OGH 7Ob105/00t

OGH7Ob105/00t28.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl R*****, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Hamdija M*****, vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2000, GZ 39 R 16/00t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Liesing vom 4. November 1999, GZ 2 C 915/99y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 22. 3. 1979 die zumindest später mit der Bezeichnung "top 5" versehene, aus einem Zimmer und einer Küche bestehende ebenerdige Wohneinheit im Haus F*****-Gasse 12 in W***** an. Mit (weiterem) Mietvertrag vom 18. 1. 1990 mietete er das unmittelbar daneben liegende, ebenfalls aus einem Zimmer und einer Küche bestehende Objekt "top 6" im gleichen Haus an, wobei vereinbart wurde, dass er berechtigt sei, auf seine eigenen Kosten und Gefahr von befugten Gewerbetreibenden einen Durchbruch zwischen den beiden Wohnungen top 5 und 6 herstellen zu lassen. Dieser Durchbruch wurde vom Beklagten ca im März 1990 auch tatsächlich durchgeführt, und zwar in der Form, dass die Trennmauer zwischen den beiden Küchen durchbrochen und durch eine Tür ersetzt wurde. Die vormalige Eingangstür zum Objekt top 6 wurde versperrt und mit Styropor abgedichtet. Ursprünglich waren beide Wohnungen direkt vom Garten aus, zugänglich.

Der Kläger hat das Haus F*****-Gasse 12 im März 1998 gekauft und ist im Dezember 1998 selbst dort eingezogen. Im Zuge von Streitigkeiten mit dem Beklagten hat er diesem des Öfteren angedroht, ihn "hinauszuschmeißen"; der Beklagte hat dies dahingehend aufgefasst, dass er ganz aus dem Haus weg solle.

Am 29. 6. 1999 erschien der Kläger beim Erstgericht, um unter Mitnahme des Mietvertrages vom 18. 1. 1990 und zweier Zusatzvereinbarungen die gerichtliche Aufkündigung zu Protokoll zu geben. Im von einem Rechtspraktikanten nach Angaben des Klägers ausgefüllten Kündigungsformular wurde als Bestandobjekt die Wohnung "F*****-Gasse 12/T. 6, *****" ausgefüllt, wobei dieser Rechtspraktikant offenkundig aufgrund des Umstandes, dass in dem vorgewiesenen Mietvertrag als Mietgegenstand lediglich die "Tür 6" aufschien, sowie weiters die Adresse des Gekündigten und das Kündigungsobjekt lediglich mit "Tür Nr 6" bezeichnet wurden, ohne dass auf die Zusammenlegungsberechtigung im vorgelegten Mietvertrag oder auf die Bezeichnung der Wohnung als Tür Nr "5 + 6" in den beiden Zusatzvereinbarungen Bedacht genommen worden wäre (wobei auch dem Kläger selbst dieser Umstand offenkundig nicht auffiel), das Formular so ausfüllte. Der Kläger unterfertigte vielmehr die vorbereitete Kündigung und gab sie persönlich am gleichen Tag in der Einlaufstelle des Erstgerichtes ab. Der Beklagte, dem diese in der Folge zugestellt wurde, verstand die Kündigung freilich sogleich als solche des gesamten Mietverhältnisses.

Im Rahmen dieser gerichtlichen Aufkündigung wurde von der klagenden Partei der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG wegen erheblich nachteiligen Gebrauches geltend gemacht. Mit in der mündlichen Streitverhandlung vom 4. 11. 1999 vorgetragenem Schriftsatz berichtigte der Kläger die Bezeichnung des aufgekündigten Bestandobjektes auf "top 5 + 6".

Das Erstgericht hob die bewilligte Aufkündigung mit seinem Urteil vom 4. 11. 1999 auf und wies das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Wohnung "top 6" im Haus *****, F*****-Gasse-12, binnen 14 Tagen von eigenen Fahrnissen geräumt zu übergeben, ab.

