OGH 13Os20/00

OGH13Os20/003.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2000 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Graf als Schriftführer, in der Strafsache gegen Egon Josef G***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7. Dezember 1999, GZ 37 Vr 3748/98-106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der Angeklagte Egon G***** wurde (im zweiten Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (I.) und des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck in der Zeit zwischen 10. November 1996 und 1. Oktober 1998

(zu I.) die am 1. September 1986 geborene und sohin unmündige Jasmin G***** dadurch, dass er in wiederholten Fällen von ihr an sich einen Oralverkehr durchführen ließ, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und

(zu II.) durch die zu I. geschilderten Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung eines seiner Aufsicht unterstehende minderjährige Person zur Unzucht missbraucht.

Die Aufhebung des im ersten Rechtsgang gefällten Urteils (das auch einen unangefochten gebliebenen Teilfreispruch enthielt) erfolgte aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 2 StPO iVm § 152 Abs 1 Z 2 und Abs 5 StPO, weil die Zeugen Jasmin G***** und Kevin G*****, die nach der damaligen (nunmehr allerdings geänderten) Aktenlage als Angehörige des Angeklagten, nämlich als Kinder seiner Lebensgefährtin angesehen wurden, nicht ausdrücklich auf ihr Entschlagungsrecht verzichtet hatten und somit ihre Aussagen - auf dieser Grundlage - nichtig waren. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Die vom Angeklagten nunmehr aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 2, 3 und 4 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nunmehr rügt die Beschwerde nach Z 2, dass diesen Zeugen ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO zugestanden wäre, auf welches sie nicht verzichtet hätten (und auch gar nicht belehrt worden wären). Dies, weil im Zuge der Vernehmung der Verdacht im Raum gestanden wäre, dass sie ihre eigene Mutter, Hedwig G*****, durch wahrheitsgemäße Angaben belasten müssten, was sich in der Folge auch ergeben hätte. Diese nichtigen Ergebnisse des Vorverfahrens seien trotz Verwahrung des Verteidigers verlesen bzw vorgeführt (und zum Nachteil des Angeklagten verwertet) worden.

Dieser Vorwurf geht ins Leere. Die im Rechtsmittel angesprochenen Teile der Aussagen der Zeugen Jasmin und Kevin G***** betreffen völlig gesonderte, mit den gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe in keinerlei Zusammenhang stehende Umstände. Für diese bzw überhaupt für ein Vorliegen strafbarer Handlungen durch Hedwig G***** bot die Aktenlage, wie sie sich dem Untersuchungsrichter darstellte, entgegen den Beschwerdebehauptungen keinerlei Anhaltspunkte, sodass ein Anlass für eine Belehrung der Zeugen Jasmin und Kevin G***** über ein Entschlagungsrecht wegen allfälliger Belastung ihrer Mutter bis zu den betreffenden Angaben (S 191, 183) kein Anlass bestand, demnach ein diesbezüglicher Vorgang gemäß § 152 Abs 5 StPO vor Beginn der Vernehmung nicht in Frage kam. Erst dann nämlich, wenn im Verfahren die Sachverhaltsgrundlage für ein Entschlagungsrecht offenbar wird, ist der Untersuchungsrichter verpflichtet, den Zeugen auf dieses Recht hinzuweisen. Bis zu diesem Zeitpunkt kommt ein Verfahrensmangel von vornherein nicht in Betracht. Aus der unterlassenen Belehrung dieser Zeugen über ihr grundsätzlich (zu ihrem Schutz vor einer seelischen Zwangslage) bestehendes absolutes, aber auch teilbares (siehe 14 Os 82/94, 14 Os 44/96) Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2 StPO betreffend ihre Mutter Hedwig G*****, gegen die das Strafverfahren nicht geführt wurde, und deren sich im Zuge der Vernehmungen zufällig ergebende, ihrem Inhalt nach das dem Angeklagten (gegenüber dem dieses Entschlagungsrecht nicht bestand) vorgeworfene Verhalten gar nicht betreffende Belastung, kann dieser für sich daher keine Rechte ableiten.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 2 des § 281 Abs 1 StPO liegt demnach in der geltend gemachten Richtung nicht vor, sodass auch der auf dieselben Umstände gestützte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO nicht gegeben ist. Auf den Umstand, dass auch § 281 Abs 3 StPO der erfolgreichen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes im Wege stand, weil die Behauptung, Hedwig S***** habe ihre Tochter einmal mit einem Messer bedroht, den Angeklagten unter keinen Umständen benachteiligen konnte, sei gleichfalls hingewiesen. Der weitere auf Z 3 des § 281 StPO gestützte Einwand, dass den im Zeitpunkt der Vernehmung der Tatopfer in Haft befindlichen (damals) Beschuldigten keine Möglichkeit eingeräumt wurde sich daran zu beteiligen, ist unzutreffend. § 162a Abs 1 StPO verlangt zwar vom Untersuchungsrichter sowohl dem Beschuldigten, als auch seinem Verteidiger Gelegenheit zu geben, sich an der Vernehmung zu beteiligen und Fragen an den Zeugen zu stellen. In welcher Form das zu geschehen hat, ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen. Der Untersuchungsrichter ist nur verpflichtet, einem Verlangen des Verteidigers nach Ladung bzw Vorführung des Beschuldigten zu entsprechen. Vorliegend wurde der Verteidiger beigezogen (siehe JA 16 zu § 252 StPO StPÄG 1993) und hat nicht begehrt, dass auch sein Mandant heranzuziehen sei. Die Möglichkeit der Teilnahme stand daher für den (damals) Beschuldigten offen; dass deren Verwirklichung nicht verlangt wurde, ändert nichts daran. Die weiters gerügte unterlassene Belehrung der Zeugen nach § 162a Abs 4 StPO steht nicht unter Nichtigkeitssanktion; die Rechte des Angeklagten sind nämlich davon nicht berührt, sondern vielmehr jene des Zeugen. Im Übrigen wurde zu beiden letztgenannten Beschwedepunkte bereits in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang Stellung genommen (13 Os 118/99-5 S 4: .... "hier keine Nichtigkeit begründenden Vorgänge"), sodass das neuerliche Vorbringen unzulässig ist.

