OGH 2Ob159/00x

OGH2Ob159/00x20.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die beklagten Parteien 1.) A***** AG, *****, 2.) Erich G*****, beide vertreten durch Dr. Dietmar Gollonitsch und Mag. Christian Kies, Rechtsanwälte in Scheibbs, wegen S 116.949,-- und Feststellung (Streitwert S 60.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den in das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. März 1999, GZ 5 R 193/98h-13, aufgenommenen Beschluss, womit das Feststellungsbegehren zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird behoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 15. 6. 1984 ereignete sich auf der Westautobahn, Richtungsfahrbahn Salzburg, im Gemeindegebiet von Altlengbach ein Verkehrsunfall, an dem Dr. Ulrike J***** als Lenkerin des ihr gehörigen PKW Renault R 5 und der Zweitbeklagte als Lenker seines bei der erstbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Peugeot 504 beteiligt waren. Dr. J***** erlitt bei diesem Unfall schwerste Kopfverletzungen mit Dauerfolgen, die mehrere operative Eingriffe erforderlich machten. Das Alleinverschulden am Unfall trifft den zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisierten (2,7 Promille) Zweitbeklagten. Dr. J***** erwirkte am 17. 7. 1986 zu 2 Cg 175/86 des Kreisgerichtes St. Pölten ein rechtskräftiges Feststellungsurteil, nach dem die hier beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig sind, ihr sämtliche in Hinkunft aus diesem Verkehrsunfall resultierenden Schäden zu ersetzen, die erstbeklagte Partei beschränkt auf die Höhe der Versicherungssumme auf Grund des Haftpflichtversicherungsvertrages für den PKW der zweitbeklagten Partei.

Mit Bescheid der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter vom 18. 5. 1993 wurde Dr. Ulrike J***** mit Wirksamkeit ab 23. 12. 1992 eine Dauerrente im Ausmaß von 100 % der Vollrente einschließlich Zusatzrente für Schwerversehrte zuerkannt, weil sie ihre Berufstätigkeit als Richterin auf Grund der beim Unfall erlittenen Gehirnverletzungen nicht mehr ausüben konnte.

Am 13. 4. 1993 langte beim Bundesrechenamt (jetzt: Bundespensionsamt) ein Antrag von Dr. Ulrike J***** auf Gewährung der Hilflosenzulage ein. Auf Grund dieses Antrages wurde ihr mit Bescheid vom September 1993 ab 1. 5. 1993 bis 30. 6. 1993 eine Hilflosenzulage der Stufe 2 gewährt. Nach Inkrafttreten des Bundespflegegeldgesetzes mit 1. 7. 1993 gewährte das Bundesrechenamt Dr. J***** ab 1. 7. 1993 anstelle der Hilflosenzulage ein Pflegegeld der Stufe 2 samt Ausgleichsbetrag. Dr. J***** ist infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen in erheblichem Ausmaß pflegebedürftig. Sie wird von Angehörigen des Vereins "Helfende Hände" betreut. Die Kosten für diesen Betreuungsaufwand werden in periodischen Abständen von ihrem Rechtsvertreter eingefordert. Im Rahmen der bestehenden Schadenersatzverpflichtung werden die das gesetzliche Pflegegeld übersteigenden Beträge von der erstbeklagten Partei auch bezahlt.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am 20. 8. 1997 beim Erstgericht eingelangten Klage von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand den Ersatz jener Beträge, die sie als Pflegegeld an Dr. J***** bezahlt habe sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für jene Leistungen, die auch in Zukunft von ihr an Dr. J***** zu erbringen seien. Nach § 16 Abs 1 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) sei der Anspruch von Dr. Ulriche Jensik auf Ersatz der infolge des Unfalles wegen Pflegebedürftigkeit vermehrten Bedürfnisse auf das Bundespensionsamt übergegangen. Das von Dr. Ulrike J***** erwirkte Feststellungsurteil entfalte auch im Verhältnis der nunmehr klagenden Partei, welche auf Grund der angeführten Legalzession Einzelrechtsnachfolgerin von Dr. J***** sei, zu den hier beklagten Parteien Wirkung. Vorsichtshalber werde jedoch auch das Feststellungsbegehren gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten Verjährung ein. Gegenüber dem Zessionar verjähre der Schadenersatzanspruch in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt seien. Spätestens seit dem Antrag von Dr. J***** auf Gewährung von Pflegegeld, der am 13. 4. 1993 beim Bundesrechenamt eingelangt sei, habe die klagende Partei Kenntnis vom Schaden und Schädiger gehabt. Das von Dr. J***** gegen die hier beklagten Parteien erwirkte Feststellungsurteil wirke nicht gegenüber der klagenden Partei. Die durch das Feststellungsurteil unterbrochene Verjährung komme der klagenden Partei nicht zugute. Für den Fall, dass das bestehende Feststellungsurteil die Verjährung auch zu Gunsten der klagenden Partei unterbreche, sei ein weiteres, hier gestelltes Feststellungsbegehren unzulässig und wegen entschiedener Rechtssache abzuweisen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen erörterte es rechtlich, dass unabhängig davon, ob man auf die Kenntnis von Schaden und Schädiger durch die Geschädigte (15. 6. 1984) oder durch das Bundespensionsamt (13. 4. 1993) abstelle, die Ansprüche der klagenden Partei verjährt seien, weil die Unterbrechung der Verjährung durch das von der Geschädigten erwirkte Feststellungsurteil nicht zu Gunsten der klagenden Partei wirke. Dazu komme, dass sich die Wirkungen des Feststellungsurteils auf jetzt geltend gemachte Ansprüche der klagenden Partei nicht beziehen könnten, weil diese damals mangels Zahlung noch gar nicht auf sie übergegangen seien.

