OGH 3Ob290/99i

OGH3Ob290/99i24.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Susanne G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wegen Räumung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Juni 1999, GZ 4 R 109/99y-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 27. Jänner 1999, GZ 4 Cg 166/98y-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Die klagende Partei hatte zwei Grundstücke erstanden und dort 15 Reihenhäuser errichtet. Der Beklagten wurden zum Erwerb des letzten dieser Reihenhäuser nach Verhandlungen ein Preisnachlass von S 600.000 gewährt und es wurde ein Vorvertrag bzw Kaufanbot im April 1997 unterzeichnet. Auf Grundlage dieses Kaufanbotes errichtete der von der klagenden Partei beauftragte Rechtsanwalt Mag. P***** einen Kaufvertragsentwurf. Zu diesem Zeitpunkt war das Wohnungseigentum grundbücherlich schon begründet. Der Kaufvertrag enthält folgende wesentliche Bestimmungen:

"I. Vertragsgegenstand

...

Vorbehaltlich der Zustimmung des Landes Oberösterreich verkauft und

übergibt die Verkäuferin an die Käuferin und diese kauft und

übernimmt 817/10.000stel Miteigentumsanteile der Liegenschaft..., mit

denen untrennbar Wohnungseigentum am Reihenhaus B 10 und der Garage

10, bestehend aus... verbunden ist und somit der Käuferin das

alleinige Nutzungsrecht am Reihenhaus B 10 und der Garage 10 zukommt.

Der Käuferin sind die örtlichen Verhältnisse und der derzeitige

Bauzustand des Objekts durch Begehung aus eigener Wahrnehmung

bekannt. Der Kaufpreis beträgt... S 3,650.000. Der bar zu erlegende

Kaufpreis in Höhe von S 2,603.000 ist wie folgt zu entrichten: ein Teilbetrag von S 1,603.000 binnen 8 Tagen nach Vertragsunterfertigung durch die Verkäuferin, ein weiterer Teilbetrag von S 1,000.000 bis längstens 31. 12. 1997, wobei die Käuferin an die Verkäuferin binnen 8 Tagen nach Vertragsunterfertigung durch Letztere eine Bankgarantie über den Betrag von S 1,000.000 mit einer Laufzeit bis 10. 1. 1998 zu übergeben hat und die Verkäuferin berechtigt ist, diese Bankgarantie abzurufen, sofern die Zahlung durch die Käuferin nicht bis zum vereinbarten Zahlungstermin erfolgt ist. Der Restbetrag von S 1,047.000 wird durch die Übernahme des im Lastenblatt der veräußerten Miteigentumsanteile einverleibten Pfandrechtes zugunsten des Landes Oberösterreich... abgedeckt. ...

Die Zahlungen haben bar und abzugsfrei Zug um Zug gegen Zustellung eines Bankhaftbriefes über den jeweils fälligen Betrag zu erfolgen, wobei zunächst nur hinsichtlich der ersten Teilzahlung ein solcher Bankhaftbrief mit einer Laufzeit bis 31. 8. 1997 auzustellen ist, welcher allerdings gegebenenfalls bis zum Vorliegen der Zustimmung des Landes Oberösterreich zur Veräußerung um jeweils ein Monat zu verlängern ist. Hinsichtlich der weiter fällig werdenden Teilzahlungen ist ein derartiger Bankhaftbrief dann mit einer Laufzeit von jeweils einem Monat auszustellen und gegebenenfalls um diesen Zeitraum zu verlängern, wenn bei Fälligkeit die Zustimmung des Landes Oberösterreich zur Veräußerung noch nicht vorliegt. Die Aufrechnung von Ansprüchen der Käuferin gegenüber der Kaufpreisforderung wird ausgeschlossen.

Beim Kaufobjekt handelt es sich um ein Reihenhaus, die Verkäuferin haftet nach den gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen.

...

Die Käuferin ist berechtigt, von ihrer zweiten Teilzahlung im Betrage von 1,000.000 einen Betrag von S 200.000 einzubehalten, sofern alle diese [davor aufgezählten] Maßnahmen bis zur Zahlungsfälligkeit nicht durchgeführt sind. Bei teilweiser Durchführung der der Verkäuferin obliegenden Arbeiten ist die Käuferin allerdings nur berechtigt, einen Betrag, der der Höhe der Aufwendung für die ausstehenden Maßnahmen entspricht, einzubehalten.

