OGH 4Ob155/00y

OGH4Ob155/00y15.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Helmut Cronenberg und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Christine L*****, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl-Percevic, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 300.000 S), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 10. Februar 2000, GZ 6 R 239/99k-39, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte umfasst die berufsmäßige, also regelmäßige und auf Gewinn gerichtete Parteienvertretung (ÖBl 1992, 117 - Familienberatung; 4 Ob 69/92), somit - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch die außergerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche Dritter ex delictu zu Zwecken der Erwerbstätigkeit. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass sich die Beklagte durch das beanstandete Verhalten über § 8 Abs 1 und Abs 2 RAO hinweggesetzt und damit sittenwidrig in den gesetzlichen Berufsvorbehalt der Rechtsanwälte eingegriffen hat. Zwar fällt das Berufsbild des Streitschlichters - ebenso wie jenes des Mediators - nicht unter den Vorbehalt des § 8 Abs 2 RAO. Soweit jedoch die Beklagte zivilrechtliche Forderungen für Dritte auf deren Ersuchen einbringlich zu machen sucht und hiefür Kostenersatz begehrt, kann in diesem Umfang von einer nur streitschlichtenden Tätigkeit (oder bloßen Einladung hiezu) keine Rede mehr sein. Ein Zusammenhang dieser Tätigkeit mit der Verfolgung privatrechtlicher Ansprüche eines Privatbeteiligten im Strafverfahren (wozu die Beklagte als Verteidigerin in Strafsachen grundsätzlich berechtigt ist) kann frühestens dann vorliegen, wenn ein Strafverfahren eingeleitet und der durch eine strafbare Handlung Geschädigte sich einem solchen als Privatbeteiligter angeschlossen hat; diese Voraussetzung lag in den hier zu beurteilenden Fällen regelmäßig nicht vor. Soweit die Beklagte als berufsmäßige Parteienvertreterin außergerichtlich zivilrechtliche Ansprüche für ihre Auftraggeber verfolgt und damit gegen § 1 UWG verstoßen hat, ist ihr dieses Verhalten auch zurechenbar, weil ihre gegenteilige Rechtsauffassung angesichts des klaren Wortlauts des § 8 Abs 2 RAO iVm § 50 Abs 1 StPO (erlaubt ist dem "Nurverteidiger" lediglich das Einschreiten für einen Privatbeteiligten im anhängigen Strafverfahren) unvertretbar ist.

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