OGH 10ObS109/00b

OGH10ObS109/00b23.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Hübner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerd Swoboda (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rosa H*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufskrankheit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9. Februar 2000, GZ 7 Rs 363/99z-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6. Oktober 1999, GZ 13 Cgs 37/98w-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 25. 3. 1946 geborene Klägerin war in den Jahren 1960 bis 1984 in verschiedenen Supermärkten in Deutschland und Österreich zunächst als Verkäuferin und zuletzt als Filialleiterin beschäftigt. Im Zeitraum 1984 bis 1997 war die Klägerin als einzige Verkäuferin in der Filiale einer Bäckerei tätig.

Die Klägerin leidet an einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung. Da bei ihr eine Allergie gegen sämtliche in einer Bäckerei üblicherweise vorkommenden Allergene ausgeschlossen werden konnte, liegt eine Berufskrankheit nach Nr 30 der Berufskrankheitenliste Anlage 1 zum ASVG nicht vor.

Weiters bestehen bei der Klägerin im Rahmen eines auf einer Nickelallergie beruhenden Nickelekzems im Bereich beider Handgelenke gerötete Papeln mit Excoriationen sowie links ein münzengroßer chronisch-ekzematöser Herd bei Armbanduhrkontakt. Das Ekzem an den Händen besteht auch nach einer zweijährigen Berufskarenz weiter und bricht immer wieder auf. Bei der Klägerin liegt eine atopische Disposition vor; es bestehen ein erhöhtes IGE, das bereits erwähnte Asthmaleiden sowie eine familiäre allergische Belastung insofern, als auch bei einer Schwester der Klägerin Asthma und Handekzem vorliegen. Die Klägerin weist auch eine Allergie gegenüber Kaliumdichromat und Kobalt auf. Es ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass die Nickelallergie beruflich ausgelöst wurde. Eine Aufgabe der schädigenden Berufstätigkeit ist nicht durch die Nickelallergie erzwungen, weil durch einfache Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Handschuhen, ein Nickelkontakt vermieden werden kann und so auch ein beruflicher Anlass für das Ekzem ausgeschlossen werden kann.

Das Erstgericht stellte fest, dass die bei der Klägerin bestehende chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung sowie das vorliegende Nickelekzem nicht Folge einer Berufskrankheit im Sinne des Gesetzes seien, und wies daher das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin aus Anlass einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit gemäß § 177 ASVG eine Versehrtenrente in der gesetzlichen Höhe ab dem Stichtag zu gewähren, ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass nach den Tatsachenfeststellungen bei der Klägerin eine Berufskrankheit im Sinne des § 177 ASVG, Nr 30 der Anlage 1 zum ASVG (Asthma bronchiale) nicht vorliege. Auch die für das Vorliegen einer Hauterkrankung im Sinn des § 177 ASVG, Nr 19 der Anlage 1 zum ASVG geforderte überwiegend wahrscheinliche Verursachung durch die berufliche Tätigkeit sei nicht gegeben. Neben der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Verkäuferin, bei der immer wieder Münzen auszugeben gewesen seien, komme auch eine berufsunabhängige Verursachung in Betracht, welche auf die atopische Disposition und die familiäre allergische Belastung zurückzuführen sei. Die Klägerin weise auch eine Allergie gegenüber Kaliumdichromat und Kobalt auf, welche nicht vom Umgang mit Münzen herrühren könne. Überdies sei Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit die Notwendigkeit der Aufgabe der schädigenden Erwerbstätigkeit. Der Klägerin sei jedoch eine Tätigkeit als Verkäuferin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf einer Vielzahl von Arbeitsplätzen möglich, bei denen es zu keiner Manipulation mit Münzen komme.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Nichteinholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens), erachtete die im Wesentlichen auf medizinischen Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes als schlüssig und übernahm sie als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung. In rechtlicher Hinsicht schloss sich das Berufungsgericht den Rechtsausführungen des Erstgerichtes an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. Den Revisionsausführungen sei dennoch Folgendes entgegengehalten:

Soweit die Revisionswerberin meint, das Berufungsgericht habe sich nicht ausreichend mit ihrer Beweisrüge auseinandergesetzt, ist ihr zu entgegnen, dass sich das Berufungsgericht mit den prozessentscheidenden medizinischen Sachverständigengutachten eingehend auseinandergesetzt hat und sein Urteil den Ansprüchen an die Begründungspflicht für die Erledigung einer Beweisrüge jedenfalls gerecht wird. Die Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen einer beruflichen Tätigkeit sind, also die Feststellung der sogenannten natürlichen Kausalität, gehört zum Tatsachenbereich und ist damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (10 ObS 34/98t mwN ua). Soweit die Revisionswerberin die natürliche Kausalität ihrer Beschwerden (Asthma bronchiale, Nickelallergie) zu bejahen versucht, geht sie nicht von den getroffenen Tatsachenfeststellungen aus. Ob der Kausalitätsbeweis von den Vorinstanzen zu Recht als nicht erbracht angesehen wurde, ist im Revisionsverfahren aus den bereits genannten Gründen nicht überprüfbar (10 ObS 34/98t mwN uva). Auch die Frage, ob die Vorinstanzen verpflichtet gewesen wären, weitere Beweise aufzunehmen, betrifft die Beweiswürdigung und ist gleichfalls vom Revisionsgericht nicht zu untersuchen (10 ObS 41/93 mwN ua).

Ausgehend von den das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen muss auch die Rechtsrüge versagen. Nach § 177 Abs 1 ASVG gelten die in der Anlage 1 zum ASVG bezeichneten Krankheiten unter den dort angeführten Voraussetzungen nur dann als Berufskrankheiten, wenn sie durch Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung in einem in Spalte 3 der Anlage bezeichneten Unternehmen verursacht sind. Voraussetzunng für die Anerkennung als Berufskrankheit ist somit, dass das Leiden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die betrieblichen Einwirkungen zurückzuführen ist (SSV-NF 9/23 ua).

Nach den Feststellungen bestehen keine Hinweise darauf, dass das Lungenleiden der Klägerin auf betriebliche Einwirkungen zurückzuführen ist. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Feststellungen des Erstgerichtes zur Hauterkrankung der Klägerin konnte ein hinreichender Kausalitätsnachweis jedenfalls nicht erbracht werden, weil einer von der beruflichen Tätigkeit der Klägerin unabhängigen Verursachung dieser Erkrankung im Hinblick auf die atopische Disposition und die familiäre allergische Belastung der Klägerin jedenfalls eine gleich hohe Wahrscheinlichkeit zukommt und der Klägerin daher insoweit auch nicht der sogenannte Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines haftungsbegründenden Zusammenhanges mit ihrer beruflichen Tätigkeit zugute kommt (vgl SSV-NF 5/140 ua). Da der Klägerin somit der Nachweis, dass ihre Erkrankungen durch die Ausübung der die Versicherung begründenden Beschäftigung als Verkäuferin verursacht wurden, nicht gelungen ist, wurde ihr Klagebegehren von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum abgewiesen. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf die weitere Frage, ob die Klägerin auf Grund ihrer Hauterkrankung zur Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit gezwungen war.

Die Revision musste somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch nicht aktenkundig.

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