III. Übergabe und Übernahme

Die Übergabe bzw Übernahme des Vertragsgegenstandes in den tatsächlichen Besitz und den Genuss der Verkäuferin erfolgt binnen zwei Wochen nach Unterfertigung dieses Vertrages durch beide Vertragsteile. ...

VI. Rechtswirksamkeit

Die Rechtswirksamkeit des Vertrages ist bedingt durch die verbücherungsfähige Zustimmungserklärung des Landes Oberösterreich. Die Vertragsparteien vereinbaren, dass sie alles zur Erteilung dieser Genehmigung vorkehren und veranlassen werden.

...

X. Aufsandungserklärung

Die Verkäuferin... erteilt hiemit ihre ausdrückliche Einwilligung,

dass aufgrund dieses Vertrages ob den 817/10.000stel

Miteigentumsanteilen..., mit welchen Wohnungseigentum am Reihenhaus B

10 und der Garage 10 untrennbar verbunden ist, das Eigentumsrecht

für... [Beklagte] einverleibt werden kann."

Der Rechtsanwalt erhielt den Kaufvertrag nach Unterfertigung durch die Beklagte am 26. 6. 1997 und den Geschäftsführer der klagenden Partei am 10. 7. 1997 zurück.

Die von der Verkäuferseite zugestandene Bankgarantie diente zur Absicherung der Käuferin bis zur Zustimmung des Landes Oberösterreich, weil erst mit dessen Zustimmung die grundbücherliche Durchführung gewährleistet war. Es geschah dies auf Wunsch der klagenden Partei anstatt einer Treuhandabwicklung und für den Fall, dass das Land Oberösterreich eine Zustimmung verweigere. Die zweite Bankgarantie war von der Beklagten als Käuferin zu erlegen, weil ihr eine Kaufpreisteilrate bis Jahresende gestundet war. Am 1. 8. 1997 wurden die Schlüssel an die Beklagte übergeben und sie hat damit das Objekt übernommen. Hiebei wurden von ihr keine Mängel beanstandet. Sie bezahlte wohl den Teilbetrag von S 1,603.000 am 25. 8. 1997, erlegte jedoch die Bankgarantie über S 1,000.000 nicht. Mit Schreiben vom 20. 8. 1997 stimmte das Land Oberösterreich der Vertragserrichtung zu, wovon der Rechtsanwalt die Vertragsparteien mit Schreiben vom 1. 9. 1997 verständigte.

Mitte August 1997 beanstandete die Beklagte nasse Stellen an der Außenwand im Wohnzimmerbereich.

Mit Schreiben vom 3. 11. 1997 rief der Beklagtenvertreter unter Bezugnahme auf die behaupteten Mängel die Bankgarantie ab, obwohl der vereinbarte Anlass - Versagen der Zustimmung des Landes Oberösterreich - nicht eingetreten war. Die klagende Partei verbot aber der Bank, an die Beklagte zu zahlen.

Mit Schreiben vom 18. 11. 1997 drohte schließlich der Klagevertreter für die klagenden Partei den Rücktritt vom Vertrag für den Fall an, dass die Beklagte nicht die Bankgarantie über S 1,000.000 erlege, und wies darauf hin, dass die Geltendmachung der Bankgarantie durch die Beklagte einen Rücktrittsgrund darstelle. Mit Schreiben vom 9. 3. 1998 wies der Klagevertreter auf den nun wirksamen Vertragsrücktritt hin und forderte die Beklagte zur Räumung binnen zwei Wochen auf. Für den Fall, dass der restliche Kaufpreis von S 1,000.000 nicht binnen acht Tagen bezahlt werde, wurde der Vertragsrücktritt noch einmal bekräftigt.