Das Berufungsgericht gab infolge Berufung der klagenden Partei dem Leistungsbegehren (im geltend gemachten Umfang) statt und wies das Feststellungsbegehren wegen entschiedener Rechtssache zurück. Zum - hier allein entscheidungswesentlichen - Feststellungsbegehren führte es aus, dass das von der geschädigten Dr. J***** erwirkte Feststellungsurteil auch zu Gunsten des erst nachträglich leistungspflichtig werdenden Sozialversicherungsträgers zur Unterbrechung der Verjährung führe. Das von der Geschädigten im Direktprozess erwirkte Feststellungsurteil wirke daher auch zu Gunsten der klagenden Partei. Es liege daher das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vor.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, in eventu an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagten Parteien beantragen dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aber auch ohne Rücksicht auf die Höhe des Streitwertes zulässige (zweiseitige) Rekurs (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 519) ist berechtigt.

Die Rekurswerberin macht geltend, dass eine Erstreckung der Rechtskraft des seinerzeit von der Geschädigten gegen die nunmehrigen beklagten Parteien erwirkten Feststellungsurteils auf die nunmehrige klagende Partei rechtlich nicht in Betracht komme. Eine Rechtkrafterstreckung sei für den hier gegenständlichen Fall eines Forderungsüberganges nach § 16 Abs 1 BPGG nicht anzunehmen. Das Berufungsgericht habe die klagende Partei mit der Rechtsansicht, dem erhobenen Feststellungsbegehren stehe das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen, überrascht. Das Feststellungsbegehren hätte in ein Titelergänzungsbegehren umgedeutet oder der klagenden Partei Gelegenheit gegeben werden müssen, das Klagebegehren in diesem Sinn zu modifizieren.

Diesen Ausführungen kann nur zum Teil gefolgt werden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 51/95; RIS-Justiz RS0034606; zuletzt 2 Ob 212/99m), dass ein vom Geschädigten erwirktes Feststellungsurteil die Verjährung auch zu Gunsten eines auf Grund einer Legalzession erst nachträglich leistungspflichtig gewordenen Sozialversicherungsträgers unterbricht. Diese Rechtsprechung wird auch im Wesentlichen von der Lehre geteilt (Mader in Schwimann ABGB2 Rz 33 zu § 1489; Neumayr in Schwimann ABGB2 Rz 103 und 107 zu § 332 ASVG; aa Huber, Die Verjährung von gesetzlichen Rückersatzansprüchen; JBl 1985, 395 [402]).

Da § 16 BPGG ebenfalls eine Legalzession hinsichtlich des bezahlten Pflegegeldes anordnet, sind die oben dargestellten Grundsätze auch hier anzuwenden. Kommt der klagenden Partei die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung durch das von der Geschädigten erwirkte Feststellungsurteil zu Gute, dann mangelt es an einem weiteren rechtlichen Interesse zur Erwirkung eines Feststellungsurteils. Nach der herrschenden Rechtsprechung ist das Vorliegen des Feststellungsinteresses im Sinne der Regelung des § 228 ZPO jedoch Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs, betrifft daher die sachliche Berechtigung der erhobenen Klage (2 Ob 212/99m; 2 Ob 93/00s mwN).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes liegt aber das (Nichtigkeit begründende; vgl Rechberger in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 411 mwN) Prozesshindernis der entschiedenen Sache nicht vor. Das Urteil des Vorprozesses kann nach § 411 ZPO nur zwischen den Parteien des Vorprozesses, darüberhinaus nur bei gesetzlich vorgesehener Rechtskrafterstreckung (vgl Rechberger in Rechberger ZPO2 Rz 27 vor § 390) Rechtskraftwirkung entfalten. Dies trifft für die oben dargestellten, von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Verjährungsunterbrechung eines vom Geschädigten erwirkten Feststellungsurteils auch zu Gunsten eines nachträglich leistungspflichtig gewordenen Sozialversicherungsträgers nicht zu.

Soweit im Rekurs geltend gemacht wird, die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sei für die klagende Partei überraschend gewesen, wird übersehen, dass auf diese Rechtsansicht bereits in der Klagebeantwortung (AS 11 letzter Absatz) hingewiesen wird, weshalb von einer "überraschenden Rechtsansicht" keine Rede sein kann.

Das Berufungsgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Nichtigkeitsgrund über die Berufung - soweit sie das Feststellungsbegehren betrifft - meritorisch zu entscheiden haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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