Es beurteilte den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass nach § 562 Abs 1 zweiter Satz ZPO eine gerichtliche Aufkündigung ua die Bezeichnung des Bestandgegenstandes zu enthalten habe, was in Verbindung mit § 226 ZPO sowie § 7 Abs 1, § 1 Z 4 EO eine exakte, für einen Dritten (das Vollstreckungsorgan) objektiv erkennbare Bezeichnung bedeute. Die gerichtliche Aufkündigung sei eine formstrenge Prozesshandlung. Speziell für den vorliegenden Fall eines real existierenden Objektes mit der von der kündigenden Partei gewählten Bezeichnung "T. 6", die

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Feststellung des Erstgerichtes, wonach "der Beklagte die Kündigung ursprünglich als Kündigung des gesamten Mietverhältnisses angesehen hatte", könne nicht übernommen werden. Der bei Erhebung der Einwendungen anwaltlich nicht vertretene Beklagte habe die rechtliche Situation der möglicherweise unzulässigen "Teilkündigung" nicht erkennen und daher auch nicht geltend machen können, sodass nicht geklärt sei, ob der Beklagte die Kündigung tatsächlich auf beide Bestandobjekte bezogen habe. In der Tagsatzung vom 1. 9. 1999 seien jedenfalls beide Parteien von einem einheitlichen Bestandvertrag ausgegangen. Dem Erstgericht sei aber zu folgen, wenn es unter Berufung auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung (5 Ob 549/95) ausführe, dass im konkreten Fall an einer strengen Handhabung des Bestimmtheitserfordernisses in der Aufkündigung festgehalten werden müsse. Durch die Rechtswirksamerklärung der Aufkündigung und dem damit zu erlassenden Räumungsbefehl werde ein materiell vollstreckbarer Exekutionstitel geschaffen, daher komme es auf das Kennen oder Kennen-Können des Kündigungsgegners nicht an. Zufolge der Bindung der kündigenden Partei an die Fristen und Termine des § 560 ZPO, die auch prozessuale Notfristen seien, komme eine Verbesserung von Inhaltsmerkmalen der Rechtsgestaltungserklärung regelmäßig nicht in Betracht, sofern es sich nicht um bloß unwesentliche Fehler handle, die auch einer klareren und deutlicheren Fassung des Urteilsspruches durch das Gericht zugänglich seien. Werde aber ein - nach Ansicht des Klägers einheitliches - Bestandobjekt unvollständig bezeichnet, so komme eine Verbesserung dieser der Durchführung der Exekution entgegenstehenden Unbestimmtheit nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht in Betracht. Das Erstgericht habe daher zu Recht die Aufkündigung wegen Unbestimmtheit für rechtsunwirksam erklärt. Da die oberstgerichtliche Rechtsprechung eine Verbesserung der Aufkündigung hinsichtlich eines wesentlichen Fehlers bei der Bezeichnung des Bestandobjektes ablehne, sei die ordentliche Revision nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sowie der Mangelhaftigkeit des Verfahrens gestützte außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, in Stattgebung des Rechtsmittels die bekämpfte Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 5 Z 2 iVm Abs 1 ZPO), weil das Berufungsgericht nicht die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes beachtet hat, und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die beklagte Partei hat hiebei - nach Freistellung - keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Zwar ist eine gerichtliche Aufkündigung eine formstrenge Prozesshandlung, sodass nach Erhebung von Einwendungen eine Korrektur von Inhaltsmängeln (wie etwa ungenügende Bezeichnung des Bestandgegenstandes) grundsätzlich unzulässig ist (RIS-Justiz RS0000067). Die in 5 Ob 549/95 vertretene Auffassung, auf welche sich die Vorinstanzen (speziell das Berufungsgericht: S 3 seiner Entscheidung = AS 65) stützten, wurde jedoch bereits zu 1 Ob 217/98p als zu streng gemildert: Danach darf die genaue Bezeichnung des aufgekündigten Bestandobjektes "kein formalistischer Selbstzweck" sein; sie soll die Aufkündigung eines dem Kündigungsgegner ohnehin zweifelsfrei bekannten Bestandgegenstandes nicht verhindern; er darf nur nicht im Unklaren sein, welches Bestandverhältnis nach dem Willen des Kündigenden durch die Aufkündigung zu seinem Ende kommen soll; eine mangelhafte Bezeichnung des Bestandobjekts in der Aufkündigung kann auch nach Erhebung von Einwendungen durch die kündigende Partei sohin berichtigt oder auch präzisiert, somit verbessert und damit der Mangel saniert werden, sofern nur die gekündigte Partei von Anfang an keine Zweifel über die Identität des aufgekündigten, zunächst unzureichend bezeichneten Bestandobjekts haben konnte, somit wusste oder als redlicher Erklärungsempfänger zumindest wissen musste, welches Bestandobjekt in der Aufkündigung gemeint war. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist eine Verbesserung innerhalb der prozessualen Schranken des § 235 ZPO zulässig. "Unwesentliche Fehler" in der Bezeichnung des Bestandobjektes, die keinen Zweifel an seiner Identität aufkommen lassen, wurden dabei vom Obersten Gerichtshof auch schon früher für verbesserungszugänglich erachtet (MietSlg 22.644; 8 Ob 635/91; 6 Ob 206/97f; RIS-Justiz RS0000083, RS0044808). In einem solchen Fall stellt die spätere "genaue" Bezeichnung keine unzulässige Erweiterung dar (RIS-Justiz RS0044796).