Mit ihrer Klage begehrt die klagende Partei von der Beklagten die Räumung des gegenständlichen Reihenhauses und dessen Übergabe geräumt von eigenen Fahrnissen der Beklagten. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, dass die Beklagte ihre vertraglichen Verpflichtungen zur Übergabe einer Bankgarantie und zur Zahlung eines Kaufpreisteiles von S 1,000.000 nicht erfüllt und überdies vertrags- und treuwidrig eine von der Klägerin übergebene Bankgarantie abgerufen habe. Die klagende Partei sei daher unter Nachfristsetzung vom Kaufvertrag zurückgetreten. Dieser Kaufvertrag sei bücherlich noch nicht durchgeführt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, dass sie wegen Mängeln des Kaufobjekts zur Zurückhaltung des noch aushaftenden Kaufpreisteils und zur Zurückhaltung der versprochenen Bankgarantie berechtigt sei. Sie habe die klagende Partei mehrmals erfolglos zur Mängelbehebung aufgefordert. Wegen dieser Baumängel sei auch die Rücktrittserklärung der klagenden Partei unberechtigt. Die klagende Partei habe die ihr obliegende Vorausleistung (Übergabe der Liegenschaft und Fertigstellung der Arbeiten) nicht erbracht. Die vereinbarte Bankgarantie der Käuferin sei wirtschaftlich nicht als Gegenleistung für die Verkäuferpflichten des Kaufvertrages anzusehen.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Ausgehend von dem von ihm festgestellten Sachverhalt, der eingangs dieser Entscheidung zusammengefasst wiedergegeben wurde, vertrat es die Ansicht, dass sich aus dem Kaufvertrag eine vertraglich vereinbarte Vorleistungspflicht der Beklagten als Käuferin hinsichtlich des bar zu erlegenden Kaufpreises ergebe. Dies betreffe sowohl den bar zu zahlenden ersten Teilbetrag von S 1,603.000 als auch die Bankgarantie über S 1,000.000. Die Übergabe einer abstrakten Bankgarantie sei wirtschaftlich als Gegenleistung wie eine Teilzahlung zu betrachten und stelle wirtschaftlich das Gleiche dar wie die Bezahlung des Kaufpreises. Eine Zug-um-Zug-Leistung sei nicht vereinbart worden, weshalb der Beklagten die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht zustehe. Die Unterlassung der Übergabe der Garantie sei die Verletzung einer wesentlichen Nebenpflicht und berechtige zum Vertragsrücktritt. Die klagende Partei habe ihre Bereitschaft zur Rückabwicklung Zug um Zug gegen Rückgabe des Kaufpreises sowie getätigter Investitionen mehrfach erklärt. Da aber eine Zug-um-Zug-Verurteilung ausgeschlossen sei, erübrige sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Mängelfrage bzw zu den getätigten Investitionen.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der gegen die erstgerichtliche Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte diese dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies.

Das Berufungsgericht erachtete die Berufung der beklagten Partei allein aus rechtlichen Gründen für berechtigt. Käme es allerdings auf das Vorliegen/Nichtvorliegen von Baumängeln und den Zeitpunkt und Grad der Mängelbehebung an, wäre die Aufhebung des Ersturteils wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens unvermeidlich.

