OGH 3Ob12/00m

OGH3Ob12/00m12.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia P*****, vertreten durch Dr. Rudolf Beck, Rechtsanwalt in Mödling, über den Rekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. November 1998, GZ 45 R 768/98v-212, womit infolge Rekurses des Vaters Dr. Reinald P*****, der Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom 28. September 1998, GZ 5 P 68/97f-194, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der letzten Unterhaltsbemessung waren ein monatlichen Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters von S 25.212,57 sowie Sorgepflichten für die in Karenz befindliche Ehefrau und den am 5. 3. 1997 geborenen Sohn Matthias zugrundegelegen. Die einkommens- und vermögenslose mj. Julia befindet sich in Pflege und Erziehung ihrer Mutter. Das Nettoeinkommen des Vaters hat sich zuletzt nicht geändert. Seit 5. 9. 1998 konsumiert er gemäß § 2 EKUG Karenzurlaub bis einschließlich 4. 3. 1999. Er hat für seinen am 5. 3. 1997 geborenen Sohn Matthias zu sorgen.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 1. 7. 1997 (ON 139) war die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für seine mj. Tochter von bisher monatlich S 4.100,-- ab 1. 3. 1997 auf monatlich S 3.530,-- herabgesetzt worden.

Mit Beschluss vom 28. 9. 1998 wies das Erstgericht den allein mit dem Umstand, dass ihm in der Zeit vom 5. 9. 1998 bis zum 4. 3. 1999 ein Karenzurlaub von 6 Monaten gewährt worden sei, begründeten Antrag des Vaters, seine Unterhaltsverpflichtung für die Zeit vom 1. 9. 1998 bis zum 28. 2. 1999 auf monatlich S 1.050,-- herabzusetzen, ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs des Vaters gegen diese Entscheidung Folge, hob sie auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen werde, und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Im Rekurs des Vaters werde nun vorgebracht, dass nach der letzten Änderung des EKUG für alle ab 1. 7. 1996 geborenen Kinder lediglich während der ersten 18 Monate eine Wahlmöglichkeit der Eltern bei der Inanspruchnahme des Karenzurlaubes bestehe. Für den Zeitraum danach bis zum 24 Lebensmonat des Kindes sei zwingend die Mitwirkung des anderen Elternteiles vorgesehen, andernfalls der Anspruch auf Karenzurlaub und Karenzurlaubsgeld verfalle. Es habe daher eine Wahlmöglichkeit, ob er oder seine Gattin die Betreuung des Sohnes ab 5. 9. 1998 übernehme, nicht mehr bestanden. Hätte er nicht Karenzurlaub beantragt, hätte seine Frau ihren Beruf aufgeben oder den Sohn der Betreuung Dritter überlassen müssen.

Dem Rekurs sei insoweit beizupflichten, als die bisherige Judikatur des Obersten Gerichtshofes (so 7 Ob 615/91 und 6 Ob 573/91) zur Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes durch den unterhaltspflichtigen Vater davon ausgegangen sei, dass zwischen den Eltern des (neugeborenen) Kindes eine Wahlmöglichkeit bestanden habe, wer von ihnen den Karenzurlaub in Anspruch nehme. Dieser Fall könne jedoch nicht mit dem hier vorliegenden verglichen werden, in dem der unterhaltspflichtige Vater behaupte, deshalb die letzten 6 Monate (von 24 Monaten) Karenzgeld in Anspruch genommen zu haben, weil ansonsten das Karenzurlaubsgeld nicht weiter gewährt worden wäre (vgl § 11 KarenzgeldG).

In einem solchen Fall sei zu prüfen, ob besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen, die es dem unterhaltspflichtigen Vater gestatten würden, durch Inanspruchnahme von 6 Monaten Karenzurlaub auf sein sonst höheres Einkommen als Bundesbediensteter zu verzichten. Um abschließend beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für eine Anspannung des Vaters auf sein bisheriges Einkommen vorliegen oder nicht, bedürfe es jedoch noch ergänzender Feststellungen, weshalb mit einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vorzugehen sei. Das Erstgericht werde im ergänzenden Verfahren festzustellen haben, welchen Beruf die derzeitige Gattin des Vaters ausübt und welches Einkommen sie bezieht sowie wie lange sie in Karenzurlaub mit welchem Einkommen war, und ob und welche Möglichkeiten bestanden hätten, den mj. Matthias zu betreuen, wenn der Vater nicht für Dauer des 19 bis 24. Lebensmonates dieses Kindes den Karenzurlaub in Anspruch genommen hätte. Weiters werde festzustellen sein, wie hoch das Karenzgeld ist, welches der Vater tatsächlich derzeit bezieht. Ebenfalls von Bedeutung wäre auch die Höhe des Einkommens der Mutter der mj. Julia.

Sollten sich danach berücksichtigungswürdige Gründe für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes durch den Vater ergeben, bestünden grundsätzlich keine Bedenken dagegen, diese Vorgangsweise zu billigen. In diesem Fall käme dann eine Anspannung des Vaters auf sein bisheriges Einkommen als Bundesbediensteter nicht in Frage, wohl aber wäre auf Grund des Vorbringens der Mutter der mj. Julia zu prüfen, ob der Vater neben dem Karenzgeld noch andere Einkünfte (wie zB Zinsen aus Ersparnissen oder dgl) bezieht, weil auch diese in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen wären.

