OGH 13Os38/00

OGH13Os38/0028.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Habl, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Leopold P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Leopold P*****, Karl K***** und Friedrich W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 10. Jänner 2000, GZ 25 Vr 413/99-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Leopold P***** und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch des Johann L***** wegen des Vergehens des versuchten Betruges unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen, K***** und W***** auch mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden, werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Johann L***** wurde des Vergehens des versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB (A/I) und des Verbrechens der Bestimmung zum Missbrauch der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1 zweiter Satz, 302 Abs 1 StGB (A/II), Karl K*****, Friedrich W***** und Leopold P***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben am 27. Jänner 1999 in Sch*****

A) Johann L*****

I) mit dem Vorsatz, sich durch deren Verhalten unrechtmäßig zu

bereichern, indem er entwickelte und zu bezahlende Photographien in andere Taschen mit weiteren Bildern gab, die Kassierin der Fa. BIPA Drogeriemarkt, Christiane F***** durch Täuschung veranlasst, um 135 S zu wenig in Rechnung zu stellen, was einen Vermögensschaden in dieser Höhe herbeiführen sollte,

II) die Gendarmeriebeamten Karl K*****, Friedrich W***** und Leopold P***** mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung wegen des zu A/I beschriebenen Vorfalles zu schädigen, wissentlich dazu bestimmt, Straf- und Disziplinaranzeige zu unterlassen und hiedurch ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen;

B) Karl K*****, Friedrich W***** und Leopold P***** mit dem Vorsatz,

dadurch den Staat an seinem Recht auf straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung wegen des zu A/I beschriebenen Vorfalles zu schädigen, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich missbraucht, dass sie es unterließen, Straf- und Disziplinaranzeige zu erstatten.

Gegen dieses Urteil richten sich Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Karl K*****, Friedrich W***** (jeweils § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO) und Leopold P***** (§ 281 Abs 1 Z 3, und 9 lit a StPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 3) des Leopold P***** zeigt zutreffend eine in der Vernehmung des Gendarmeriebeamten Kurt B***** gelegene Verletzung des § 152 Abs 5 zweiter Satz StPO auf. B***** hatte nach eigenen Angaben über telefonische Aufforderung L***** seine Kollegen K***** und W***** an den Tatort beordert, war nachfolgend über den Vorfall im BIPA Drogeriemarkt informiert worden und bei der Vereinbarung zwischen K*****, W***** und P*****, vorerst keine Anzeige zu erstatten (ON 10), zugegen, woraus eine für die (rechtliche) Annahme des Entschlagungsgrundes der Selbstbezichtigungsgefahr nach § 152 Abs 1 Z 1 StPO hinreichende Sachverhaltsgrundlage offenbar wurde. Seiner Pflicht zur Anerkennung des Entschlagungsrechtes und zu der damit gesetzlich verknüpften Belehrung darüber ist der Vorsitzende jedoch nicht nachgekommen. Losgelöst von der Verwertung im Urteil erweist sich solcherart das Verfahren deshalb, weil die Aussage einer entschlagungsberechtigten Person, die auf dieses Recht nicht ausdrücklich verzichtet hatte, in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) ist, im Sinn des § 281 Abs 1 Z 3 StPO als mangelhaft (vgl 13 Os 156/99, 13 Os 20/00).

Schon der Hinweis in US 17, wonach die Feststellung der Verabredung zwischen K*****, W***** und P*****, "vorerst keine Eintragungen vorzunehmen", insbesondere auch auf der Aussage B***** gründe, lässt für Erwägungen nach § 281 Abs 3 StPO keinen Raum.

Eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdepunkte bedurfte es nicht. Der aufgezeigte Verfahrensmangel kommt nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (zweiter Fall) StPO auch sämtlichen Mitangeklagten zustatten (hins L***** vgl Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 21 f, Fabrizy in WK2 § 12 Rz 79). Leopold P*****, Karl K***** und Friedrich W***** (letztere auch mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden) waren mit ihren Berufungen auf die bereits in nichtöffentlicher Sitzung getroffene kassatorische Entscheidung (§ 285e StPO) zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass als unmittelbarer Täter (§ 12 erster Fall StGB) eines durch Unterlassen (§ 2 StGB) begangenen Missbrauchs der Amtsgewalt vorliegend allein der Angeklagte P***** in Betracht kommt, der in seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter L***** verpflichtet gewesen wäre, sich (zwar) jeder Erhebung zu enthalten, jedoch sofort der Dienstbehörde zu berichten (§ 109 Abs 1 zweiter Satz Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979). Anzumerken bleibt, dass die Anzeigepflicht der Sicherheitsbehörden von der Ausnahmeregelung des § 84 Abs 2 StPO nicht berührt wird (§ 84 Abs 3 StPO).

Stichworte