Das Klagebegehren könne nur dann berechtigt sein, wenn die klagende Partei rechtswirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Nur dann sei die Beklagte als titellose Benützerin des Kaufobjektes zur Räumung verpflichtet, sonst habe sie in Form des Kaufvertrages einen Titel zur Benützung. Nicht beizupflichten sei aber dem Erstgericht, dass im Kaufvertrag eine Vorleistungspflicht der Käuferin vereinbart worden sei. Die klagende Partei habe schon im Kaufvertrag eine unbedingte Aufsandungserklärung abgegeben und somit selbst zu einem erheblichen Teil vorgeleistet und den Kaufpreis, ja sogar schon die erste Kaufpreisrate von S 1,603.000, gestundet. Nur ausstehende Leistungen hätte die klagende Partei ab beglaubigter Vertragsunterfertigung noch zurückhalten können, nicht mehr jedoch die bereits abgegebene Aufsandungserklärung. Der Verkäufer, der bereits vorgeleistet habe, könne nach ständiger Rechtsprechung nach § 918 ABGB überhaupt nicht mehr vom Vertrag zurücktreten (EvBl 1966/443 = JBl 1967, 316; Bydlinski in Klang2 IV/2, 137 f mwN). Diese Rechtsprechung sei zwar handelsrechtlichen Ursprungs und gehe auf eine Analogie zu Art 8 Nr 21 4. EVHGB zurück, doch könne der Zahlungsverzug im allgemeinen Zivilrecht nicht strenger sanktioniert sein als im Handelsrecht. Daher wende die Rechtsprechung diese Bestimmung analog an (Bekräftigung der älteren Judikatur und Verwerfung der im Schrifttum teilweise geäußerten Gegenmeinung durch den OGH in 7 Ob 641/87 = JBl 1988, 107). Diese Rechtsprechung sei, wie auch der Abdruck unter E 78 zu § 918 in Dittrich/Tades, ABGB35 zeige, nach wie vor aktuell. Das Berufungsgericht finde keinen Grund, davon abzugehen. Problematisch könne hier allenfalls sein, dass eine Liegenschaft noch nicht allein durch die Übergabe in den physischen Besitz des Käufers, sondern erst mit dessen grundbücherlicher Eintragung als übergeben gelte (E 81 zu § 918 ABGB aaO). Dass vor der Einverleibung der Vertrag nicht erfüllt sei, stimme jedoch nur insofern, als bezüglich des Eigentumsüberganges der geschuldete Erfolg noch nicht eingetreten sei. Wenn aber der Verkäufer als Schuldner schon alle zur grundbücherlichen Einverleibung des Käufers erforderlichen Handlungen gesetzt und nur der Käufer als Gläubiger noch nicht die Einverleibung begehrt habe, stünden keine Erfüllungshandlungen des Schuldners mehr aus. Entscheidungswesentlich sei, dass die klagende Partei als Verkäuferin mit der Aufsandungserklärung vom 10. 7. 1997 und mit der tatsächlichen Übergabe des Kaufobjekts an die Beklagte am 1. 8. 1997 bereits alle Erfüllungshandlungen vorgenommen habe, ohne dass die Beklagte bis dahin wenigstens einen Teil, geschweige denn den ganzen Kaufpreis gezahlt hätte. Somit habe die klagende Partei als Verkäuferin durch ihre vollständig erbrachte Vorleistung und durch die Stundung des Kaufpreises nur noch die Stellung eines gewöhnlichen Geldgläubigers ohne Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB. Der einseitige Widerruf einer unbedingten Aufsandungserklärung sei gesetzlich nicht vorgesehen und weder aus § 918 noch aus § 1052 ABGB abzuleiten (7 Ob 564/84). Die klagende Partei sei daher zum Rücktritt vom Vertrag nicht berechtigt gewesen.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die oberstgerichtliche Judikatur zu § 918 ABGB nicht ganz einheitlich sei, was die Frage betreffe, ob Liegenschaften erst mit der Einverleibung des Eigentumsrechts des Käufers (so 7 Ob 507/77 = EvBl 1978/2) oder schon mit Überreichung des Einverleibungsgesuches des Erwerbers beim Grundbuchsgericht (so 7 Ob 564/84 = RZ 1986/28,

89) als übergeben anzusehen seien oder ob schon faktische Besitzeinräumung durch den Veräußerer für den Ausschluss dieses Rücktrittsrechts genüge (so 1 Ob 649/87 = JBl 1988, 108). Zum Zwecke der Vereinheitlichung der Judikatur wäre eine Klarstellung in dem Sinne, dass jedenfalls die Abgabe einer grundbuchsfähigen, unbedingten Aufsandungserklärung im Zusammenhang mit der faktischen Besitzübergabe das Rücktrittsrecht des Veräußerers nach § 918 ABGB ausschließe, erstrebenswert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei, mit der sie in erster Linie die Abänderung des Berufungsurteils dahin begehrt, dass der Klage Folge gegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung darüber, ob die Übergabe im Sinn des Art 8 Nr 21 4. EVHGB beim Grundstückskauf bereits mit der Abgabe einer grundbuchsfähigen unbedingten Aufsandungserklärung im Zusammenhang mit der faktischen Besitzübergabe erfolgt sei, bisher nicht ergangen ist. Die Revision ist auch im Sinne ihres Aufhebungsantrages im Ergebnis berechtigt.

An sich zutreffend (und somit in der Revisionsbeantwortung zu Unrecht bestritten) weist die klagende Partei in ihrer Revision darauf hin, dass die Beklagte vor der Entscheidung des Berufungsgerichtes niemals geltend gemacht hatte, dass wegen der faktischen Übergabe und Unterfertigung einer Aufsandungserklärung ein Rücktritt vom Vertrag nicht mehr möglich sei. Die klagende Partei macht allerdings als Revisionsgrund ausschließlich unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und legt insbesondere in keiner Weise dar, inwieweit sie, wenn sie auf diese Rechtsansicht hingewiesen worden wäre, ein zu einem für sie günstigeren Verfahrensausgang führendes Vorbringen erstattet hätte. Darauf ist somit unter dem Aspekt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht weiter einzugehen.