Da jedoch für die Rechtsfrage, ob ein Vater, der Karenzurlaub in Anspruch nimmt, um die Anspruchsdauer des Karenzgeldes über 18 Monate hinaus zu verlängern, dennoch im Sinn des § 140 ABGB auf ein höheres (nämlich das vorher bezogene) Einkommen angespannt werden kann, soweit überblickbar noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege und der Lösung dieser Rechtsfrage zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme, sei im Sinne der § 14 Abs 1, § 14b Abs 1 AußStrG der Rekurs an den Obersten Gerichtshofes zuzulassen gewesen.

Diesen Beschluss bekämpft die Minderjährige mit ihrem [irrig als ordentlicher Revisionsrekurs bezeichneten] Rekurs. Damit begehrt sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Der Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Rekursgerichtes unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Ebenso wie das Rekursgericht sieht die Rekurswerberin die erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 iVm § 14b Abs 1 AußStrG darin, dass zur Inanspruchnahme von Karenzurlaub durch den geldunterhaltspflichtigen Vater zur Rechtslage nach dem Strukturanpassungsgesetz 1996 noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Tatsächlich hat erst eine Woche nach dem Rekursgericht der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 251/98g (ARD 5036/8/99 = EFSlg 86.316 = ÖA 1999, 39) zu dieser Frage Stellung genommen. Ebenso wie in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden ist auch im vorliegenden Fall auf den Anspruch auf Karenzurlaubsgeld § 31 AlVG und nicht § 11 KGG anzuwenden, weil auch hier jenes Kind, für dessen Betreuung Karenzurlaub in Anspruch genommen wird, zwar nach dem 30. 6. 1996, jedoch vor dem 30. 6. 1997 geboren wurde (vgl dazu die Ausführungen in 7 Ob 251/98g).

Aus dieser Bestimmung folgt, dass die Ehefrau des Vaters nur bis zur Vollendung des 18 Lebensmonates ihres Kindes Karenzgeld beziehen konnte, allerdings nach wie vor bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres Karenzurlaub in Anspruch nehmen hätte können. In der zitierten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt:

"Wollen sich daher die Eltern eines Kindes das Karenzgeld zwischen dem 18. Lebensmonat und dem vollendeten zweiten Lebenjahr nicht entgehen lassen, muss der andere Elternteil zumindest sechs Monate lang Karenzurlaub nehmen. In jenen Fällen, in denen die Mutter wesentlich weniger als der Vater verdient, bedeutet daher die Entscheidung, dass die Mutter die gesamte 2-jährige Karenzzeit absolviert, eine nicht unbeträchtliche Einbuße des Familieneinkommens, die durch die Berücksichtigung der vollen Sorgepflicht des Vaters für die Ehefrau bei der Bemessung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber nicht in seinem Haushalt lebenden Kindern nicht aufgehoben wird. Wäre der Vater dessen ungeachtet anzuhalten, seinen Beruf auch während dieser sechs Monate auszuüben, um seinen nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern weiterhin ensprechende finanzielle Beiträge leisten zu können, führte dies unter Umständen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der finanziellen Situation innerhalb seines Familienverbandes und Benachteiligung jener unterhaltsberechtigten Angehörigen, mit denen er zusammenlebt. Aus diesen Gründen ist auch einem Vater, der für nicht in seinem Haushalt lebende Kinder sorgepflichtig ist, zuzubilligen, dass er sechs Monate lang anstelle der Mutter Karenzurlaub in Anspruch nimmt. Damit für diese Inanspruchnahme ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung erblickt werden kann, der für eine Herabsetzung oder gar Enthebung von der Unterhaltspflicht für nicht im Haushalt lebende Kinder hinreicht, muss aber die Einkommensrelation der Elternteile, die sich den Karenzurlaub aufteilen, für diese Aufteilung sprechen. Vor allem muss ... das Kind ... uneingeschränkt auf die Betreuung durch einen Elternteil angewiesen sein, und dieser muss damit derart ausgelastet sein, dass ihm eine anderwertige Berufstätigkeit nicht zumutbar wäre."

Die Entscheidung des Rekursgerichtes entspricht im Wesentlichen derjenigen der Entscheidung 7 Ob 251/98g. Wie der erkennende Senat bereits zu 3 Ob 60/99s (ähnlich 3 Ob 335/99g) ausgeführt hat, müssen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 (ebenso wie jene des § 502 Abs 1) ZPO noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gegeben sein, was nicht mehr der Fall ist, wenn in einer - wenngleich nach der Entscheidung des Rekursgerichtes ergangenen - Entscheidung zur der maßgebenden Rechtsfrage bereits eingehend Stellung genommen wurde. Nichts anderes kann aber für § 14 Abs 1 AußStrG gelten.

Der Rekurs der Minderjährigen erweist sich somit als nicht zulässig. Daran vermag auch das Vorbringen unter dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nichts zu ändern. Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin ist, wie sich auch aus dem jüngst durch die WGN 1997 geänderten § 16 Abs 4 AußStrG ergibt, das Rechtsmittelverfahren in Außerstreitsachen - soweit nicht in besonderen Verfahrensvorschriften etwas anderes vorgesehen ist, was hier nicht zutrifft - grundsätzlich einseitig. Der Vorwurf, das Rekursgericht habe unzulässigerweise eine Neuerung im Rekurs des Vaters gegen den Beschluss der ersten Instanz berücksichtigt, ist schon deshalb unbeachtlich, weil dies in dem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel nicht geltend gemacht werden kann (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2 § 482 Rz 6).

Der Rekurs war somit zurückzuweisen.

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