen anzuhalten, seine Verpflichtung zu erfüllen oder darzutun, dass die Verpflichtung nicht besteht. Aus diesem Recht, etwa die Unmöglichkeit der Erfüllung der Anmeldungspflicht darzutun, ist abzuleiten, dass das Firmenbuchgericht den Verpflichteten zunächst unter Fristsetzung und Androhung einer Zwangsstrafe zur Erfüllung der Anmeldungspflicht oder zur Bekanntgabe entgegenstehender Hindernisse aufzufordern hat (6 Ob 15/91 = EvBl 1992/70; Eiselsberg/Schenk/Weißmann, FBG, Anm 2 zu § 24). Die Materialien zu § 24 FBG (abgedruckt bei Danzl, Das neue Firmenbuch 82) stützen diese Ansicht. Der Betroffene soll mittels stufenweisen Vorgehens zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten werden. Die Steigerung des Zwanges zur Erreichung des Zieles ist Ausdruck des Beugecharakters der Zwangsstrafe. Aus diesem ergibt sich schon für den ersten Schritt, also die erste Stufe des Vorgehens, dass noch keine Strafe zu verhängen, sondern diese zunächst nur anzudrohen ist. Das gebotene stufenweise Vorgehen (vgl dazu Zehetner in ecolex 1998, 482 ff, 483) ist Ausfluss des Prinzipes des gelindesten Mittels und entspricht auch der Verfahrensökonomie. Es ist nicht sinnvoll, über den Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH schon vor der Androhung einer Zwangsstrafe eine solche zu verhängen, die der Geschäftsführer mit zulässigen Neuerungen (§ 10 AußStrG) mit Rekurs bekämpfen (nur dem Strafbeschluss nachfolgende Ereignisse unterlägen dem Neuerungsverbot) und ihre Aufhebung zur Verfahrensergänzung erreichen könnte, was zu einer nicht wünschenswerten Verfahrensverzögerung führte. An dieser Beurteilung vermag auch die Bejahung eines zum Beugecharakter hinzutretenden repressiven Charakters der Zwangsstrafe nichts zu ändern. Schon das Recht auf Gehör spricht für die bisher von den meisten Firmenbuchgerichten geübte Praxis. Zwar könnte eine sofort ausgesprochene Zwangsstrafe einer Strafverfügung und der gegen den Strafbeschluss erhobene Rekurs einem Einspruch gleichgehalten werden. Eine Analogie zu den Rechtsinstituten des Strafrechtes wäre aber nur bei einer planwidrigen Gesetzeslücke und völlig vergleichbaren Sachverhalten (hier zu den nur in besonderen Fällen zulässigen Strafverfügungen) zulässig. Beides liegt nicht vor. Der Rückgriff auf die Rechtslage im Strafrecht ist schon im Hinblick auf den jedenfalls primären Beugecharakter der Zwangsstrafen nach § 283 HGB nicht zulässig.

Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen berechtigt.

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