Was nun die analoge Anwendung von Art 8 Nr 21 4. EVHGB im

bürgerlichen Recht angeht, wird in der Revision gegen die schon vom

Berufungsgericht zitierte, die analoge Anwendung bejahende

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (s JBl 1988, 107 mwN)

nichts vorgebracht. Es kann deshalb hievon ausgegangen werden, zumal

in der angeführten Entscheidung die in der Revision zitierten Lehrmeinungen bereits abgelehnt wurden.

Zu prüfen ist daher nur noch, ab welchem Zeitpunkt bei Liegenschaften die Übergabe im Sinne dieser Gesetzesbestimmung als erfolgt anzusehen ist, woran sich die Rechtsfolge des Verlustes des Rücktrittsrechts nach § 918 ABGB knüpft.

Diesbezüglich bestand in der jüngeren Rechtsprechung keine Divergenz

insoweit, als zweifelsohne bei gewöhnlichen Kaufverträgen über

Liegenschaften die bloß faktische Besitzeinräumung für den Ausschluss

des Rücktrittsrechtes nicht ausreicht, vielmehr bücherliche

Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers erforderlich ist (SZ

34/146 = EvBl 1962/3 = ImmZ 1962, 187 = JBl 1962/149; EvBl 1966/443 =

ImmZ 1967, 202 = JBl 1967, 316 [krit Gschnitzer] = MietSlg 18.089; SZ

45/112 = JBl 1974, 148; EvBl 1978/2; SZ 52/36; AnwBl 1988, 167 = JBl

1988, 108 uva, zuletzt EvBl 1996/64). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ergibt aus der von ihm zitierten Entscheidung 1 Ob 649/87 = JBl 1988, 108 nicht, dass damit für "gewöhnliche" Kaufverträge von dieser Rechtsprechung abgewichen werden sollte. In diesem Zusammenhang spricht die Entscheidung nur von "Übergabe" und beruft sich auch auf SZ 45/112. Lediglich für die hypothetische Beurteilung des damals vorliegenden Vertrages als (bäuerlichen) Übergabsvertrag wird Rechtsprechung zitiert. wonach schon nach faktischer Besitzeinräumung, jedenfalls aber nach bücherlicher Durchführung des Vertrages der Rücktritt ausgeschlossen sein soll.

Richtig hat allerdings das Berufungsgericht erkannt, dass abgesehen von der Entscheidung 7 Ob 564/84 = SZ 58/117 = NZ 1985, 233 (zust Hofmeister 237) = RZ 1986/28, 89 die Frage nicht geprüft wurde, ob tatsächlich erst die vollzogene bücherliche Eintragung das Rücktrittsrecht ausschließt. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war die faktische Übergabe der Liegenschaft bereits vor Leistung der zweiten Unterschrift auf dem verbücherungsfähigen Kaufvertrag erfolgt. Der Rücktritt war schließlich erst nach Zustellung des Einverleibungsbeschlusses erklärt worden. Ohne Eingehen auf den Wortlaut des Art 8 Nr 21 4.

EVHGB wird ausgeführt, dass bei unbeweglichen Sachen die vom

Verkäufer geschuldeten Übereignungshandlungen in der Abgabe der

grundbuchsrechtlich notwendigen Aufsandungserklärung (§ 32 GBG) und

der Mitwirkung an der Ausstellung der grundbuchsrechtlich nach den §§

26 f und 31 GBG sonst notwendigen Urkunden (Bydlinski in Klang2 IV/2,

302 f) bestünden. Diese Leistungen hätte die Klägerin im Zeitpunkt

der Überreichung des erfolgreichen Grundbuchsgesuches der Beklagten

längst erbracht. Auch Reischauer (in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 918)

lehrt, dass keine Erfüllunghandlungen mehr ausstünden, sofern der

Schuldner schon alle zur Einverleibung erforderlichen Handlungen

gesetzt und der Gläubiger noch nicht Einverleibung begehrt habe. Dem

hat sich auch Binder (in Schwimann, ABGB2 Rz 73 zu § 918)

