OGH 10ObS160/00b

OGH10ObS160/00b11.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred R*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Entziehung einer Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Februar 2000, GZ 12 Rs 55/00w-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits-und Sozialgericht vom 23. November 1999, GZ 8 Cgs 18/99a-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Soweit in der Revision schon in der Berufung geltend gemachte angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz (hier: Einvernahme des Anstaltsgutachters als Zeuge) gerügt werden, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können diese mit Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (SSV-NF 6/28 mwN ua).

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es nach § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen. Den Revisionsausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 99 Abs 1 ASVG ist eine laufende Leistung zu entziehen, wenn die Voraussetzungen des Anspruches auf sie nicht mehr vorhanden sind und der Anspruch nicht bereits ohne weiteres Verfahren erlischt. Der Leistungsentzug setzt nach ständiger Rechtsprechung eine wesentliche, entscheidende Veränderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsentzuges in Beziehung zu setzen sind. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kann unter anderem in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes oder in einer Besserung der Arbeitsfähigkeit infolge Gewöhnung und Anpassung an den Leidenszustand liegen. Bei Leistungen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit ist eine wesentliche Änderung der Verhältnisse dann anzunehmen, wenn die Arbeitsfähigkeit des Pensionsbeziehers so weit wiederhergestellt ist, dass er nicht mehr als invalid oder berufsunfähig gilt. Ist der Leistungsbezieher durch diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt wieder einsetzbar, ist auch ein Leistungsentzug sachlich gerechtfertigt. Nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Leistungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben. Haben die objektiven Grundlagen für eine Leistungszuerkennung keine wesentliche Änderung erfahren, so steht die Rechtskraft der Gewährungsentscheidung der Entziehung entgegen. An dieser Änderung fehlt es regelmäßig dann, wenn bestimmte Leistungsvoraussetzungen nie vorhanden waren. Hier ist Rechtssicherheit vor Rechtmäßigkeit zu reihen (SSV-NF 6/17 uva, zuletzt 10 ObS 56/00h).

Im vorliegenden Fall ging das Berufungsgericht davon aus, dass bei dem zum Zeitpunkt der Gewährung der Invaliditätspension (Anstaltsgutachten vom 3. 8. 1994) gegebenen neurologischen Befund der Revisionswerber aufgrund der höhergradigen Bewegungseinschränkung zu keiner regelmäßigen Tätigkeit geeignet war. Dafür, dass dem Revisionswerber seinerzeit die Invaliditätspension gewährt worden wäre, obgleich die Voraussetzungen nicht vorgelegen wären, fehlt jeder Anhaltspunkt und auch jede Prozessbehauptung. Nunmehr hat sich der Gesundheitszustand des Revisionswerbers so weit gebessert, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten wie beispielsweise jene eines Verpackers von Kleinerzeugnissen, Etikettierers, Museumwärters oder Portiers verrichten kann und nicht mehr als invalid im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG anzusehen ist.

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen ist eine Besserung des Gesundheitszustandes des Revisionswerbers insofern eingetreten, als bei ihm zum Zeitpunkt der Untersuchung für das Gewährungsgutachten vom 3. 8. 1994 eine höhergradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule festgestellt wurde und das Vorwärtsneigen nur angedeutet und zögernd durchgeführt werden konnte, während der Revisionswerber nunmehr im Rahmen der gerichtsärztlichen Untersuchung in der Lage war, einen Fingerkuppen-Fußbodenabstand bis 38 cm zu erreichen und auch das Seitwärtsneigen und die Rumpfrotation nahezu frei möglich waren, was nicht mehr einer höhergradigen Bewegungseinschränkung entspricht. Diese verbesserte Beweglichkeit des Revisionswerbers stellt eine wesentliche Besserung des körperlichen Zustandes und somit der objektiven Grundlagen der seinerzeitigen Leistungszuerkennung und nicht nur der subjektiven Beurteilung durch die jeweiligen ärztlichen Sachverständigen dar. Da diese Besserung des körperlichen Zustandes positiv festgestellt wurde, stellt sich die in der Revision relevierte Frage der Beweislast nicht. Nach der objektiven Beweislast ist ein Fall nur dann zu lösen, wenn sich rechtlich erhebliche Tatsachen nicht feststellen lassen. Der Revisionswerber bekämpft mit seinen Ausführungen zur Beweislast in Wahrheit nicht die - zutreffende - Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, sondern die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen und die daraus resultierenden Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist. Dass er grundsätzlich nunmehr wieder in der Lage ist, die vom Erstgericht herangezogenen Verweisungstätigkeiten auszuüben, zieht der Revisionswerber nicht in Zweifel. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Leistung sind daher insgesamt erfüllt.

Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit liegen nicht vor.

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