Die allein auf 5 Ob 549/95 abstellende Entscheidung des Rekursgerichtes steht mit dieser Judikatur des Obersten Gerichtshofes sohin in Widerspruch. Dies wird auch in der außerordentlichen Revision zutreffend aufgezeigt. Damit kommt jedoch der Feststellung des Erstgerichtes, wonach "der Beklagte die Kündigung ursprünglich als Kündigung des gesamten Mietverhältnisses [also sowohl der in der gerichtlichen Aufkündigung genannten Top 6 als auch der daneben befindlichen und später von der aufkündigenden Partei ergänzten Top 5] angesehen hatte", entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht ist von dieser Feststellung ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung abgegangen. Hiezu hätte es jedoch einer Beweiswiederholung bedurft (RIS-Justiz RS0043133). Auch dies wird in der außerordentlichen Revision als Verfahrensmangel zutreffend aufgezeigt.

Schon daraus folgt, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO gegeben sind.

Ausgehend von den - insoweit im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen - Feststellungen des Erstgerichtes war die Falschbezeichnung des Bestandobjektes in der gerichtlichen Aufkündigung ausschließlich aufgrund eines Fehlers des Gerichtsorgans, nämlich des den Protokollarantrag aufnehmenden Rechtspraktikanten, unterlaufen, hätte sich doch bereits aus den vom Kläger mitgebrachten und diesem Gerichtsorgan vorgelegten Urkunden Beilagen C und D eindeutig die richtige (und vollständige) Bezeichnung der Wohnungen als "Tür 5 + 6" ergeben. In diesem Sinne ist auch das - insoweit übereinstimmende - Vorbringen beider Streitteile in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. 11. 1999, wonach sich die Aufkündigung tatsächlich auf beide (zusammengelegten und auch nur mehr durch eine einzige Tür betretbaren) Bestandobjekte erstreckte (Seite 2 des Protokolls ON 11 = AS 33), geradezu als Außerstreitstellung im Sinne des § 266 ZPO zu werten, von welcher sohin auch das Berufungsgericht ohnedies nicht weiter abgehen hätte dürfen (Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu §§ 266, 267). Auch dieser Verfahrensverstoß wird in der außerordentlichen Revision zutreffend aufgezeigt.

Daraus folgt - zusammenfassend - , dass ungeachtet der Bezeichnung des Bestandobjektes in der gerichtlichen Protokollaraufkündigung bloß als solches der "T. 6" ("top 6" oder "Tür 6") Gegenstand des Verfahrens tatsächlich von Anfang an beide Bestandobjekte "Wohnung 5 und 6" waren und sind. Da jedoch zum (hinsichtlich des Gesamtmietgegenstandes) geltend gemachten Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG keinerlei Feststellungen getroffen wurden (und auch aufgrund der Nichtaufnahme der hiezu beiderseits beantragten Beweismittel bisher nicht getroffen werden konnten), waren die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur diesbezüglichen Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Zur Herbeiführung der Spruchreife ist eine Verhandlung in erster Instanz unumgänglich.

In diesem Sinne war daher der außerordentlichen Revision der klagenden Partei im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt ist in den §§ 52 Abs 1, 50 ZPO begründet.

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