angeschlossen. Auch in der deutschen Lehre und Rechtsprechung zu der

für Art 8 Nr 21 4. EVHGB das Vorbild bildenden Bestimmung des § 454

BGB, wo allerdings von Erfüllung des Vertrages die Rede ist, wird der

Verlust des Rücktrittsrecht mit Übergabe und Auflassung des

Veräußerers, sofern dieser schon grundbücherlicher Eigentümer ist,

angenommen (Westermann in MünchKomm BGB3 Rz 4 zu § 454; Honsell in

Staudinger, BGB (1995) Rz 7 zu § 454; U. Huber in Soergel, BGB12 Rz

14 zu § 454). An der Richtigkeit dieser Auffassung zu zweifeln

besteht kein Anlass. Hat nämlich der Verkäufer alles das getan, was

dem Beklagten seine Einverleibung als Eigentümer im Grundbuch

ermöglicht, dann ist von seiner Seite der Vertrag zur Gänze erfüllt

und damit im Sinne der im bürgerlichen Recht analog anzuwendenden

Gesetzesstelle auch übergeben. Entgegen der Auffassung des

Berufungsgerichtes genügt aber die bloße Abgabe der

Aufsandungserklärung nicht, vielmehr ist auch die Übergabe der entsprechenden Urkunde an den Käufer erforderlich (so auch Huber aaO), weil dieser sonst nicht in der Lage ist, alleine die Einverleibung zu bewerkstelligen (vgl dazu Spielbüchler in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu §§ 357 bis 360).

Es liegt im zu beurteilenden Fall auch die von der Lehre besonders hervorgehobene Voraussetzung des Art 8 Nr 21 4. EVHGB vor, dass der Kaufpreis (hier teilweise) gestundet wurde. Auch wenn die Bankgarantie der Käuferin für die letzte Kaufpreisteilzahlung vertragsgemäß vor der tatsächlichen Übergabe übergeben werden sollte, kann darin entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht bereits eine Zahlung erblickt werden. Diese Rate wäre nach dem Vertrag nämlich erst am Ende des Jahres 1997, somit (auch tatsächlich) sowohl nach Eintritt der aufschiebende Bedingung der Zustimmung des Landes als auch nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe fällig geworden. Die Bankgarantie konnte demnach nur der Sicherung dienen. Es lag daher seitens der klagenden Partei eine Stundung eines erheblichen Teils des Kaufpreises vor (worauf vor allem in der Lehre zu Recht für die Anwendbarkeit des Rücktrittsausschlusses Wert gelegt wird; etwa Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 918; Mayerhofer, Schuldrecht 385 f; zuletzt Kerschner in Jabornegg, HGB Rz 6 zu Art 8 Nr 21 4. EVHGB; in diesem Sinn auch EvBl 1996/64 und JBl 1988, 108 sowie zum Kauf einer beweglichen Sache JBl 1988, 107). In der zuletzt zitierten Entscheidung wurde auch klargestellt, dass unerheblich ist, dass nur ein Teil des Kaufpreises gestundet wurde.

Um die Rechtssache - und sei es auch nur für die Frage des Rücktrittsausschlusses nach Art 8 Nr 21 4. EVHGB - schlüssig zu machen, bedarf es offenbar einer Verfahrensergänzung erster Instanz, zumal dieser Abweisungsgrund erstmals vom Berufungsgericht aufgegriffen wurde. Es wird mit den Parteien die Frage der Übergabe im Sinn dieser Gesetzesstelle zu erörtern und insbesondere festzustellen sein, ob vor der Rücktrittserklärung die beklagte Partei bereits sämtliche erforderlichen schriftlichen Unterlagen von der klagenden Partei (insbesondere auch den Kaufvertrag samt Aufsandungserklärung im Original) erhalten hat. Nur bei Bejahung dieser Frage ist die Klage im Sinne der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes spruchreif.

Da noch nicht feststeht, inwieweit die Revisionswerberin schließlich mit ihrem Rechtsstandpunkt durchdringen wird, war die Kostenentscheidung gemäß § 52 ZPO dem neu zu fällenden Urteil des Erstgerichtes vorzubehalten.

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