Soweit letztlich zu § 281 Abs 1 Z 3 StPO noch vorgebracht wird, dass das im ersten Rechtsgang erflossene Urteil vom Obersten Gerichtshof deshalb aufgehoben wurde, weil ein Entschlagungsrecht der Tatopfer als Angehörige (Kinder der Lebensgefährtin des Täters) angenommen wurde, so ist damit für den Rechtsmittelwerber im vorliegenden zweiten Rechtsgang nichts zu gewinnen. Denn die nach § 293 Abs 2 StPO gegebene Bindung betrifft nur die Rechtsansicht. Vorliegend haben sich aber die festgestellten tatsachenmäßigen Prämissen geändert, weil - wie sich ergab (und vom Rechtsmittelwerber an sich auch nicht mehr bestritten wird) - im Zeitpunkt der Vernehmung der Zeugen die Lebensgemeinschaft zwischen deren Mutter und dem Angeklagten bereits gelöst war. Das Erstgericht hat daher keine andere als die in der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes geäußerte Rechtsansicht vertreten, nur entfiel deren Aktualität zufolge geänderter Tatsachenfeststellungen.

Auf allfällige sonstige nichtigkeitsbegründende Formalmängel (§ 281 Abs 1 Z 2 und Z 3 iVm § 152 Abs 1 Z 2a und Z 3 StPO bzw § 252 Abs 1 StPO, wobei am Rande bemerkt sei, dass Kevin G***** ein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 2a StPO nie zukam), war mangels eines deutlichen und bestimmten Hinweises nicht einzugehen. Auch die Verfahrensrüge (Z 4), welche die Abweisung der Anträge auf Vernehmung der Zeugen B***** und Dr. Br***** kritisieren, gehen ins Leere. Die Vernehmungen sind nämlich zu Recht unterblieben, zielen doch die Beweisthemen (B*****: "zu den bisherigen Beweisthemen", .. im Wesentlichen zur Frage des Familienverhältnisses, Dr. Br*****:

"zum Beweis dafür, dass keine Wahrnehmungen über Misshandlungen der Kinder von ihr gemacht werden konnten bzw "wie bisher" zur Frage des Familienverhältnisses") auf unzulässige Erkundungsbeweise ab, die zudem keine Relevanz zur Klärung der Schuldfrage erkennen lassen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d), sodass über die außerdem erhobene Berufung des Angeklagten das hiefür zuständige Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden hat (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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