OGH 10ObS152/00a

OGH10ObS152/00a27.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Gabriele Griehsel und Dr. Martin Gleitsmann (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johannes T*****, Zimmerer, *****, vertreten durch Held-Berdnik-Astner-Held, Rechtsanwaltskanzlei OEG in Graz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kemslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. März 2000, GZ 7 Rs 17/00z-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Oktober 1999, GZ 22 Cgs 123/99i-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Den Rechtsmittelausführungen sei daher nur entgegengehalten, dass Verfahrensmängel erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat (wie hier die Nichteinholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens), auch in Sozialrechtssachen nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74; 3/115 mwN uva), und zwar - jedenfalls dann, wenn es sich um Stoffsammlungsmängel handelt - auch nicht unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache nach § 503 Z 4 ZPO.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach die unfallsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger seit dem 1. 1. 1999 das rentenbegründende Ausmaß von 20 vH nicht erreicht, ist zutreffend und steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Danach ist die Unfallversicherung keine Berufsversicherung und die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist daher grundsätzlich abstrakt zu prüfen. Grundlage für die Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bildet regelmäßig ein ärztliches Gutachten. Dabei kommt den in Jahrzehnten entwickelten und angewendeten Richtlinien über die Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Unfallverletzten als maßgebliche Grundlage eine große Bedeutung zu. Diese veröffentlichten und immer wieder aktualisierten Richtlinien berücksichtigen nicht nur die fortschreitende medizinische Entwicklung, sondern auch die Verhältnisse auf dem Gebiet des allgemeinen Arbeitsmarktes, sodass den veränderten Anforderungen an den arbeitenden Menschen Rechnung getragen wird. Die medizinische Einschätzung, die sich dieser Richtlinien bedient, berücksichtigt auf diese Weise auch die Auswirkung einer Unfallverletzung auf die Einsatzmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (10 ObS 73/99d; 10 ObS 50/99x jeweils mwN; SSV-NF 3/19; 1/64 uva). Die vom Erstgericht im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen wiedergegebene Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Gutachtens des medizinischen Sachverständigen ist hiebei ein zum Tatsachenbereich gehöriger Akt der im Revisionsverfahren nicht bekämpfbaren Beweiswürdigung (SSV-NF 6/15; 5/125; 3/90 uva). Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers seit 1. 1. 1999 unter 10 vH und erreicht somit nicht das rentenbegründende Ausmaß.

Nur unter besonderen Umständen kann ein Abweichen von dieser medizinischen Einschätzung dann geboten sein, wenn im Hinblick auf die besondere Situation im Einzelfall unbillige Härten eines Verletzten zu vermeiden sind und der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der medizinischen Beurteilung höher einzuschätzen ist (SSV-NF 9/26 uva). Ein solcher Härtefall liegt aber nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn den Versicherten infolge der Aufgabe oder erheblichen Einschränkung seiner bisherigen Tätigkeit beträchtliche Nachteile in finanziell-wirtschaftlicher Hinsicht treffen und eine Umstellung auf andere Tätigkeiten unmöglich ist oder ganz erheblich schwer fällt, wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist (SSV-NF 7/127 mwN ua).

Die medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit unterhalb des den Anspruch auf Versehrtenrente begründenden Grenzbereiches von 20 vH - im vorliegenden Fall unter 10 vH - lässt ein solches "besonderes berufliches Betroffensein" des Klägers nicht erkennen. Vom Kläger wurden auch konkrete Umstände, bei denen im Sinne der Rechtsprechung des Revisionsgerichtes von einem besonders zu berücksichtigenden Härtefall gesprochen werden könnte, nicht behauptet. Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass der Kläger auch nach dem Unfall seinen Beruf als selbständiger Zimmerer weiterhin ausübt. Schon dieser Umstand spricht dagegen, dass ein Härtefall vorliegt, der ein Abgehen von der medizinischen Einschätzung rechtfertigten würde. Weitere Erhebungen über berufsspezifische Fragen erübrigen sich daher (vgl SSV-NF 1/64 ua).

Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch ergeben sich Anhaltspunkte für solche Gründe aus der Aktenlage.

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